Günther Liebert

Die Identität des Herzogs Ernst von Bayern

Der in Roßtal begrabene Herzog Ernst von Bayern war in der Folgezeit immer wieder Forschungsgegenstand namhafter Historiker. Das Ergebnis dieser Forschung sei hier allen weiteren Ausführungen vorangestellt, wurden doch Irmingard und Herzog Ernst stets in einem Atemzug genannt und als Ehepaar dargestellt. Außerdem trägt es zur Aufhellung der frühmittelalterlichen Geschichte Roßtals bei, die ja nicht mit der erstmaligen Erwähnung in der Sachsenchronik von Widukind 954 begonnen hat.

Besonders intensiv hatte sich Breßlau, Professor in Berlin und Straßburg, mit diesem Thema befasst. Ein Indiz, dass Herzog Ernst weit über die Grenzen von Roßtal bekannt war. In seinem umfassenden Beitrag mit dem Titel »Zur Ernstsage«1 kam er nach Abwägung aller überlieferten Fakten zu dem Ergebnis, dass der in den Roßtaler Quellen genannte Herzog Ernst bzw. Herzog Ernst von Bayern identisch ist mit dem im Jahr 865 verstorbenen Graf Ernst von der böhmischen Mark. Er begründete es damit, dass die Überlieferung in Roßtal keine anderen Fürstengräber kennt als die von Ernst und Irmingard und fügte hinzu, dass zu jener Zeit in den Quellen des öfteren Graf Ernst von der böhmischen Mark als „dux“ und auch als Herzog Ernst von Bayern bezeichnet wurde.2 Dieser Meinung schlössen sich andere Historiker wie Ernst Dümmler – er war Professor in Halle – voll und ganz an.3

Ernst von der böhmischen Mark war der engste Vertraute und zugleich Verwandter König Ludwigs des Deutschen, war doch seine Tochter mit dem ältesten Königssohn Karlmann verheiratet. Die Größe seiner Vertrauensstellung am königlichen Hofe spiegelt sich in verschiedenen geschichtlichen Quellen in Formulierungen wieder wie „Herzog und unter Freunden des Königs der erste“, „der erste unter allen Adligen“ oder „Führer des bayerischen Aufgebotes“.4

Diese inoffizielle Titulierung war nur möglich, weil mit der Absetzung und Verbannung des bayerischen Herzogs Tassilo III. im Jahr 788 das Herzogtum Bayern für etwas mehr als hundert Jahre zu einer Provinz des ostfränkischen Reiches wurde. Die ostfränkischen Könige, die nun das Land regierten, sahen sich als Könige von Bayern und hatten daher keinen Grund, einen Herzog für Bayern einzusetzen.

Das für den König Ludwig unverzeihliche Vergehen des Markgrafen Ernst war, dass er Karlmann, seinen Schwiegersohn, in dessen Bestreben die alleinige Macht über die östlichen Marken (heutiges östliches Österreich) des Königs zu gewinnen, unterstützte. Da nach damaligen Vorstellungen die Macht eines Königs von Gott gegeben war, war ein Vergehen, wie von Ernst begangen, auch ein Vergehen gegen die Majestät Gottes. Markgraf Ernst wurde auf dem Reichstag zu Regensburg im Jahr 861 aller seiner Ämter enthoben und mit dem Entzug aller Lehen auf Lebenszeit bestraft. Das gleich harte Los traf als Mitschuldige Verwandte und andere hochangesehene Personen.

Nach Meinung von Breßlau hat sich Markgraf Ernst nach seiner Absetzung auf seine Güter zurückgezogen, wozu er auch Roßtal zählte. Dort verstarb er im Jahr 865. Doch heute wissen wir, dass Roßtal mit seiner mächtigen Burganlage zu jener Zeit noch Königsland war, ein in der Verfügungsgewalt des Königs liegendes Land, das noch niemandem zu Lehen vergeben war.

Auch W. Wiessner ist in einer mehrseitigen Abhandlung über die Königshöfe Fürth, Langenzenn und Roßtal zu dem Ergebnis gelangt, dass Franken Königsland gewesen ist, was er durch die vielen Reichslehen im weiteren Umkreis der genannten Königshöfe bestätigt findet.5 Es sind Lehen, die unmittelbar vom König, etwa ab dem 11. Jahrhundert, in dem Gebiet der genannten Königshöfe an die Reichsministerialen, seinen Helfern zur Erschließung und Besiedlung des Landes vergeben wurden. Dazu gehören u. a. die Herren von Leonrod (z. B. Roßtal und Buttendorf) und die Herren von Berg (z. B. Buchschwabach und Weitersdorf).

Das dürfte auch der Grund gewesen sein, dass König Ludwig der Deutsche seinen einst engsten Vertrauten nach Roßtal in die Verbannung schickte, wo er bis zu seinem Tod unter Bewachung der fränkischen Burgbesatzung gestanden haben muss.

Der älteste schriftliche Hinweis auf den in Roßtal begrabenen Herzog Ernst ist das auf dem Sarkophag angebrachte Epitaph mit dem Hinweis „In diesem Felsen liegt Herzog Ernst bestattet …“. Es muss eine gebildete und des Schreibens bewanderte Person gewesen sein, die diese Inschrift veranlasste, war sie doch in lateinischer Sprache verfasst. Vielleicht war es ein Priester oder Mönch, der mit ihm in die Verbannung zog und der die fürstliche Herkunft des Verbannten sehr gut kannte. Der Bestattete wird auf dem Epitaph zwar nicht als Herzog von Bayern tituliert, doch die Bewohner der Burg, das einfache Volk, das des Lesens und Schreibens nicht kundig war, hatten von seinem vormaligen Wirkungsbereich in der Nähe seines Königs wohl gewusst und dieses Wissen mündlich den Nachkommen weitergegeben.

Der Sarkophag stand nach dem Bericht von Arnpeck und Brusch im Chor der frühromanischen Kirche, die etwa 150 Jahre nach dem Tod Herzogs Ernst errichtet wurde. Es kann keinen Zweifel geben, dass der steinerne Sarg ursprünglich einen anderen Standort gehabt haben muss, denn die lateinische Grabinschrift weist, wie schon oben angedeutet, auf einen schreibkundigen Zeitgenossen des Herzogs hm. Wegen seiner fürstlichen Herkunft kommt als ursprüngliche und standesgemäße Beisetzungsstätte für seinen Leichnam wohl nur eine Vorgängerkirche m Frage. Allein die Tatsache, dass Roßtal eine Urpfarrei war, der später bis zu 35 umliegende Ortschaften angehörten, spricht dafür, dass es im Schütze der Burgmauern schon im 9. Jahrhundert eine Kirche gegeben haben muss. War es die Krypta unterhalb der heutigen Kirche, wie einige Kunsthistoriker aufgrund baulicher Befunde meinen,6 oder stand auf dem Platz der Anfang des 11. Jahrhunderts errichteten Kirche bereits eine Urkirche? Vielleicht wird diese Frage später einmal von Archäologen geklärt.

Dass Markgraf Ernst verheiratet war, weiß man durch die Ehe seiner Tochter mit dem Königssohn Karlmann. Der Name der Ehefrau ist jedoch nach wie vor unbekannt, weshalb man sie auch nicht mit der in Roßtal verehrten Irmingard in Verbindung bringen kann, die zu einer späteren Zeit gelebt hat. Damit blieb die Frage, wer die in Roßtal begrabene und verehrte selige Irmingard wirklich gewesen ist.


1H. Bresslau: Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Konrad II., 1879, Band 1, S. 468 ff.
2a. a. O., S. 471.
3 E. Dümmler: Jahrbuch der Deutschen Geschichte, Band 2, 1888, S. 21.
4 M. Spindler: Handbuch der bayerischen Geschichte, 1967, 1. Band, S. 195.
5 W. Wiessner: Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Mittelfranken, Band 1: Stadt- und Landkreis Fürth, S. 27* ff.
6 H. Buschow: Studien über die Entwicklung der Krypta im deutschen Sprachraum, 1934, S. 26 f.
H. Paulus: Ein Beitrag zur Datierung der regnitzfränkischen Krypten Roßtal und Seußling, S. 97 ff. In: Erlanger Bausteine, Bd. 5, 1958.

Quelle: Markt Rosstal (Hrsg.), Roßtal 1050 Jahre Heimat – offen und lebendig, Roßtal 2004, S. 78–80