Alfred Steinheimer

Der Streit um die „Laurenzi-Kirchweih“

Der Tag des Roßtaler Kirchenpatrons Laurentius, der 10. August, wurde bis zur Reformation, ungeachtet ob es ein Werktag oder ein Sonntag war, als Kirchweihtag gefeiert.

Erst später bestimmte man den auf den 10. August nächstfolgenden Sonntag zum Feiertag. Trotz dieser Maßnahme fand damals jedoch am Laurentiustag, in altgewohnter Weise, ein Gottesdienst mit Predigt statt, dies aber erst nach merkwürdigen „Wetterschlägen“, wie Pfarrer Friedrich Wilhelm Wolßhofer, der in Roßtal auf der 1. Pfarrstelle von 1748–1762 war, in einer Pfarrbeschreibung der Nachwelt überliefert hat.

Er schrieb im Jahre 1760: „Anno 1624 hat man diesen Laurentii-Feiertag und das Predigen daran verboten; da schlug in eben dem Jahr am Martini-Tag (11. Nov.) das Wetter in die Kirche und brannte das ganze Langhaus völlig weg.“

Hier irrt Pfarrer Wolßhofer; der von ihm geschilderte Blitzschlag am 11. Nov. 1624 beschädigte „nur“ den Turm. Erst drei Jahre später, am Laurentiustag, den 10. August 1627, bei einem erneuten Blitzeinschlag mit anschließendem Feuer wurde nicht nur die Turmspitze, sondern auch das gesamte Langhaus ein Raub der Flammen. Hierbei stürzte das Gewölbe des Langhauses in den Kirchenraum und zerstörte alle sechs, nach anderen Angaben neun Altäre und auch die beiden Hochgräber, das der als Kirchenstifterin geltenden Gräfin Irmingard und das eines Herzogs Ernst.

Die beiden Blitzschläge, die im Abstand von kaum drei Jahren so große Schäden an und in der Kirche anrichteten, lösten unter den Gemeindemitgliedern Angst und Unsicherheit aus. In einer später verfertigten Beschreibung ist zu lesen:

„… Der Tag Laurentii wurde in hießiger Pfarrei feierlich begangen und gleich einer Kirchweih gehalten, weil die Kirche dem St. Laurentius soll geweiht gewesen sein. Nach der Reformation wurde die Feier dieses Tages eingestellt.“ (Anmerkung: Der Patroziniumstag wurde erst ab 1624 nicht mehr gefeiert).

„Als aber Anno 1627 eben am Laurentiustag das Donnerwetter in den Thurm geschlagen und derselbe samt den vier Glocken und der Uhr, ebenso die Kirche mit sehr vielen alten Monumentern abgebrannt, zusammengefallen und zu Grunde gegangen ist, ist das Volk auf die Meinung gekommen, als wäre das Unglück daher gekommen, dass man den Laurenzitag zu feiern unterlassen hätte und so ist dieser Feiertag wieder in den Brauch gekommen“.

Dies wurde solange beibehalten, bis es im Jahre 1731 wiederum einem Pfarrer einfiel, den Laurentius-Tag abschaffen zu wollen.

Er rechnete allerdings nicht mit dem Richter Johann Gottfried Rötter (1711-1737)*, der sich flugs hinsetzte und den Markgraf Carl Wilhelm Friedrich im nachstehenden Brief* die Absicht des Pfarrers mitteilte:

Durchlauchtigster Marggraf, gnädigster Fürst
Es ist von unfürdenklichen Zeiten her der Tag Laurenty als ein Kirchwey-Fest in hießiger Pfarr feyerlich celebriret und vormittag eine Predigt, dann des Nachmittags eine Kinderlehr gehalten sonach der Tanz auf dem Plan aufgeführet. Bey dem Schluß gestriger Predigt aber von jetzmalig hiesigen Herrn Pfarrer Schülin gemeldet worden, daß sothaner Feyertag für das künftige aufgehoben seyn sollte, mithin die Leute statt der Feyerung ihre Kinder und Gesind zur Arbeit anhalten möchten, weilen wie die verba formalia gelautet: Die Kirchweyh zu Teufels Festen gemacht werden thäten.

Schlitzohrig fuhr der Richter, über den in der Vergangenheit der Pfarrer schon mehrfach Klage geführt hatte, dass „... er die Interessen der eigennützigen Wirthe verträte“ in seinem Schreiben fort.

„Wie nun hiebey meine Meinung garnicht ist des Pfarrers herzensgutes (!) Vernehmen zu unterbrechen, sondern über das rohe und ungezähmte Wesen des jungen Gesinds ebenfalls mein Mißfallen bezeuge.“

Also habe hierdurch nur untherthänigst antragen um Ew. Hochfürstl. Durchlaucht gnädigste Bescheidung gehorsamst bitten sollen, ob ohngeachtet der von der Pfarr aufgehobenen Feyerung und Gottesdienst auf den künftigen Freytag über 8 Tag den 10. Nächstanscheinenen Monath August einfallenden Laurenty-Tag der Plan aufgeführet und getanzet, mithin die dießfallsige uralte Gewohnheit beybehalten werden soll. Roßstall den 30. My 1731

Durchlauchtigster Marggraf,
Gnädigster Fürst und Herr
Euer Hochfürstl. Durchlaucht Unterthänigst-treugehorsamßter Diener Johann Gottfried Rötter

Schon zwei Tage später, am 1. August erhielt der Pfarrer ein Schreiben der Brandenburgischen Hofrath-Canzley, in dem er aufgefordert wurde, innerhalb von drei Tagen seine Gründe anzugeben, warum er ohne Erlaubnis „… die Predigt und die nachmittägliche Kirchweyh eigenmächtig einzustellen sich unternommen habe“.

Um es kurz zu machen: Es blieb bei der alten Regelung und, um auch die Gründe des Pfarrers zu würdigen und ihn nicht bloßzustellen, wurde das Richteramt angewiesen „alle ärgerliche Üppigkeiten (am Laurenzitag) abzustellen.“

Wie lange es bei diesem Brauch blieb, ließ sich nicht ermitteln. Irgendwann, wahrscheinlich erst zur Zeit als das Fürstentum Ansbach vom König von Preußen regiert wurde, also nach 1791, kam es dann doch zur Aufhebung des Feiertages am 10. August. Bis heute wird daher der Feiertag, verbunden mit der Kirchweih, am nächstfolgenden Sonntag des eigentlichen Patroziniumstages begangen.

Anmerkung:*
Der im Schreiben des Richters genannte „Tanz auf dem Plan“ war wie der „Kirchweihschutz“ eine Demonstration der Obrigkeit.
Den Kirchweihschutz übernahm die Herrschaft, die die Hochgerichtsbarkeit am Ort hatte, also hier in Roßtal der markgräfliche Richter. Er hatte an diesem Tag das Recht, zur Erhaltung des „Kirchweihfriedens“, auch in die Befugnisse der anderen Grundherren am Ort einzugreifen. Dieses übergreifende Recht endigte am Kirchweihabend. Eine strenge Strafe hatten die zu erwarten, die den Kirchweihfrieden brachen. Die Kirchweih begann mit einem Tanz auf dem „Plan“ – es könnte der Platz vor dem Schloß gewesen sein – durch die Obrigkeit. Erst nach dem Ende dieses Tanzes und dem öffentlichen Ausruf des „Kirchweihfriedens“ durch eine Amtsperson, konnte dann das öffentliche Tanzvergnügen beginnen.
Die geplante Maßnahme des Pfarrers war demnach ein unerlaubter Eingriff in die Rechte des markgräflichen Vertreters am Ort.

Quellen:

* Adolf Rohn: Heimatbuch von Roßtal 1928, S. 20
* Archiv der Evang.-Luth. Pfarrei St. Laurentius, Akte Nr. 270
* Nach Kramer: Geschichtliche Nachrichten zur mittelfränkischen Kirchweih, Bay. Jahrbuch für Volkskunde, 1959


Quelle:
Alfred Steinheimer, St.-Laurentius-Kirche zu Roßtal – Geschichte und Geschichten um die Pfarrei, Roßtal 2001, S. 65 ff.