Robert Leyh

Evang.-Luth. Pfarrkirche St. Laurentius

Geschichtlicher Hintergrund.

Die nun schon seit annähernd 1000 Jahren das Architekturbild des alten Frankenmarktes Roßtal prägende Kirche St. Laurentius geht auf eine Stiftung der Pfalzgräfin Irmingard von Hammerstein in den Jahren 1025 bis 1042 zurück. Der Bau entspringt ganz der ottonischen Tradition des 10. Jh. und erinnert bis auf den heutigen Tag an König Otto I., der in Memleben im 60. Lebensjahr nach 37jähriger Herrschaft als erster deutscher Kaiser gestorben ist. Wie wir aus Widukinds Sachsenchronik, der sog. „Res Gestae Saxonicae“, wissen, hatte sich das Roßtaler Kastell nach dem Reichstag von Langenzenn am 16.6.954 hochverräterisch auf selten des König Otto feindlich gesinnten Sohnes Liudolf gestellt und Ottos Streitmacht einen großen Schaden beigefügt. Die Größe dieses Kastells spiegelt sich neben der Bezeichnung Widukinds als „urbs“ (Stadt) auch in der räumlichen Ausdehnung wider, die sich auf das heutige Gebiet von Friedhof und angrenzendem Marktplatz erstreckte. Der Verrat an König Otto sollte seine gerechte Strafe finden: in der zweiten Hälfte des 10. Jh. und zu Beginn des 11. Jh. wurde die Roßtaler Burg geschleift, nichts außer einigen Mauerfragmenten des das Burgareal umgebenden Schanzwerkes sollte übrigbleiben. An der Stelle dieses mächtigen Vorgängerbaus gründete Irmingard von Hammerstein im ersten Viertel des 11. Jh. einen in seiner Größe der Burg ebenbürtigen Kirchen- oder Klosterbezirk, dessen Zentrum St. Laurentius bildete.

Die Kirche zu Roßtal 1810, Bleistiftzeichnung von Johann Christoph Jakob Wilder (1783–1838).
– Original im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg

Patrozinium, Architektur und die um die Kirche rankenden Sagen verkünden das Fortleben ottonischer Tradition und dürfen als siegreiche Antwort zu dem früheren aufständischen und König Otto feindlich gesinnten Kastell Horsadal angesehen werden: Am Tag des hl. Laurentius, dem 10.8.955, wurde die Schlacht gegen die das deutsche Land geißelnden Ungarn unter dem Siegeszeichen der hl. Lanze durch Otto I. eröffnet. Der Sieg auf dem Lechfeld schlug sich in der Patronatswahl der Roßtaler Kirche nieder.

„Ernest nach gotes hulden warp / er bat e daz er starp / daz man in ze Rosveit / begruebe, aldä noch der helt / durch fursten reht begraben ligt. / Da liget ouch diu hat an gesigt / der werlde grus, frou Irmegart / zir gnaden ist gröziu vart / got vil Zeichen durch sie tout / der gebe uns ouch ein ende guot“. Mit dieser Strophe endet die D-Version des im 13. Jh. weit verbreiteten Spielmannsepos über den legendären „Herzog Ernst“ von Bayern, der mit seiner Gemahlin, der Stifterin der St. Laurentiuskirche zu Roßtal, im besagten „Rosveit“ (Roßtal) seine letzte Ruhestätte gefunden haben dürfte. Die bis in die Neuzeit in mehreren Fassungen von anonymen Dichtern in Prosa und Vers bearbeitete Sage über diesen Bayernherzog, der, zunächst feindlich gegen seinen Stiefvater Otto I. gesinnt, sich dann nach Irrfahrten im Orient reumütig zu ihm bekannte und huldvoll um seine Gnade bat, enthält glaubwürdige Kernelemente, was zeitgenössische Chroniken beweisen. A. Ortegel sieht in der sagenhaften Gestalt des Herzogs jenen Sualafeldgrafen Ernst von 954/959, der nach dem Reichstag von Langenzenn, die „urbs“ Roßtal „erfolgreich gegen Otto verteidigt“ hatte. In einer zu Rohr am 12.6.959 von Otto ausgestellten Urkunde wird auf einen Ernst verwiesen:„… wie Wir durch das Verhalten des Grafen Ernst unserem getreuen Hartmann zu Eigen geschenkt haben, was Ernst an Erbrecht hatte im Dorf Auhausen [in der Nähe von Wassertrüdingen] und Westheim [bei Heidenheim] in der Grafschaft desselben Grafen Ernst. Dieses Erbe wurde Uns und Unserer königlichen Macht vom Volke öffentlich durch Urteil zuerkannt, weil derselbe Ernst uns am meisten feindlich aufstand.“

Die Hallenkrypta der Laurentiuskirche, um 1030

Krypta.

„Unter dem Gotteshaus in unterirdischen Tiefen der Erde ist ein anderes Heiligtum (fanum), sehr alt, geräumig und sehr fest, auf 12 Pfeilern oder Säulen und mit einer sehr festen Decke großartig eingewölbt und vermauert.“ Diese Nachricht von Caspar Brusch (gest. 1559) bezieht sich auf eine Information des Heilsbronner Abtes Wirsinger über die Krypta von Roßtal.

Die der Gründungszeit der Kirche entstammende Krypta, deren exakte Datierung der bisherigen kunstgeschichtlichen Forschung viele Rätsel aufgab, befindet sich unterhalb des Presbyteriums im Ostteil der Kirche. Sie ist am Übergang vom Langhaus zum erhöhten Chor beidseitig durch schmale stollenförmige Schachttreppen an den südlichen und nördlichen Außenwänden erreichbar. Die Roßtaler Krypta ist eine fünfschiffige Halle über rechteckigem Grundriß. Zwölf Pfeiler, sie sollen nach W. Funk an die zwölf Apostel erinnern, dienen als Träger des Gewölbesystems, bestehend aus Stichkappentonnen; sie bilden sechs quadratische Joche. Die Abstände der Pfeiler zu den Außenwänden sind geringer, so daß um die Halle herum längsrechteckige Raumabschnitte entstehen. An der Ostseite sind symmetrisch drei Apsiden in der starken Außenwand angeordnet, wobei die mittlere eine kalottenförmige Schalwölbung aufweist. Ihre Stirnwand zeigt eine rundbogenförmige Aussparung, die zum Aufstellen liturgischer Geräte vorgesehen war. Noch heute bezeugt eine Mensa in der Hauptapsis, daß die Krypta für kultisch-religiöse Handlungen gedient hat. Schmale Rechteckfensterchen in der nördlichen und drei Rundbogenfensterchen in der südlichen Wand erhellen den Kryptenraum nur notdürftig.

Die Basen der über quadratischem Grundriß stehenden Kryptenpfeiler bestehen aus einem stark gedrückten Pyramidenstumpf auf einer hohen sockeiförmigen Plinthe. Darüber erhebt sich ein monolither Vierkantschaft, der sich leicht verjüngt. Als Abschluß bekrönt ein Pyramidenstumpfkapitell den Pfeiler, dessen Kanten kontinuierlich in die Gewölbegrate weitergeführt werden. Der Roßtaler Kryptenpfeiler läßt Rückschlüsse auf die Entstehungszeit der Krypta und somit der gesamten Kirche zu. Krypta und Teile des Langhauses dürften der gleichen Gründungsepoche zuzurechnen sein, da die Flucht der südlichen und nördlichen Kryptenwand annähernd in die Grundmauern des Westabschnittes der Kirche übergeht.

Die Roßtaler Krypta bot stets Anlaß, sich mit ihr zu beschäftigen, doch beruhten die bisherigen Erkenntnisse mehr auf Vermutungen als auf wissenschaftlich fundierten Analysen. W. Funk datiert in seinem im Jahre 1932 veröffentlichten Aufsatz „Die Kirche von Roßtal und ihre Krypta“ diese in das 10. Jh. und vergleicht sie stilgenetisch mit der von Unterregenbach im Jagsttal. Der etwa vier Kilometer nördlich von Langenburg einsam gelegene Pfarrweiler Unterregenbach beherbergt unter seinem 1880 erbauten Pfarrhaus eine geräumige Hallenkrypta, die neben zwei Rundsäulen mit ionischen Kapitellen zwei Vierkantsäulen mit pyramidenstumpfförmigen Kämpferkapitellen aufweist. Letztere erinnern an jene von Roßtal und werden von S. Kummer in die zweite Hälfte des 10. Jh. datiert. H. Christ vergleicht das Unterregenbacher Raumkonzept mit der in das zweite Viertel des 11. Jh. zu datierenden Krypta der ehemaligen Benediktinermnenkirche von Bleurville, deren Vierkantpfeiler mit Pyramidenstumpfkapitellen zwar Ähnlichkeit mit denen von Unterregenbach aufweisen, doch bei Basen und den steiler nach oben drängenden Kapitellen Unterschiede zeigen. Nach Christ muß in Unterregenbach und Bleurville die gleiche Bautruppe am Werk gewesen sein, die auch in Roßtal gearbeitet hat.

Es ist erkennbar, daß in den Krypten von Unterregenbach, Bleurville und Roßtal ein gleicher Baustil anzutreffen ist. Er manifestiert sich im Vierkantpfeiler mit seinem Pyramidenstumpfkapitell, der, so muß man annehmen, im 1. Viertel des 11. Jh. entstand. Die Parallelen zwischen Unterregenbach und dem lothringischen Bleurville können nach Christ aus den Beziehungen Konrads II., des Enkels des in der Ungarnschlacht auf dem Lechfeld gefallenen Herzogs Konrad von Lothringen, erklärt werden. Für Roßtal sind, wie Ortegel nachgewiesen hat, die lothringischen Beziehungen noch konkreter, da die Stifterin der Roßtaler Kirche, die Gräfin Irmingard, eine Tochter des Grafen Gottfried von Lothringen war.

Betrachten wir noch einmal die Kryptenpfeiler mit ihren stumpfen Basen, den Vierkantschäften und den Pyramidenstumpfkapitellen, die nach S. Kummer „so steil proportioniert“ sind, „daß der Eindruck entsteht, Stütze, Kapitell und Gewölbe seien aus einem Guß.“ Ursprünge solcher Stützenapparate dürften im Byzantinischen zu suchen sein; Christ verweist auf die Thermenfenster der Hagia Sophia in Istanbul, dem ehemaligen Byzanz. Über Griechenland kam dieser Kapitelltypus in die byzantinisch geprägten Gebiete Italiens, wobei die Pyramidenstumpfkapitelle in der Krypta von S. Francesco (10. Jh.) und die von S. Vitale in Ravenna (6. Jh.) vorrangig zu nennen wären. Die Tradierung des byzantinischen Pyramidenstumpfkapitells nach Deutschland erfolgte unter Kaiser Otto I. im Rahmen des Kulturaustausches zwischen dem ottonischen Hause und Byzanz: 972 kam es nach langen Verhandlungen zwischen Kaiser Otto und dem byzantinischen Kaiser Johannes Tzimiskes zur Einigung der beiden Großmächte, die Otto zwar den Verzicht auf Apulien einbrachte, aber unter Behauptung von Benevent und Capua. In der Krypta von S. Michele in Capua zeugt noch heute ein Pyramidenstumpfkapitell aus der 2. Hälfte des 10. Jh. vom byzantinischen Einfluß. Die Anerkennung des ottonischen Kaisertums durch die alte Kaisermacht Byzanz gipfelte in der Heirat von Ottos Sohn mit der Nichte des byzantinischen Kaisers, Theophano. So ist es nicht verwunderlich, daß der Glanz des oströmischen Reiches am deutschen Hof einzog. In Deutschland findet sich das Pyramidenstumpfkapitell – nach R. Strobel – zum ersten Mal 961 in der Krypta von St. Cyriakus in Gernrode. Neben dem Gernroder Kryptenpfeiler verweist Kummer auf die der Krypta von St. Mang in Füssen sowie auf die Pyramidenstumpfkapitelle der Westkrypta des Augsburger Domes gegen Ende des 10. Jh. Von den letztgenannten Beispielen kommt der Augsburger Pfeiler dem von St. Laurentius am nächsten. Eine noch deutlichere Parallele zu Roßtal stellen die Vierkantpfeiler der St.-Erhardskapelle in Regensburg aus dem 10. Jh. dar.

Fassen wir zusammen, so taucht das Pyramidenstumpfkapitell in Deutschland zum ersten Mal in der 2. Hälfte des 10. Jh. auf. Ortegel hat für Roßtal den Nachweis der Stifterin Irmingard erbracht und ihre Gründung von St. Laurentius in den Zeitraum zwischen 1025 und 1042 gesetzt. Die Pyramidenstumpfkapitelle der Krypta weisen in das 1. Viertel des 11. Jh. Die Architektur des Gründungsbaus von St. Laurentius – vor allem aber seiner Hallenkrypta – entspringt der ottonischen Tradition.

Außenbau.

Das aus gelben Sandsteinquadern bestehende Langhaus der Kirche wird durch sieben Fensterachsen gemäß der inneren Disposition gegliedert. Kleine Rundbogenfenster alternieren im Rhythmus mit den schräg anlaufenden Strebe pfeilern, die späteren Ursprungs sein dürften. Die Rundbogenfenster entsprechen in Stil und Ausdruck der Gründungsepoche der Kirche. Später hat man diese Fenster im Ostteil des Langhauses durch größere dreigeteilte Rundbogenfenster mit flacher Gewändekehlung ersetzt. Den Beweis für ihre frühere Existenz schon zu Anfang des 19. Jh. liefert eine jüngst im Germanischen Nationalmuseum aufgefundene Bleistiftzeichnung von Johann Jakob Christoph Wilder aus dem Jahre 1810. Während das spitzbogige Südportal in die Zeit um 1500 datiert wird, verweist das nördliche Portal durch seine rechteckige risalitartige Einfassung mit einem wulstigen Rundstabprofil, das in der Sockelzone kontinuierlich weitergeführt wird, auf eine weitere Bauperiode der Kirche im 12. Jh. Ähnliche Portaleinfassungen und Sockel sind bei den Seitenportalen des Schwarzwaldklosters St. Peter und Paul in Hirsau zu sehen. Die Hirsauischen Bauformen an St. Laurentius dürften ihren Weg über die Großkomburg bei Schwäbisch Hall, Heidenheim sowie Heilsbronn gefunden haben. Als A. Ortegel in den 30er und 50er Jahren seine Grabungen an den Flanken der Langhausmauern durchführte, stieß er am Übergang zum Chor auf Fundamente von quadratischen Türmen. Sie dürfen als die ursprünglichen Türme von St. Laurentius gelten. Der heute noch sichtbare Westturm entspricht in seinem Stil und in seiner Architektur einer späteren Epoche.

Der aus dem 15. Jh. stammende Chor schließt sich dem Langhaus im Osten an. In Höhe seiner Fensterbänke gliedert ein umlaufendes Kaffgesims das Chorhaupt sockelartig. Darüber belichten hohe Spitzbogenfenster das Innere. Die Strebepfeiler sind auch am Chor das bestimmende Gliederungselement; zwischen denen der Chorstirn ist eine Ölbergdarstellung angebracht, die um 1500 datiert wird. Der aus schweren Sandsteinquadern gegen 1400 begonnene massive Westturm erhebt sich über quadratischem Grundriß. Kehlgesimse bestimmen die Horizontalgliederung in vier Geschosse. Als plastische Dekoration befindet sich an der südlichen Seite des ersten Obergeschosses ein Wappen der Burggräfin Elisabeth (1401–1442). Eine vierseitige Barockhaube mit Helmchen über der Laterne dient als Bekrönung.

Raum.

Man betritt St. Laurentius durch das südliche Seitenportal. Das einschiffige Langhaus bildet sieben Achsen, es wird von einer trapezförmig geknickten Holzdecke über Zugbalken überwölbt. An das Langhaus schließt sich im Osten der nur wenig einspringende Chor an. Er besteht aus einem querrechteckigen Presbyterium und endet im Chorhaupt in fünf Seiten eines Achtecks. Ausgangspunkt der scharfgratigen Rippen sind runde Dienststücke mit unterschiedlichen, konsolartig abgetreppten Enden. Die Rippen des Chorhauptes kulminieren in einem fächerartig ausgeformten Schlußstein, der das Haupt Christi zeigt. Im Langhaus verlaufen an der West- und Nordseite Emporen auf gebauchten Holzsäulen mit Knaggen.

Rekonstruktionsversuch des romanischen Innenraums.

Über das einstige Aussehen des romanischen Baus von St. Laurentius wissen wir bis heute nur wenig, doch dürften die wenigen Anhaltspunkte aus der Grabung Ortegels und Röttgers einen Mosaikstein in dem Gesamtbild über den Ursprungsbau bilden, der nach der alten Roßtaler Pfarrchronik eine kostbare Ausstattung mit neun Altären besessen haben muß. Der 1936 in der Längsachse vor dem Chor aufgefundene Fundamentstreifen, ein mauerartiges Tragbankett von ca. 5 m Länge, ist ein Hinweis auf eine dreischiffige Basilika: er markiert die Grenze zwischen dem einstigen Mittelschiff und einem begleitenden Seitenschiff. Das Fundament harmoniert in seinem Niveau in etwa mit dem in der ersten Hälfte des 11. Jh. entstandenen Fußboden des romanischen Ursprungsbaus, der ca. 0,96 m tiefer lag. Über das Aussehen der darüber emporstrebenden Arkaden können nur Vermutungen angestellt werden, doch geben die Grund- und Aufrißsysteme noch erhaltener romanischer Bauten des 11. und 12. Jh. (Paulinzella, Breitenau, Hamersleben und Prüfening) gewisse Anhaltspunkte. St. Laurentius dürfte sieben oder acht Joche im Langhaus gehabt haben. Aus dem aufgefundenen Fundament läßt sich die Breite des Mittelschiffes und der angrenzenden Seitenschiffe errechnen; dem allgemeinen basilikalen Raumverhältnis entsprechend, betrug sie 2:1. Der Achsenabstand zwischen den Stützen ist über die bestehenden Rundbogenfenster zu ermitteln, die noch dem Rhythmus der alten Joche folgen (Fenster - Stütze - Fenster) und die Jochfolge von Mittelschiff und Seitenschiffen markieren. Auch die Höhe der ursprünglichen Stützen (mit Basis, Schaft, Kapitell) läßt sich annähernd rekonstruieren, wenn man das Bodenniveau des Gründungsbaus in Relation zu der Kämpferhöhe der Seitenschifffenster setzt.

Stiftergrab.

In der Mittelachse des Langhauses vor dem Chor konnte bei Ausgrabungen auch die Stelle des einstigen Grabes der hl. Irmingard gefunden werden. Man vermutete damals hier einen Altar; nach neuesten Erkenntnissen aber befand sich hier eine Fenestella, ein Fenster zu der schräg darunterliegenden Krypta. Den freigelegten, in ihrem Grundriß quadratischen Pfeilerbasen (45 x 45 cm) maß man jedoch – wie auch den Treppenstufen – keinerlei Bedeutung zu. Anhand ihrer Konstellation im Erdreich, sie stehen noch heute auf dem ursprünglichen Boden der im 11. Jh. errichteten Kirche, dienten sie als Basis für kräftige Pfeiler oder Säulen, die einen baldachinähnlichen Überbau, eine Art Ziborium, getragen haben dürften. Beide Pfeiler- bzw. Säulenbasen weisen in ihrem Interkolumnium eine lichte Breite von 87 cm auf. Innerhalb dessen beginnen die Treppenstufen in westlicher Richtung. Sie dürften als Aufgang zum Hochgrab der „hl. Erbelgard“ (Irmingard) gedient haben. Entsprechend den beiden bisher entdeckten Basen müssen zumindest zwei weitere bestanden haben, um den Überbau tragen zu können. Das Gotteshaus reihte sich im Hochmittelalter somit in eine Gruppe von Grabeskirchen ein, zu denen das Heilsbronner Münster, St. Cyriakus in Gernrode, der Fuldaer, der Bamberger und der Augsburger Dom zu zählen sind.

Zwei historische Quellen belegen das Vorhandensein einer heiligen Stätte in der St.-Laurentius-Kirche. In der „Chronica Baioriorum“ des 1495 in Landshut verstorbenen Presbyters Veit Arnpeck findet sich auch eine Notiz über die Roßtaler Kirche: „In dem Gebiet des Nürnberger Burggrafen im Dorf Roßtal 2 Meilen von Nürnberg entfernt zwischen Cadolzburg und Ansbach ist ein sehr wertvolles Gotteshaus mit 9 Altären, dem keines ähnlich ist auf 15 Meilen in keinem Dorfe bei Nürnberg. In seinem Chor ist Ernst, Herzog von Bayern, bestattet mit folgendem Epitaph: In diesem Felsen liegt Herzog Ernst bestattet. Daß ihm Ruhe gegeben werde, so möchten alle Gläubigen erflehen. Gib Ruhe, Christus! Möchte immer mit dir sein dieser hier“. Des weiteren heißt es im Text bezüglich der Grabstätte seiner Gemahlin: „Ebenso ruht seine Gemahlin Irmelgard unterhalb [infra] des Chors, über deren Grabstätte ein Altar zu Ehren der hl. Jungfrau Maria geweiht ist …“ Der Bericht von Bruschius lehnt sich im großen und ganzen an die Schilderung Arnpecks an, liefert uns aber eine zusätzliche Beschreibung des Grabaufbaus: „In der Nachbarschaft dieses Klosters [gemeint ist das Zisterzienserkloster zu Heilsbronn] ist ein auffallender Gau Roßtal, was durch die Lateiner als Pferdestall oder lieber Rosental bezeichnet wird. Dieser Gau gehört den Brandenburger Markgrafen und ist am Mühlfluß 3 Steine von Nürnberg gelegen. In ihm ist eine sehr geräumige Pfarrkirche, errichtet von der hl. Erbelgard, Rheinpfalzgräfin, leiblicher Schwester der hl. Kunigunde, der Bamberger Gründerin, der hochgepreisenen Gemahlin aber des Bayernherzogs Ernst. Der beiden Eheleute wahrhaft königlichen Gräber [reconditoria] werden in derselben Kirche besucht. Der Grabaufbau [tumulus] der seligen Erbelgard entbehrt zwar der Aufschrift, konnte aber nur mit den größten Kosten so prächig errichtet werden. Er ist sehr ähnlich dem, in dem zu Bamberg Heinrich II., Römischer Kaiser, und die hl. Kunigunde ruhen sollen. Der andere Grabaufbau aber, nämlich der des Bayernfürsten Ernst, der im Chor des Gotteshauses ist …“

Bei dem großen Brand von 1627 wurde auch das Ziboriengrab der St.-Laurentius-Kirche zerstört. Die Bauaufnahmen des Nürnberger Architekturzeichners Hans Bien von 1627 zeigen diesen während des Hochmittelalters so wichtigen Grabüberbau nicht mehr.

Die Aussagen von Arnpeck und Bruschius werden bekräftigt durch die Frankenkarte von 1533, in welcher der Geograph und Astronom Peter Apian (1501–1552) für die ehem. Stadt Roßtal als Signatur ein Hochgrab verwendete. Dargestellt ist ein Hochgrab, auf dessen Grabplatte sich liturgische Geräte, womöglich Kandelaber, befinden.

Würdigung.

Stolz und erhaben präsentiert sich noch heute St. Laurentius mit seinem prächtigen Turm dem kunstinteressierten Wanderer schon von weitem. Noch in unseren Tagen atmet St. Laurentius den Geist, die Größe einer längst vergessenen Epoche – trotz der verheerenden Brandkatastrophe von 1627, die nur einige Bauteile von Langhaus, Turm, Chor und Anbauten verschonte. Allein der Tatbestand, daß die Roßtaler Kirche eine großzügig angelegte Hallenkrypta besitzt, gliedert sie ein in eine Gruppe privilegierter Sakralbauten, wie des Speyrer Domes mit seiner Krypta um 1030, des Domes von Merseburg mit seiner um 1042 datierten Krypta oder der Schloßkirche von Zeitz mit seiner gegen Ende des 11. Jh. entstandenen Krypta.

Die Funktion von St. Laurentius als Wallfahrtskirche zum Grab der hl. Irmingard könnte seit dem 13. Jh. den Bau entscheidend geprägt haben. Auch die hier amtierenden Pfarrherren, die in jener Zeit dem adligen Stand angehörten, wie z. B. der im Jahr 1405, als Roßtaler Pfarrer erwähnte Bamberger Domherr Georg von Löwenstein aus dem Geschlecht der Grafen von Löwenstein-Habsburg, künden von der herausragenden Stellung von St. Laurentius. Nach 1450 und mit dem schrecklichen Brand vom Jahre 1627 reduzierte sich die einstige Kirche auf das heutige Baumaß.

Altar.

Gegen Ende des 17. Jh. schuf ein unbekannter Bildhauer die Kreuzigungsgruppe im Chor der St.-Laurentius-Kirche. Zu Füßen des Herrn trauern Maria und Johannes. Rückwärts durch bunt verglaste Chorfenster hereinströmendes Licht sensualisiert die Kreuzigungsgruppe.

Kanzel.

Die vermutlich aus der Zeit der Wiederherstellung – nach 1627 – stammende Kanzel an der Südwand des Langhauses erhebt sich über einer Spitzkonsole. Die Felder ihres polygonalen Korpus sind mit folgenden Motiven bemalt: Arche Noah und Taufe Christi im Jordan, Mose auf dem Berg Sinai, Tanz um das Goldene Kalb sowie Blumen. Der scheinbar über dem Kanzelkorb schwebende Schalldeckel besteht aus einer Volutenspangenkrone, einem kunstvollen Rocaille-Schnitzwerk sowie Lambrequins.

Taufstein.

Der reich geschmückte Taufstein, der noch in das 15. Jh. zu datieren ist, verweist in seiner achtseitigen kelchförmigen Form auf den Sinn der Taufe. Die Unterseite des Beckens ziert ein genaster Spitzbogenblendfries. Eine Inschrift am Beckenrand nennt das Jahr 1630, eine weitere bezieht sich auf die Renovierung von 1686.

Die Grabdenkmäler

erinnern an Diakon Johann Strebel († 1703), Pfarrer Johannes Neff († 1512), Pfarrer Johann Leonhard Kündinger († 1870), Magister Ernst Georg Schülin († 1731) und dessen Ehefrau Euphrosina Susanne († 1738), Ludwig Georg Christoph von Schlammersdorf, Oberamtmann zu Cadolzburg († 1751) und Eleonora Johanna Susanna von Schlammersdorf, geb. von Stibar zu und auf Buttenheim († 1741), Johann Michael Rauh, Amtsrichter in Roßtal († 1772) und dessen Ehefrau Franziska Barbara († 1742) und Karl Wilhelm Friedrich Pöhlmann, Ansbachischer Cammersekretär und Amtsrichter in Roßtal († 1775).

Orgel.

Der Prospekt der Walcker-Orgel von 1974 und des Rückpositivs von 1981 wurde von Dr. Walter Supper, Eßlingen, gestaltet. Die beiden Putten stammen wohl von dem Orgelwerk der Barockzeit.

Quelle:
Leyh, Robert: Roßtal und die Laurentiuskirche, Schnell Kunstführer Nr. 1880, München 1990, S. 9–21