Patendank 1911
Das zehnte Jahr seines Bestehens vollendet im Mai 1989 der Heimatverein Roßtal. Im Gegensatz zu Nachbargemeinden kam es trotz der mehr als tausendjährigen Geschichte unseres Ortes relativ spät zu dieser Vereinigung von Bürgern, die sich die in der Satzung des Vereins festgelegten Aufgaben stellten. Es sind dies zusammengefaßt: Die Pflege der Heimat- und Landeskunde, die Erhaltung und Dokumentation der Heimatlandschaft mit ihren Boden- und Baudenkmälern, die Förderung der Volkskunst und des Wandergedankens, sowie die Anlegung und Unterhaltung einer heimatkundlichen Sammlung und die Durchführung allgemeinbildender, kultureller und gesellschaftlicher Veranstaltungen.
Es wäre falsch, anzunehmen, daß der geschichtliche Boden unseres Heimatortes erst nach dieser Vereinsgründung bearbeitet worden wäre. Die schriftlichen Grundlagen, die weitgehend die Kirchenbücher selbst und die in den Archiven hinterlegten Vorgänge früheren Gemeindelebens boten, wurden schon vor weit über 200 Jahren bis heute in Teilgebieten gesichtet und durch die hier am Ort wirkenden Pfarrer bearbeitet und veröffentlicht.
Das Verdienst, eine Zusammenfassung erstellt zu haben, ein Heimatbuch, wie er es selber nannte, gebührt jedoch erstmalig dem Volksschullehrer Adolf Rohn. Er stellte im Januar 1928 alles, was er zum Thema Heimatgeschichte fand, in einem Büchlein der Öffentlichkeit vor. Über die Höhe der Auflage ist nichts bekannt, fest steht jedoch, daß seine geschichtlichen Aufzeichnungen das Interesse der Bevölkerung gefunden haben müssen, denn das etwas mehr als 100 Seiten umfassende Werk war bald vergriffen. Schon zwei Jahre vorher erschien von ihm ein Heftchen unter dem Titel „Ausschnitte aus der Roßtaler Geschichte“, für die Jugend zusammengestellt von Adolf Rohn.
Erst 30 Jahre später, anläßlich der Feier zum 1000-jährigen Bestehen, besser zur ersten urkundlichen Nennung des Ortes Roßtal, wird von Hans Kreutzer und Gottlieb Schwemmer eine Festschrift herausgegeben, deren geschichtliche Abhandlungen auf neue Erkenntnisse abgestützt und mit einer reichen Quellennennung versehen sind. Auch diese, im Mai 1955 fertig gestellte Schrift ist schon nach kurzer Zeit vergriffen.
Aus Anlaß des Begehens der 650-jährigen Wiederkehr der Verleihung der Stadt- und Marktrechte und gleichzeitig zum 1025. Jahr der urkundlichen Ersterwähnung gibt die Marktgemeinde selbst ein Heimatbuch heraus. Wieder Hans Kreutzer, diesmal zusammen mit Robert Düthorn – beide selber in dem Werk als Autoren tätig – stellen die Beiträge von 11 Mitautoren zusammen. Wiederum werden neue Erkenntnisse, hier besonders unter Berücksichtigung der vor Ort durchgeführten archäologischen Grabungen und der durch zeitgeschichtliche Veränderungen eingetretenen Gegebenheiten verarbeitet.
Vielleicht war die schon 1978 bekanntgegebene beabsichtigte Herausgabe dieses Heimatbuches, das schließlich zum Martinimarkt 1979 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und nach Meinung von Fachleuten Maßstäbe setzte, ein Grund dafür, daß es – wie in der Vergangenheit bewiesen – in dem geschichtlich interessierten Roßtal nun auch zur Gründung eines Heimatvereins kam.
Zehn Jahre sind sicher noch kein Zeitabschnitt, daß viel Aufhebens davon gemacht werden müßte. Eine Rückschau über das bisher Geschaffene drängt sich aber auf, denn einen Verein zu gründen ist eine Sache, ihn mit Leben zu erfüllen eine andere und dies ist meist der schwierigere Teil. Was konnte nun in den zurückliegenden zehn Jahren im Sinne der selbstgestellten Aufgaben erreicht werden?
In der Pflege der Heimat- und Landeskunde war die Basis durch die Marktgemeinde mit der Herausgabe des Heimatbuches „Roßtal - Vergangenheit und Gegenwart“ geschaffen worden. Aufbauend darauf erschienen im Frühjahr 1980 die nun vom Heimatverein Roßtal herausgegebenen „Roßtaler Heimatblätter“, die Mitteilungen des Vereins, aber hauptsächlich heimat- und landeskundliche Beiträge enthalten. Die „Heimatblätter“ erscheinen zweimal im Jahr (Mai/November), werden allen Vereinsmitgliedern übersandt, stehen aber selbstverständlich auch allen geschichtsinteressierten Nichtmitgliedern zur Verfügung. Zwischenzeitlich sind insgesamt 19 Hefte herausgegeben worden. Für die Mitarbeiter der „Heimatblätter“ ist es nicht immer einfach, innerhalb der schon genannten Termine für die Ausgabe der Hefte ortsgeschichtliche Begebenheiten aufzuspüren und in der Kürze der Zeit auszuwerten. Mehr und mehr ist die Arbeit an historischen Themen, bezogen auf die Ortsgeschichte, mit wochenlangen Sucharbeiten in Archiven oder mit langzeitlichem Schriftwechsel mit solchen verbunden. Es ist deshalb um so erfreulicher zu vermerken, daß sich mit der Neuordnung des Archives der Marktgemeinde nun vielleicht eine Quelle auftut, deren Auswertung, soweit es in Teilbereichen für die Herausgabe des Heimatbuches nicht schon geschehen ist, auch für den Heimatverein von Interesse sein dürfte.
Rechtzeitig zum Martinimarkt 1987, dessen Ablauf zum Teil vom Heimatverein mitorganisiert wird, konnte der Öffentlichkeit der Bildband „Roßtal - Bilder aus vergangenen Tagen“ vorgestellt werden. Was der Sinn für Heimatkunde und Geschichte zuwege bringt, kann besonders an diesem Werk ermessen werden. Hätten der Roßtaler Kaufmann und Amateurphotograph Heinrich Haas und der hier praktizierende Arzt Dr. Dippold nicht mit einem feinen Gespür für ihre Umwelt und ihre Mitmenschen zum Teil von der Jahrhundertwende bis kurz nach 1945 vieles im Bild festgehalten und hätte nicht der Schreinermeister Friedrich Greul das Haas'sche Bildmaterial gesichtet, geordnet und weitgehend Zeit, Ort und Personen auf den Abbildungen bestimmt, dann wären für uns heute alle Einblicke in das Ortsbild und den Alltag vor 3 Generationen hier in unserer Gemeinde nicht möglich.
Für den Heimatverein hätte es keinen besseren Lohn für die Mühe der druckreifen Zusammenstellung geben können, als den, daß bis auf wenige Exemplare eine Auflage von etwa 700 Bildbänden von den Bürgern der Gemeinde aufgenommen worden ist.
Als publikumswirksam hat sich das im Mai 1981 eröffnete Heimatmuseum erwiesen. Über 400 Gäste nahmen damals im Hof des ortsgeschichtlich interessanten Anwesens an der Schulstraße an der feierlichen Eröffnung teil, die in Anwesenheit des Landrats und des Kreisheimatpflegers vorgenommen werden konnte. Was in der Zwischenzeit an Ausstellungsgut zusammengetragen wurde, teils als Leihgaben, teils an Geschenken, zeugt vom Eifer der Verantwortlichen und vom Stolz der Bürger, etwas von dem zu zeigen, was ihre Vorfahren hinterließen. Für die Sammlungen zeigt sich, daß die Gründung des Heimatvereins doch relativ spät geschah. Die Modernisierungswelle der frühen 50er Jahre hat auch die bäuerlichen Haushalte erfaßt und dabei wanderte manch altübernommenes Stück Aussteuer, Hausrat und Werkzeug auf dem Müll. Um so bemerkenswerter erscheint es, daß besonders bäuerliche Kleidung und hier herausragend die Sammlung fränkischer Bänderhauben, die Kopfbedeckung der Frauen auf dem Lande im 19. Jahrhundert bis Anfang des 20. Jahrhunderts, einen über Roßtal hinausgehenden Bekanntheitsgrad besitzt.
In Sonderausstellungen werden alljährlich zur Kirchweih und zum Martinimarkt besonders liebevoll zusammengestellte Objekte wie: Spielzeug, Puppenstuben, Krippen, Leuchter usw. den Museumsbesuchern vorgestellt. Da die Räume das Ausstellungsgut zwischenzeitlich nicht mehr fassen können, nahm die Marktgemeinde das sich selten bietende Angebot einer Erbengemeinschaft an, ein geschlossenes, geschichtsträchtiges Bauernanwesen anzukaufen. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten sollen die Gebäulichkeiten dem Heimatverein zur Einrichtung übergeben werden. Es wird zwar noch einige Zeit verstreichen, bis ein Umzug in das ehemalige Peipp'sche Anwesen stattfinden kann, eines aber ist heute schon sicher, mit dem Ankauf des Hofes, seiner Renovierung und dessen Ausbau zum Museum hätte der Marktrat keine bessere Entscheidung für die Erhaltung des für Roßtal so eindrucksvollem Baudenkmal-Ensembles Kirche, Friedhof, 1. Pfarrhaus, treffen können.
Auch der Gedanke des Wanderns, der Begehung stiller und manchmal abseits der großen Straße gelegenen Flecken unserer fränkischen Heimat kam nicht zu kurz. Je einmal im Frühjahr und im Herbst wurden bisher, und so soll es auch beibehalten werden, auf Schusters Rappen Boden-, Flur- und Baudenkmäler, oft versteckt in der Landschaft, aufgespürt und den Teilnehmern der Wanderung geschichtlich näher gebracht. Wie oft konnte man hören, daß dieses oder jenes interessante Objekt, so nahe an Roßtal, noch vielen unbekannt war. Gut aufgenommen wird die alljährlich im Herbst – meist nach den Sommerferien – stattfindende Busfahrt, die es ermöglicht, den Umkreis der zu besuchenden Sehenswürdigkeiten in Franken zu erweitern.
Nicht unerwähnt soll die Gruppe der Damen und Herren des Vereins bleiben, die sich an den Festzügen der Vereine hier am Ort und auswärts in den Trachten unserer Vorfahren beteiligen. Der reiche Beifall der Zuschauer lohnt diese oft schweißtreibende „Öffentlichkeitsarbeit“.
Die späten Herbst- und Wintermonate schränken die Aktivitäten des Heimatvereins nicht ein. Abgesehen von den Vorbereitungsarbeiten zum Martinimarkt und den Tätigkeiten während des Marktes selbst, findet schon seit Jahren im November ein gemeinsames Suppenessen statt. Meist sind es Rezepte aus alten Kochbüchern der fränkisch-bäuerlichen Küche, nach denen die Suppe zubereitet wird. Dem Essen wurden bisher Gedanken zu Speisen und Essensgewohnheiten vergangener Jahrhunderte vorangestellt und volkstümliche Musik umrahmte die Stunden des Beisammenseins.
Für Vorträge allgemeinbildender Art konnten oft namhafte Referenten gewonnen werden, die als Fachleute geschichtliche Zusammenhänge näherbringen und bei kunstgeschichtlichen Vorträgen das Auge und das Wissen um das Kunstwerk schulen.
Um Wanderern und Touristen eine erste Information über die Bedeutung der einzelnen historischen Bauwerke in Roßtal sowie in den Außenorten zu geben, wurden Hinweistafeln geschaffen, die sicher in der nächsten Zeit von der Marktgemeinde angebracht werden.
Die Organisation und Durchführung all der aufgezählten Aktivitäten ist nicht ohne Arbeit für die Verantwortlichen des Vereins möglich, unter Verzicht auf manche Stunde Freizeit. In einer vereinsinternen Meinungsverschiedenheit fiel einmal als Vorwurf das Wort vom „Verein im Verein“ und damit war die Gruppe gemeint, die sich über die Versammlungen hinaus fast wöchentlich bemüht, neue Ideen aufzugreifen, Programme für Vorträge und Ausstellungen zu entwickeln und diese auch in die Tat umzusetzen. Dies geschieht nicht selten in der entspannten Atmosphäre eines Stammtisches, zu dem jeder recht herzlich eingeladen ist, der konstruktiv mitarbeiten will; auch sachliche Kritik ist wegweisend.
Vorstandschaft und Beiräte sind sich bei ihrer Arbeit bewußt, daß der Heimatverein eines geschichtlich nicht unbedeutenden Ortes wie Roßtal mit seinen Veranstaltungen, Ausstellungen und Veröffentlichungen das Ansehen und das Bild unseres Marktes auch über die Ortsgrenzen hinaus bekannt macht. Wie die Heimatvereine anderer Städte und Marktgemeinden sehen deshalb auch wir in der Person des jeweiligen Bürgermeisters als Vorstand die dem Verein entsprechende Vertretung nach außen.
Wir freuen uns über die Verbindung mit den „amerkanischen Franken“ in Frankenmuth/USA, deren bisherige Besuchsprogramme in Roßtal jedesmal einen Museumsbesuch hier eingeschlossen haben. Sie sind die am weitesten entfernten Bezieher der „Roßtaler Heimatblätter“.
Den Mitgliedern und Förderern des Vereins ist für ihre zehnjährige Treue zu danken. Sie ermöglichen es, daß die gestellten Aufgaben angegangen und gelöst werden können. Sie können aber auch stolz darauf sein, was in den verflossenen zehn Jahren für die Allgemeinheit und das Ansehen der Marktgemeinde geleistet worden ist.
Es liegt an uns, ob es erfolgreich weitergeht. Eine der Voraussetzungen hierfür ist, daß es gelingt, auch bei den nachfolgenden Generationen das Interesse an der Orts- und Landesgeschichte zu wecken und zu fördern.
Aus Anlaß der zehnjährigen Wiederkehr der Vereinsgründung ist eine Sonderausstellung im Heimatmuseum an der Schulstraße geplant, die einen Einblick in ein noch wenig beschriebenes Kapitel regionalen Brauchtums bieten wird. Es handelt sich um die „Patenschaft und das Patenwesen“, wobei besonders die schriftliche Form des vom Patenkind anläßlich der Entlassung aus der Schule/Konfirmation ausgesprochenen Dankes für die Pateneltern Ausstellungsobjekt sein wird.
Die Ausstellung wird am Sonntag, den 25. Juni 1989 um 10.00 Uhr im Hof des Museums mit einer kleinen Feier eröffnet. Die musikalische Umrahmung übernimmt die Jugendkapelle Roßtal.
Die Gesamtbevölkerung unserer Marktgemeinde ist herzlich dazu eingeladen.
Der erste große lateinische Kirchenschriftsteller Tertullian (160–220) beschreibt schon den Brauch des Paten, des geistlichen Vaters, des Bürgen des zur Taufe gebrachten Kindes. Das Wort „Pate“ aus dem lateinischen Begriff „pater“ gleich Vater entstanden, gibt auch einen Hinweis auf die Bedeutung der Übernahme einer Patenschaft: Einem Vater gleich soll der Pate oder die Patin eine Mitverantwortung für die christliche Erziehung des Patenkindes tragen. Im Taufritual der Kirchen hat deshalb der Pate/die Patin das Glaubensbekenntnis abzulegen, Fragen zu beantworten und die Verpflichtung einzugehen, mit den Eltern für eine christliche Erziehung des Kindes zu sorgen. Um beim Todesfall eines Paten dem Kinde weiterhin im vorgenannten Sinne zur Seite stehen zu können, sollten nach altem Kirchenbrauch für den Täufling zwei Paten verschiedenen Geschlechts benannt werden.
Mit der Übernahme der Patenschaft entsteht nach kirchlicher Rechtsauffassung eine geistliche Verwandtschaft mit dem Patenkind und aus diesem Verhältnis leiteten die katholische Kirche und die Ostkirchen die Begründung für ein Ehehindernis zwischen Paten/Patin und Patenkind ab.
Heute wird in weiten Kreisen von den Paten meist nichts anderes als eine freundliche Zuwendung und Anteilnahme am Täufling, seinem Werden und Wachsen erwartet.
Um die Patenschaft gibt es eine Reihe von Bräuchen, unterschiedlich nach Gegend und Konfession. So kannte man den „Patenbrief“ als gedrucktes Glückwunschschreiben in besonders schöner Ausfertigung, oft mit einem Geldgeschenk verbunden, den der Pate seinem Patenkind übergab. In anderen Gegenden wird unter dem Begriff „Patenbrief“ der Einladungsbrief an den Paten zur Übernahme der Patenschaft verstanden.
Ein wie es scheint regional sehr begrenzt geübter Brauch war der „Patendank“ mit dem das Patenkind in evangelischen Gemeinden nach der Konfirmation, also nun als selbstverantwortlicher Christ und Mitglied der Kirchengemeinde, den Pateneltern seinen Dank abstattete und damit diese aus ihrer patenschaftlichen Verpflichtung entließ. Als äußerliches Zeichen hierfür wurde den Pateneltern ein handgeschriebenes oder gedrucktes Dankschreiben, oft mit Seidenbändern verziert und farbig gefaßt, vom Patenkind überreicht. Der Text des Schreibens mußte in der Regel auswendig gelernt bei der Überreichung des „Patendank“ vorgetragen werden. Als Erinnerung an diesen Tag wurde der „Patendank“ häufig gerahmt und in der "guten Stube" der Pateneltern aufgehängt. Die Feststellung, daß selbst das älteste im Besitz des Heimatvereins befindliche Zeugnis dieser Art nicht über die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgeht, läßt vielleicht vermuten, daß dieser Brauch vorher auch nicht geübt wurde.
Als ein großer Glücksfall ist zu werten, daß es dem Heimatverein im vergangenen Jahr 1988 in einer Auktion gelungen ist, ein besonders schönes Exemplar eines „Patendanks“ zu erwerben. Ein Glücksfall besonders deshalb, weil das im Jahre 1873 Pateneltern übergebene Schmuckblatt die Unterschrift trägt: „zu haben bei Konrad Silberhorn aus Roßstall“. Nachforschungen ergaben, daß Konrad Silberhorn (1832–1893) einen Viktualienhandel in Roßtal betrieb und vielleicht als Verleger dieses Druckerzeugnisses angesehen werden kann.
Die Texte der teils handgeschriebenen teils gedruckten Danksagungen an die Pateneltern sind dem Sinne nach alle ähnlich. Nachstehend der gereimte, handgeschriebene Text eines „Patendanks“ aus Roßtal aus dem Jahre 1911:„Hochgeehrter Herr und Frau Taufpat!
Der wichtige Tag ist nun gekommen, daß ich der Schule werd entnommen; wo ich vor Gott mit Herz und Mund erneuern soll den Taufebund. Den Bund den Sie für mich beschworen, da ich als Kind war kaum geboren; soll ich erneuern am Altar mit einer jungen Christenschaar.
Drum bitt ich sie auch zu erscheinen und Ihr Gebet mit zu vereinen im Gotteshaus am heilgen Ort, wo ich erneure den Taufbund dort.
Gott mög mir Kraft von oben geben, dem Bunde stets getreu zu leben und Ihnen nun vor allen Dingen, will ich den besten Dank darbringen, für alles was Sie mir getan, von meiner zarten Kindheit an.
Auch möge Gottes reicher Segen mit Ihnen sein auf allen Wegen. Gott Ihr Vergelter immer sein und Ihnen Glück und Heil verleihn und weil ich sonst nichts geben kann, so nehmen Sie den Dank hier an.
Dies wünscht Ihr stets dankbarer Pat“
Die dekorative Gestaltung dieser Blätter geschah dem Zeitgeschmack entsprechend häufig mit textilen Zierborden und mit aufgeklebten, gestanzten Glanzbildern wie Engelsköpfen und Blumengebinden, so wie sie auch als Verzierung von Eintragungen in Poesiealben um die Jahrhundertwende bis in die zwanziger Jahre Verwendung fanden. Erstaunlicherweise ist diese Ausschmückung noch bei einem Patendank aus dem Jahre 1944 anzutreffen. Daß es auch eine andere, vielleicht städtische (?) Form der Danksagung gab, zeigt der mit dunklem Samt mit Silberprägung bezogene Buchdeckel, der das Dankschreiben enthielt.
Eine kleine Vorstellung von den gerahmten Raritäten geben die nachstehenden Photos, die leider nur einen schwachen Eindruck von der Farbigkeit dieser Schmuckblätter und von ihrer Wirkung auf den Betrachter vermitteln können.
Am 15. Mai 1397 erhielt das Domkapitel in Bamberg die Pfarrkirchen von Roßtal und Büchenbach incorporiert. Das bedeutet, daß die Pfarrstellen mit dem dazugehörenden Einkommen (z. B. aus Grundstücken, Zehnten und anderen Rechten) dem Domkapitel „einverleibt“ wurden. Voraussetzung dazu ist, daß der Spender dieser Incorporation das Präsentationsrecht hat, d. h. das Recht den Pfarrer zu ernennen und daß die Pfarrstelle zur Zeit der Einverleibung nicht besetzt ist. Die Pfarrei ist jetzt einer Corporation, z. B. einer klösterlichen Gemeinschaft oder, wie hier einem Dompkapitel, der Gemeinschaft der Domherren, zugesprochen. Mit einer solchen Schenkung an eine Korporation wird ein Grundsatz durchbrochen, der sonst gilt, daß der Pfarrer die Residenzpflicht hat, d. h. am Ort seiner Pfarrkriche wohnt und die Amtshandlungen selbst verrichtet.
Erster Pfarrer nach dieser Incorporation war Otto v. Ortzhofen, aus ritterlichem Geschlecht. Ihm wird unter dem 19. Dez. 1397 eine Stiftsherrenstelle am Gumbertusstift in Ansbach verliehen, „ungeachtet der Pfarrkirche St. Laurentius zu Roßtal“. Er muß also kurz zuvor mit der Pfarrstelle in Roßtal beliehen worden sein, gegen das Kirchenrecht, das den Besitz von mehreren Pfründen verbietet. Sehr lange konnte er sich allerdings seiner Pfründen nicht erfreuen. Er muß vor Mai 1405 verstorben sein.
Am 28. Mai 1405 erhält Georg von Löwenstein, aus gräflichem Geschlecht ein Neffe des Bamberger Bischofs und Bamberger Domherr die Pfarrkirche St. Laurentius verliehen, welche durch den Tod des Otto Ortzhofen vakant (= unbesetzt) war. Diese Stellenverleihung war aus mancherlei Gründen nicht ganz regulär. Der Graf von Löwenstein war nur Subdiacon, hatte also nur die erste der höheren Weihen, die zur Priesterweihe führten. Am 19. Dezember 1406 erhielt er Dispens wegen der nicht vollzogenen Priesterweihe. Vom 10. März 1412 hören wir, daß er noch dazu Stiftsprobst von Öhringen war. Beide Stellen werden ihm erneut verliehen, ungeachtet einer Domherrnstelle mit Pfründe zu Würzburg, mit der Erlaubnis, seine Pfründe zu behalten samt der Probstei und der Pfarrkirche (Roßtal) auf drei Jahre und dem Dispens von der Priesterweihe auf sieben Jahre und zwei damit unverträglichen Pfründen auf Lebenszeit.
Am 29. 11./7. 12. 1417 erhielt er eine Bamberger Pfründe, ungeachtet der Domherrnstelle in Würzburg aber unter Aufgabe der Stiftsprobstei Öhringen und der Pfarrkirche in Roßtal. Er scheint tatsächlich die Roßtaler Pfarrei aufgegeben zu haben – um 1420 wird hier als Pfarrherr ein Martin Pehaim genannt – wird aber weiterhin bis zu seinem Tod 1464 Stiftsprobst in Öhringen bleiben. Sein Tod erfolgt „extra curiam Romanum“, also außerhalb des päpstlichen Machtbereichs. War es auf einer Pilgerreise ins Heilige Land, unter den Türken oder in griechischem Kirchengebiet, wo der Arm des Papstes nicht hinreichte? Wir wissen es nicht und den Roßtaler Pfarrkindern dürfte es ziemlich gleichgültig gewesen sein; sie werden ihren Pfarrherrn von 1405–1417 kaum je zu Gesicht bekommen haben und in Roßtal wird ein Verweser für geringen Lohn den Dienst versehen haben.
Selbst unter der Voraussetzung, daß Graf Georg von Löwenstein in hohem Alter verstorben ist, kann er bald 60 Jahre vorher, als er mit der Roßtaler Pfarrkirche beliehen worden war, nicht viel älter als 20 Jahre gewesen sein. Kein Wunder, wenn zu der Zeit der Ruf nach einer Reform der Kirche an Haupt und Gliedern laut wurde.
Engel, Wilhelm: Vatikanische Quellen zur Geschichte des Bistums Würzburg im XIV. und XV. Jahrhundert. Würzburg 1948. |
Es sind nun schon einige Male her, daß dem Suppenessen unseres Heimatvereins, voraus einige Gedanken um das Essen gewidmet werden. Es ist sicher interessant, Blicke zurückzuwerfen und die Deckel der Kochtöpfe vergangener Zeiten aufzuheben.
War es in der Vergangenheit u. a. die Geschichte der Rumfordsuppe oder Gedanken um die Bedeutung und die Geschichte des Brotes, die ich Ihnen vortragen durfte, so sollen es heute Anmerkungen zur Bereitung von Speisen in alter Zeit sein und damit zusammenhängend um deren Verzehr.
Es trifft sicher zu, daß uns mehr Rezepte von Königen und reichen Leuten erhalten blieben und die zu lesen auch mehr Spaß macht, als an den Brei aus Dinkel oder Hafermehl, dem kargen Speisezettel der Armen erinnert zu werden.
Vergessen sollten wir auch nicht, daß beim Essen oft schon Geschichte gemacht worden ist, ob bei feierlich gedeckten Tafeln oder am Lagerfeuer unzivilisierter Völker, denn auch diese entscheiden bei ihrem Festmahl über Krieg und Frieden. Und im alten Rom wußte man aufgeregte Volksmassen mit Brot und Spielen zu beruhigen, so daß der Gedanke, daß ein voller Bauch nicht nur ungern studiert, sondern auch kaum aufrührerische und revolutionäre Gedanken aufkommen läßt, gar nicht so abwegig erscheint.
Nun, gekocht wurde seit Adams Zeiten. Man hat Koch- und Backgruben gefunden, die etwa 500 000 Jahre alt sind. Der Garungs- bzw. Kochvorgang war denkbar einfach: Fleischstücke, Fische, Wurzeln und Knollen wurden in einer im Freien ausgehobenen, mit Steinen ausgelegten Erdgrube gelegt, dann mit Glut, Asche und Erde bedeckt. Nach einigen Stunden wurde die Grube wieder geöffnet und das Eintopfgericht war fertig. Spätere Zeiten verlegten die Kochgruben in das Innere der Höhle oder Hütte, bis dann mit der Erfindung feuerfester Tontöpfe, die man auf niedrige Herdaufmauerungen stellte, eine Verbesserung eintrat. Es dauerte allerdings bis etwa 1700 bis die Herdfeuermulde auf die Höhe eines Tisches langte, wobei über lange Zeit die Frage des Rauchabzuges ungelöst blieb. Erst im 19. Jahrhundert wurde der Sparherd erfunden und durch neue Konstruktionen bis in unsere Tage weiterentwickelt.
Nun zurück zum Inhalt der Kochtöpfe vergangener Zeiten. Das Griechenland Homers spricht nicht von gekochtem Fleisch, seine Helden braten am Spieß oder grillen und nehmen dazu Brot und Wein. Feuersichere Töpfe kannten die Juden der Bibel wohl von Ägypten her, denn das Linsengericht, das Esau mit seinem Erstgeburtsrecht so teuer erkaufte, muß ja wohl in einem Topf aus Erz oder Ton gekocht worden sein. Von den gut gefüllten Fleischtöpfen Ägyptens spricht schon die Heilige Schrift. So bescheiden anfangs die Römer lebten, so ausschweifend wurden mit der Ausdehnung ihrer Macht und ihres Einflußbereiches die Essensgewohnheiten der oberen Zehntausend. In einem Gastmahl des Lukullus, eines römischen Politikers im 1. Jahrhundert v. Chr. kostete man von allem, von der Zikade bis zum Strauß, vom Siebenschläfer bis zum Eber. Gänse wurden mit Feigen gemästet und Fische in Honig verpackt, von weither transportiert. Aus dieser Zeit sind auch die ersten Kochbücher bekannt. Bekannte Kochbücher aus dieser Epoche des römischen Imperiums schrieb Apicius.
Das älteste deutsche Kochbuch ist wahrscheinlich eine fränkische Handschrift eines Klosters und stammt aus dem 14. Jahrhundert. Hier werden bereits Hühnerragout, Fischpasteten, gefüllte Ferkel, Käsegebäck und Krapfen genannt und der namentlich nicht bekannte Autor ermahnt, nicht weniger als 17 mal, den Leser: „Versalze es aber nicht!“ Ein Schlitzohr scheint der Mönch aber auch gewesen zu sein, denn er empfiehlt als „gut lecker köstelin“ eine Speise aus Muckenfüßen, Mäusebeinen und Stieglitzfersen.
Auf den Ritterburgen wurde Wild und Geflügel aller Art bevorzugt. Im Winter war die Hauptmahlzeit meist Salzfleisch, andere Haltbarmachungsmethoden, das Räuchern ausgenommen, waren ja noch nicht bekannt. Allerdings schätzten die Ritterdamen als Nachspeisen bereits Honigkuchen, Torte, Krapfen und Pfannkuchen.
Da das Schreiben und Lesen um diese Zeit nicht allgemein geläufig, wohl aber in den klösterlichen Gemeinschaften beherrscht wurde, ist es nicht verwunderlich, daß die meisten Kochbücher der frühen Zeit in Klöstern verfaßt und die Kochkunst dort auch einen entsprechenden Stellenwert innehatte. Selbst ein Papst des 16. Jahrhunderts, Pius V., verfaßte ein für die Zeit richtungsgebendes Kochbuch. Er steht nicht allein in der Reihe der gekrönten Häupter, die sich als eifrige Köche betätigten: Kaiser Maximilian, Ludwig XIII. von Frankreich, der seine Konfitüre selbst kochte, die Königin Anna von England, deren Rezepte unter der Bezeichnung „nach Königin Anna Art“ erhalten sind, Königin Christine von Schweden, die Tochter Gustav Adolfs, die gerne mit den Kochbüchern des schon erwähnten Römers Apicius Mahlzeiten zusammenstellte.
Die Bereitung des Essens war aus dem Bereich des Materiellen herausgekommen und zu einer schönen Kunst geworden, der sich selbst Goethe und der Philosoph Kant widmete.
Eine Anmerkung zu diesem Thema sei noch angebracht, weil sie eigentlich verwundert, nämlich die, daß die Entwicklung der Bestecke nicht in gleichem Maße vor sich ging wie die der Kochkunst.
Der Löffel war über lange Zeit die einzige Errungenschaft und um 1100 wird die Gabel in Italien erwähnt. Thomas Becket, 1162–1170 Erzbischof von Canterbury, der die Gabel in England einführen wollte, mußte erfahren, daß die Bevölkerung den Gebrauch derselben als „weibisch“ ablehnte und eine kirchliche Stellungnahme aus dieser Zeit hielt die Gabel für Teufelswerk, ihren Gebrauch für sündig und postulierte: „... Wer sie nimmt, zeigt, daß er Gottes Geschöpf nicht mit der Hand berühren will“.
Die Italiener scheinen im Gebrauch der Gabel den anderen Ländern vorausgewesen zu sein. Ein reisefreudiger Brite berichtet um 1600 aus Italien über die Essensweise mit der Gabel: „... solche in keinem anderen Land der Christenheit geübt wird“.
An den Fürstenhöfen wird die Gabel nach 1600 eingeführt, aber es dauert noch bis ins 18. Jahrhundert, bis sich die Gabel auch in der bürgerlichen Eßkultur allgemein durchgesetzt hat, wie übrigens auch der Teller und die Kartoffel.
Brillat-Savarin, ein Franzose, ein feinsinniger klassischer Wissenschaftler unter den Feinschmeckern des 19. Jahrhunderts schrieb als alter Herr ein Buch über „Physiologie des Geschmacks“.
Mit einem Gedanken von ihm möchte ich abschließen:
„Der Mensch, so steht's in der Bibel geschrieben, ist der Herr der Natur: was wächst und lebt, ist für ihn ausdrücklich geschaffen, warum also nicht die Gaben genießen, versteht sich mit hygyienischer Mäßigung, die uns die Vorsehung bietet; und wird unser Dank gegen den Schöpfer aller Dinge dadurch nicht nur vertieft?“
Nach diesen philosophischen Gedanken darf ich Ihnen einen guten Appetit zur "Fränkischen Krautsuppe" wünschen, die Ihnen heute serviert wird.
Jean Anthelme Brillat-Savarin, „Physiologie des Geschmacks“, 1865 |
Gertrud Oheim, „Das praktische neue Kochbuch“, 1953 |