650 Jahre Defersdorf
Die Bleistiftzeichnung von Georg Hetzelein, 1946, zeigt den Alten Dorfbrunnen von Defersdorf
und links das Anwesen Köppendörfer in der damaligen Gestalt
auf den Grundmauern des ehemaligen Burgstalls.
Festvortrag zum 650-jährigen Jubiläum von Defersdorf am 4. 6. 1989
Verehrte Ehrengäste, sehr geehrte Defersdorfer Bürgerinnen und Bürger, verehrte Festgäste aus Stadt und Land!
Die Scheune, in der wir hier feiern, gehörte früher zum Amtssitz der Scheurl von Defersdorf, hernach noch der Freiherrn von Günther und der Edlen von Sertz. Aber sind wir uns auch bewußt, wem wir das von Familie Stürmer so liebevoll erneuerte Hauptgebäude dieses großen Anwesens letzten Endes verdanken? Es wurde hier im Kernland Frankens auf energischen Druck einer Königlich Preußischen Regierung errichtet. Scheurls wollten es eigentlich gar nicht. Während der Bauarbeiten und nachdem es im Jahr 1802 in Benützung genommen war, gab es sogar einen deftigen Familienstreit wegen dieses als zu aufwendig empfundenen Sitzes. Die Jahreszahl 1802 können Sie übrigens noch lesen an der Südseite des Hauses über der Stelle, wo ursprünglich der Eingang war.
Noch drei Einzelhinweise, ehe wir die Geschichte Defersdorfs in groben Zügen an uns vorbeiziehen lassen.
Die älteren Ortseinwohner erinnern sich noch an ihren täglichen Schulweg nach Buchschwabach. Haben Sie nach Ihrer Schulzeit einmal darüber nachgedacht, daß eigentlich Großweismannsdorf für Sie zuständig gewesen wäre? Denn 1818–1978, also 160 Jahre lang, war Defersdorf dort eingemeindet, und 1884–1970 bildete Großweismannsdorf einen eigenen Schulsprengel. Wer etwas Einblick hat, weiß, welche Großzügigkeit und was für organisatorische Leistungen dahinter standen, wenn Sie trotzdem den viel kürzeren Weg nach Buchschwabach gehen durften. Wer den langjährigen Ärger eines anderen Dorfes Ihrer näheren Umgebung kennt, wird sich da schnell überlegen, daß eine solche für den Amtsbetrieb schwierige menschliche Rücksichtnahme gewichtige Gründe gehabt haben muß. Tatsächlich war sie sehr wohl zu rechtfertigen, weil Defersdorf und Buchschwabach Jahrhunderte lang gemeinsam in besonders enger Verbindung zu Nürnberg gestanden und seit 1699 auch schulisch zusammengehört hatten. Das muß ich kurz erläutern. Durch kaiserliche Freiheitsbriefe hatte die Reichsstadt Nürnberg Anspruch auf die Landeshoheit, auf die Regierungsgewalt, wenn irgendwo Grund und Boden Nürnberger Bürgern gehörte oder Ortseinwohner deren sogenannte Hintersassen waren – auch im Gerichtsbereich anderer Landesherren. Hier in Defersdorf, wie auch in zahlreichen anderen Orten des Roßtaler Raumes, galt dieser Rechtsanspruch mehrere Jahrhunderte lang gegenüber den Ansbacher Markgrafen. Der Nürnbergische Hauptmann für die westlichen Gebiete, man könnte auch sagen: das Nürnberger Verwaltungsamt für die westlich gelegenen ausmärkischen Gebiete, saß bis etwa 1800 in Buchschwabach, dessen Bevölkerung gemischt Ansbachisch und Nürnbergisch war. Soweit die politischen Voraussetzungen. Dieser für Defersdorf nächstgelegene und polit isch so wichtige größere Ort bekam 1699, also vor genau 290 Jahren, eine eigene Schule. Die seitdem bestehende Verbindung dorthin wurde 1836 durch Königlich Bayrische Localschulinspection Zirndorf als selbstverständlich behandelt, bei der großen Schulsprengeleinteilung 1907 großzügig respektiert und bis 1970 durchgehalten. – Da spielte die Länge des Schulwegs auch keine große Rolle mehr. Die hiesige Schuljugend wird jetzt ja vornehm mit dem Schulbus nach Roßtal und sogar zu den noch weiter entfernten Realschulen und Gymnasien abgeholt.
Nun von der Schule zur Wohnung! Stellen Sie sich vor, ein Wagen hielte vor Ihrem Haus. Drei Männer steigen aus. Mit Schaufeln und Hacken gehen sie zu Ihrer Haustür. Nach kurzer Begrüßung sagen sie Ihnen, sie müßten in Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Stall die Fußböden aufgraben, um Salpeter haltige Erde auszuheben und wegzufahren. – So geschah es vor zweihundert Jahren hier im ganzen Gebiet. Soweit Nürnbergische Untertanen betroffen waren, beschwerten sich diese durch Vermittlung ihrer Dorfherrschaft beim Nürnberger Rat. Dieser protestierte bei der Ansbacher Markgräflichen Regierung, die den Salpetergräbern und Salpetersiedern die Aufträge und Ausweise ausgestellt hatte. Aber inzwischen waren die Bretterböden der Zimmer längst ebenso herausgerissen wie die Steinplatten in der Küche und die Bohlen im Stall. – Im Laufe der Jahre ging Ansbach zwar dazu über, den Bauern Prämien für den Anbau Salpeter erzeugender Pflanzen anzubieten. Aber, wie gesagt, mehrere Jahrzehnte lang, vor allem 1750–1770, verschafften sich die Markgrafen den wichtigen Rohstoff für Schießpulver auf die genannte handfeste Weise. Da haben wir es schon besser als Ihre Vorfahren in der guten alten Zeit! Defersdorf scheint dabei (nach der Mehrzahl der Akten) im Unterschied zu den Orten der Umgebung glimpflich davon gekommen zu sein, weil das gesamte Dorf einem einzigen Nürnberger Bürger gehörte, weil die hiesigen Bauern also als Nürnberger Untertanen galten. Unnötige Konflikte mit der Reichsstadt wollten die Markgrafen damals nun doch vermeiden. – In ganz anderer Hinsicht ist die Sache auch noch interessant: In einer Anordnung von 1763 schreibt Markgraf Johann Friedrich: „Will der Eigentümer die Salpetererde auf seine Felder bringen, so ist das nicht zu behindern.“ Er denkt also nicht nur an die militärischen Bedürfnisse, sondern will auch die D&uum l;ngung und damit den Bodenertrag fördern.
Zum Ausgleich eine fast scherzhaft wirkende Frage: Wie weit ist es zu Fuß von hier nach Nürnberg? Diese Frage wurde bedeutsam, als die Markgrafschaft Ansbach zunächst 1792 an das Königreich Preußen und dann vierzehn Jahre später, 1806, an das Königreich Bayern kam. Denn Preußen sperrte anfangs alle Patrimonialgerichte – das war die offizielle Bezeichnung für die Dorfgerichte der Ortsherren. Später gab man sie unter bestimmten Bedingungen wieder frei. Zu diesen gehörte eine festgelegte Höchstentfernung zwischen dem Gerichtsort und dem Wohnsitz des Gerichtsherrn. Preußen setzte als Grenzwert drei Stunden fest, Bayern im Jahr 1818 etwas großzügiger vier Stunden. Doch wonach sollte die Zeit gemessen werden? Eine drollige Frage! Aber im Gespräch waren geometrische Stunden, die das Vermessungsamt, der Kreisgeometer, berechnete, Poststunden, die von der Fahrdauer auf den offiziellen Poststraßen ausgingen, und bayerische Reisestunden, bei denen die kürzeste Wegstrecke maßgebend war. Drei Berechnungsversuche für die Strecke Nürnberg–Defersdorf darf ich kurz skizzieren. Zuvor allerdings ein fragwürdiges Beispiel für das Abschieben von Verantwortung: Der Königlich Bayerische Oberpostmeister in Nürnberg wollte keinen Ärger mit dem für Defersdorf zuständigen Nürnberger Gerichtsherrn (damals Freiherr von Günther) bekommen. So meldete er, weder Großweismannsdorf noch Defersdorf seien Nürnberger Poststationen. Er habe deshalb keine Unterlagen. Das war ein starkes Stück. Denn immerhin war bis 1780 im Markgräflichen Gasthaus zu Großweismannsdorf – heute Gasthof zur Post – der Umschlagplatz zwischen der Nürnberger und der Ansbacher Post gewesen. Die Königliche Wasser-, Brücken- und Straßenbau-Inspektion meldete für die Strecke Nürnberg-Defersdorf über die große Straße nach Großweismannsdorf 3 7/8 Post- oder geometrische Stunden, wozu das Landgericht Cadolzburg doch wohl übereifrig noch den Zeitbedarf vom Nürnberger Stadttor bis zur Wohnung des Gerichtsherrn zählte. So ergaben sich auf alle Fälle mehr als die erlaubten vier Stunden. Trotzdem gab man zwischendurch Defersdorf als Gerichtssitz eines Nürnberger Bürgers frei, weil hier für alle Orte der Umgebung das einzige Schloß stehe, wo Gerichtsakten und dergl. sicher verwahrt werden könnten. Doch ging die Auseinandersetzung wegen der gesetzlich begrenzten Höchstentfernung bierernst weiter. Das Vermessungsamt, der Kreisgeometer, ging als treuer Beamter die kürzeste Strecke über Schweinau–Eibach, den Marktweg der Bauern, selbst ab und kam auf genau 18.677 Schritte. Darauf wandte er das amtliche Maß von 5.400 Schritten je Stunde an und errechnete 3 1/2 geometrische Stunden, freilich ohne den zusätzlichen Weg vom Spitlertor bis zur Wohnung des Gerichtsherrn. Die Rettung brachte ein Bauer, der seinem Herrn offensichtlich wohlgesinnt war. Er brauchte von Defersdorf bis zum Nürnberger Stadttor nur 2 3/4 Stunden. – Wäre es nicht ein Spaß für junge Leute, diesen Marsch nachzuvollziehen? – Jedenfalls kam nun die Genehmigung, wenn auch mit einigen Klauseln. Die Freigabe sollte nur vorläufig gelten, bis eine Beschwerde wegen zu großer Entfernung einlaufe. Außerdem wurde der angestellte Ortsrichter, nicht der Gerichtsherr selbst, dringend ermahnt, endlich seinen Wohnsitz in Defersdorf zu nehmen. Aber der arme Mann betreute mehrere Patrimonialgerichte.
Warum ich Sie mit alledem lang aufhalte? Solche Grotesken waren die Folge davon, daß während des Ringens die Staatszugehörigkeit Defersdorf zweimal wechselte, lange Zeit auch noch Nürnberg seine landesherrlichen Ansprüche erhob, und die Beamten sich immer wieder auf neue Gesetze und Zuständigkeiten einstellen mußten. Außerdem wurde zuguterletzt auch noch die Bayerische Kreisregierung in Nürnberg aufgelöst und ihr Bereich der Ansbacher Kreisregierung mit übertragen, was bis heute gilt. Als Landgericht war anfangs Cadolzburg zuständig, zuletzt Schwabach. Von der Unruhe durch militärische Einquartierungen und von anderen Nöten der napoleonischen Zeit ganz zu schweigen. Wie sollte da ein größeres Verfahren zügig abgewickelt werden?
Wenn wir nun wenigstens in groben Zügen die Geschieht dieses Ortes miteinander durchgehen wollen, dann geht es mir darum, aus dem Vergangenen die gegenwärtigen Verhältnisse einschließlich des Ortsbilds ein wenig verständlich zu machen. Die Geschichte war beschwerlich, die Arbeitsbedingungen für den Landwirt alles andere als einfach. Aber beharrlicher Fleiß setzte sich in Ihrem Defersdorf immer wieder durch – bis heute.
Seit wann gibt es dieses Dorf überhaupt? In der Wissenschaft wird darüber immer noch verhandelt. Am wahrscheinlichsten erscheint mit die Entstehung im Zusammenhang mit einer größeren Planung. Z. Zt. Kaiser Karls des Großen oder einige Jahrzehnte vorher, also, grob besagt, um 800 n. Chr. Geburt, gründete der für das Frankenreich wichtige militärische Stützpunkt Roßtal hinter der wichtigen Grenzlinie Rednitz–Regnitz, also westlich von diesen Flußtälern, zahlreiche kleine Wehrdörfer als Schutzsiedlungen. Deren Namen setzten sich weithin aus einem Personennamen und der Bezeichnung -dorf zusammen. Sie kennen eine ganze Reihe solcher „Personendörfer“ in Ihrer Gegend. 40–80 Leute wurden jeweils angesetzt, d. h. ein verantwortlicher Wehrmann mit einer Schar waffenfähiger Männer und deren Familien. Nach übeinstimmender Meinung waren damals Franken und bis in diese Gegend eingesickerte Wenden, soweit sie sich integrieren ließen, gleich geachtet. So ist beides möglich: Ein Franke mit dem vermuteten Namen Daifer oder ein Wende namens Däbrisch oder Dobrich kann als verantwortlicher Herr der Siedlung unserem Ort den Namen Däffasdorf gegeben haben. Die Namen der führenden Familien wechselten seinerzeit mitunter sehr schnell, weil Männer von ihrer Aufgabe her besonders oft in militärischem Einsatz standen und der Bestand dieser Familien dadurch ständig gefährdet war. Weiterhin wurde das ursprüngliche Königsland zum Reichslehen mit wechselnden Inhabern, z. B. den Herren von Abenberg, den Grafen von Hohenlohe. Einzelheiten darf ich übergehen. Angemerkt sei nur noch, daß für die ersten Jahrhunderte unserer Ansiedlung auch die damals zuständige Pfarrei noch nicht endgültig geklärt ist. Festhalten können wir aber, daß unser Ort nahezu 1200 Jahre bestehen dürfte. Daß wir heute Ihr Ortsjubiläum mit der Zahl 6 50 begehen, hängt damit zusammen, daß vor eben sovielen Jahren, nämlich 1339, der Ort erstmals in einem genau datierten Bericht auftaucht (s. Anmerkung Seite 21 unten).
Nun einiges aus den ersten Jahrhunderten unserer Ansiedlung. 1339 verkauften die Gebrüder Conradt und Burkhard Pfefferbalg an das Kloster Heilsbronn Landbesitz in Defersdorf, den sie von Graf Gotfried von Hohenlohe erhalten hatten. Schon zweihundert Jahre vorher hatte ein Herr Volmar in Tefersendorf den Ort Ketelendorf - oder Teile dieses uns als Ketteldorf geläufigen Ortes an Heilsbronn verkauft. Dieser Herr Volmar, auf Grund seines Ansehens Chorherr in Bamberg, war sicher der seinerzeitige Ortsherr und damit ein Nachfolger jenes Daifer oder Däbrich. Er wohnte in Tefersendorf und hatte anderwärts zusätzliche Besitzungen. Bei den Pfefferbälgen, wie sie in der Urkunde so schön heißen, war es wohl umgekehrt. Ihr Hauptsitz war Windsbach. In Defersdorf gehörten ihnen irgendwelche Anwesen oder auch nur Grundstücke.
Um die weitere Entwicklung zu verstehen, müssen wir uns drei wichtige Besitzveränderungen genauer ansehen, die interessanter sind als es zunächst ausschaut. 1476, also vor mehr als fünfhundert Jahren, kauft der Nürnberger Bürger Conrad Smidt, wegen seines Berufes Tratzieher genannt, von einem Ehepaar Rudesch das - wörtlich - „Dorf Tefersdorff mitsamt dem Stock, darauf vormals ein Behausung gestanden und abgebrannt“ ist. Da diese Brandstätte aus steinernem Erdgeschoß – das bedeutet Stock – und abgebranntem Oberbau, wohl einem Fachwerkwohngeschoß, eigens erwähnt wird, ist es m. E. eindeutig der Burgstall, die (wohlbefestigte) Wohnanlage des Ortsherrn, auf die noch achtzig Jahre später ein Herr Schnöd sich ein Darlehen beschaffen kann. – Doch weiter im Urkundentext. Dasselbe Dorf ist „bisher mit der Oberkeit und Mannschaft den Bürgermeistern und Rat der Stadt Nürnberg ... verwandt gewesen ...“ Es gehört also schon längere Zeit zum Nürnberger Herrschaftsbereich. Smidt verspricht nun der Stadt für den Fall einer Veräußerung des ganzen Dorfes oder einzelner Teile, seinen Besitz nur Nürnberger Bürgern oder Bürgerinnen abzugeben. – Schon vor mehr als fünfhundert Jahren also hatte man in Nürnberg diese heute als neu propagierte Achtung vor der Frau: Bürger und Bürgerinnen ... Doch weiter: Bei Verletzung dieser Zusage eines Verkaufs nur an Nürnberger Bürger oder Bürgerinnen soll der Handel ungültig sein. Damit sind wir bei dem wichtigsten Punkt dieses Kaufbriefs: König Wenzel hat vor dem Jahr 1400 der Reichsstadt Nürnberg das Vorrecht eingeräumt, daß ihre Bürger sowie deren Untertanen und Güter auch dann der Nürnberger Landeshoheit unterstehen, wenn sie in fremden Hochgerichtsbezirk wohnen bzw. liegen. (Wir hörten schon davon.) Begreiflich, daß die Stadt sich seitdem eifrig bemühte, solche ausmärkischen Landgüter unter solcher Grundherrschaft zu halten. Das führte vierhundert Jahre lang zu ständigen Spannungen, dreimal sogar zu Kriegen mit fürchterlichen gegenseitigen Verwüstungen von Dörfern und Fluren mit den Ansbacher Markgrafen. Denn diese forderten in den gleichen Ortschaften wie die Nürnberger nach altererbtem mittelalterlichem Brauch auf Grund ihrer Gerichtshoheit die Landesherrschaft mit allem, was dazu gehört, wie Steuern, Militärdienst und, bei Bedarf, Eingriffen in den häuslichen Bereich. Denken wir nur an das Salpetergraben!
Wie umstritten zwischen Ansbach und Nürnberg die Rechtslage in Defersdorf war, wie schauerlich unsicher deshalb auch die Rechtsverhältnisse der hiesigen Einwohner waren, wurde kraß deutlich, als neunzig Jahre nach Conrad Smidts Versprechen an die Stadt Nürnberg Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach seinem Kammerschreiber Andreas Mußmann Defersdorf als freies Eigentum überschrieb. Der unmittelbare Anlaß war menschliche Rücksichtnahme des Dienstherrn auf die Familienprobleme seines Angestellten. Dieser hatte keine Söhne, aber mehrere Töchter mit schwacher Gesundheit. Diese sollten eine Existenzsicherung vererbt bekommen. Außerdem lag dem Markgrafen aber sicherlich daran, Nürnberg in Defersdorf auszutricksen. Die Stadt hatte es nämlich kurz vorher, 1545, geschafft, das erwähnte Privileg König Wenzels durch Kaiser Karl V. in aller Form bestätigt zu bekommen.
Als einen Teil des weiteren Tauziehens zwischen Nürnberg und Ansbach mag man es einschätzen, wenn schon zwei Jahre nach der Urkunde für Mußmann Albrecht VI. Scheurl aus Nürnberg, übrigens ein Patenkind Albrecht Dürers, Mußmann den gesamten Defersdorfer Besitz abkauft mit allen zugehörigen Rechten. Unter diesen sind vor allem die Ortsverwaltung und die Aufgaben eines heutigen Amtsgerichts zu verstehen, aber natürlich auch das bis heute im alten Gutsbereich ausgeübte Schankrecht.
Nun mögen Sie fragen: Wieso waren Scheurls, die aus dem Schwäbischen stammten und über Breslau als Handels- und Gelehrtenfamilie nach Nürnberg gekommen waren, an Defersdorf interessiert? Der Ort umfaßte damals außer der Ruine des Burgstalls, der Ziegelei und einer Zapfenschenke nur wenige Anwesen! Nun, in Nürnberg waren sie seit 1486 mit Hausbesitz ansässig und hatten sich in den achtzig Jahren, die seitdem vergangen waren, hohes Ansehen erworben. 1567 stand Defersdorf zum Verkauf, wie heute von mehreren Familien bewohnte Mietwohnhäuser auf dem Immobilienmarkt gehandelt werden. Allerdings können wir aus der Inventaraufnahme nach Albrechts Tod (1580) und aus zwei Listen seines Sohnes Gabriel, was dieser während des Dreißigjährigen Krieges zur Sicherheit in die Stadt gebracht und was in seiner Defersdorfer Wohnung alles geplündert und zerstört wurde, etwas mir Wichtiges entnehmen: Der Hauptwohnsitz der Scheurl war Nürnberg. Aber sie fühlten sich in ihrem Defersdorf daheim, solange das Herrenhaus, von dem wir gleich werden reden müssen, bewohnbar war. Zeitweise wohnten sogar zwei Scheurfamilien hier außen.
Ein paar Worte über den Burgstall, die Stelle der Burg am Fuß des Berghangs. Ausdrücklich genannt wird er erstmals 1555 im Zusammenhang mit dem schon kurz erwähnten Hieronymus Schnöd. Aber „der Stock, auf dem vormals ein Behausung gestanden und abgebrannt“ ist, wie es in der Urkunde von 1476 heißt, ist zweifellos die gleiche Anlage. Aus historischen Gründen nehme ich an, daß der Bau zwischen 1200 und 1300, also zwischen Herrn Volmar und den Pfefferbälgen, von den damaligen Ortsherren errichtet wurde. Herr Leyh kam vor wenigen Wochen vom kunstgeschichtlichen Befund der Reste zum gleichen Ergebnis. Weiterhin lesen wir in einem Text zu 1576, daß Albrecht VI. Scheurl gleich im Jahr des Erwerbs der Ortsherrschaft die dem Burgstall gegenüber gelegene Schenkstatt von dem damaligen Besitzer Leonhard Taglieber … kauft mit allen Rechten und Zugehörungen, also mit weiteren Baulichkeiten und Grundstücken. Dann heißt es: „Er machte daraus das Herrenhaus und ließ einen Flügel daran bauen, weil der Burgstall schon damals in Ruinen lag.“ Hier darf ich etwas einflechten, das die hier Ansässigen täglich sehen und das zugleich das persönliche Interesse der seinerzeitigen Bewohner zeigt. 1652, also kurz nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs, umgab Christoph Wilhelm I. Scheurl die „ganze Hofrait, nämlich Herrenhaus, Stall, Stadel (wo Sie jetzt sitzen), Voitenhaus (das schmucke Verwalterhaus mit dem Dachreiter) und beide Weiher mit Mauer und zwei großen Toren“. Noch heute prägt dieses Anwesen das Ortsbild. Nur die Tore sind verschwunden.
Sechs Jahre später, 1658 kauft er von des Schirleins Hof, später Schwagershof, zwei Morgen Feld „bei dem Herrenhaus an die Anhöh“. Dieses Gelände umgibt er mit einer lebendigen Hecke und bepflanzt es mit Obstbäumen. Auf dem ältesten Ortsplan, der aus diesem Jahr stammt, ist dies alles verzeichnet. Einheimische kennen diese Hecke, die in ihrem Hauptbestand nun mehr als dreihundert Jahre alt ist und infolge glücklicher Umstände sogar die Flurbereinigung überdauert hat. Auf Ihrem Spritzenhaus haben Sie seit einigen Jahren eine neue Bet-, Zeit- und Feuerglocke. Da sehe ich es als freundliche Geste an, daß Sie die kleine Scheurl'sche Glocke von 1759 über dem Verwalterhaus an ihrem angestammten Platz belassen und trotz einer Bitte nicht hergegeben haben. Einige Jahrzehnte nach Stiftung des Glöckchens ist 1780 von dem teilweise eingestürzten Gemäuer (rudera) des zerstörten Burgstalls die Rede, „auf welchem ein Keller steht (1806), ein Backofen gebaut ist und Obstbäume gepflanzt sind“. 1815 erfahren wir dann von einem neu erbauten Wohnhaus auf dem "Platz des Burgstalls". Dabei kamen Teile des alten Gemäuers und des Kellergewölbes zur Verwendung, was noch heute im Anwesen Köppendörfer deutlich zu erkennen ist. Gegenüber lag seit 1567 das – wie wir lesen – „eigentliche Herrenhaus“, für dessen Erhaltung in manchen Jahren Einkünfte der Scheurl aus einem anderen Ort (Ottensoos ostwärts Nürnberg) herangezogen werden mußten. In den Streitakten von 1802 findet sich der Hinweis, schon seit fünfzig Jahren habe sich im Erdgeschoß des Herrenhauses niemand mehr aufhalten können. Ich möchte meinen, wegen des Wassers, das noch heute durch den Keller fließt. Amtlich war durch die damalige Ansbacher (Königlich Preußische) Regierung festgestellt worden, daß es für Gerichtsverhandl ungen und zur Aufbewahrung von Akten, Dienstsiegeln und Beweismitteln ungeeignet sei. So kam es zum eingangs besprochenen Neubau, übrigens ohne Seitenflügel.
Zu den hier abgehaltenen Verhandlungen des Ortsgerichts, des Patrimonialgerichts, auch einige Worte, obwohl es hier um reine Vergangenheit geht. Immerhin erinnert uns diese Einrichtung sowohl an eine gewisse Machtstellung früherer Gutsherren als auch an deren patriarchalisch Verantwortung für ihre sogenannten Hintersassen. Für sie, die auch ihre Gerichtsholden hießen, und für den Staat sollte es eine Vereinfachung bedeuten, wenn alle kleinen juristischen Vorgänge am Ort oder doch in guter Nähe im Umgang mit persönlich bekannten Bezugspersonen erledigt werden konnten. Das waren die Beurkundung von Inventaren nach einem Todesfall, kleinere Verträge aller Art, Bestrafung von Raufhändeln geringeren Ausmaßes, kleinere Diebstähle, sexuelle Vergehen. Allzu willkürliche Unterschiede von Privatgericht zu Privatgericht wurden durch strenge Bindung an die jeweiligen staatlichen Landgerichte vermieden. Das war nötig. Denn es gab im Jahr 1801 z. B. im Landgerichtsbezirk Cadolzburg 14 und im Landgerichtsbezirk Schwabach gar 19 solcher Patrimonialgerichte adeliger Herren. Seit dem Übergang der Markgrafschaft Ansbach an Preußen und weiter an Bayern gab es um diese durch die Zeitstimmung eigentlich schon überholten Einrichtungen viele Zeit und Kraft schluckende Auseinandersetzungen, was schon anklang. Wenn ich mich nicht täusche, trug der Ärger darüber wesentlich zum Verkauf des hiesigen Besitzungen und Rechte durch die Scheurl 1818 bei. Die dankbare Erinnerung an diesen schönen Ort steckt aber bis heute drin, wenn wir uns auch jetzt noch Scheurl von Defersdorf nennen.
Nun noch ganz knapp ein paar Ereignisse und Zahlen, die die Entwicklung vor allem der letzten 150 Jahre beleuchten können.
1616 waren hier einschließlich zweier Scheurlfamilien 8 Haushaltungen gewesen, wovon 1632 allein in einem einzigen Vierteljahr des Dreißigjährigen Kriegs 31 Personen umkamen. Das dürfte nahezu die Hälfte der Einwohnerschaft gewesen sein. Ganze Familien wurden da binnen weniger Wochen ausgerottet.
1650 füllten evangelische Glaubensflüchtlinge aus Österreich die großen Lücken auf. Die Namen dieser Familien haben sich zum Teil bis in unser Jahrhundert am Ort und in der Umgebung gehalten. Etliche andere Namen sind durch Einheirat in solche Familien deren unmittelbare Erben. Solche Beständigkeit ist wahrhaftig Grund zu Stolz.
Anfang des vorigen Jahrhunderts überlegte sich König Maximilian I. Joseph von Bayern, daß persönliches Eigentum an Grund und Boden und an Waldbestand das Arbeitsinteresse seiner Bauern fördern könnte. Auch der Zeitgeist der Liberalisierung mag mitgespielt haben, als er die weitgehende Aufteilung von gemeindeeigenen landwirtschaftlichen Flächen und Waldungen ermöglichte. Diese große Bodenreform kam 1809–1813 zur Durchführung. Eine Folge dieser gut gemeinten Maßnahme war aber wohl nicht genügend vorbedacht worden. Wenn die Ortseinwohner das Verteilungsrecht voll ausschöpften, fehlte nun die gemeinsame Weidefläche. Auf eigenen Wiesen und Brachflächen war die Hut - mindestens für die kleineren Bauern – auch kaum möglich. Denn wie sollten die Tiere mit den damaligen Mitteln an der Schädigung der angrenzenden eigenen oder Nachbaräcker wirksam wirksam gehindert werden? 1812 gab es hier trotz der Kriegsnöte und der ausländischen Truppeneinquartierungen immerhin ca. 70 Stück Rindvieh und zahlreiche Schafe, für die die Roßtaler Metzger und Viehhändler die Hauptkunden waren. Die Tiere mußten nun wesentlich im Stall gehalten und im Stall gefüttert werden. Bis der Anbau entsprechender Futterpflanzen und die nötige Erweiterung mähbarer Wiesenflächen griffen, verging natürlich etliche Zeit, deshalb warnten der Patrimonialrichter und das Landgericht Cadolzburg dringend davor, das bisher gemeinsame Weideland völlig aufzuteilen. Wenigstens für eine Übergangszeit sollte ein „Tummelplatz“ für das Vieh und ein Weideplatz für kranke Tiere erhalten bleiben. Doch die Gemeindeversammlung gab dem – nennen wir es „Sammeleifer“ – einzelner Dorfgenossen nach und überstimmte solche Ratschläge. Die zwangsläufige Folge war – mindestens vorübergehend – ein starker Abbau des Viehbestands und ein empfindlicher Rückgang des Bodenertrags, weil nun zu wenig Dünger anfiel. (Kunstdünger spielte danach nur eine ganz geringe Rolle).
Ein paar Jahrzehnte später. Auch der nächste Bayerische König, Maximilian II., förderte die Belange seiner Bauern. Im Revolutionsjahr 1848 verfügte er die Grundlastenablösung, deren komplizierte Einzelheiten wir hier nicht auszubreiten brauchen. Die Hauptsache war, daß die bisher von den sogenannten Eigenherren abhängigen Bauern freie Eigentümer ihrer Anwesen und Ländereien wurden.
Vorherige Abgabenpflichten wurden teilweise als Hypotheken mit dem bescheidenen Zinssatz von jährlich 4 % eingetragen. Der neue Grundeigentümer konnte diese Belastungen durch Barzahlung löschen, sobald er dazu in der Lage und willens war. Ein Teil der früheren Verpflichtungen wurde überhaupt gestrichen. Daß im Zuge dieser Maßnahmen alle Patrialmonialgerichte in Bayern aufgelöst und ihre Aufgaben durch staatliche Gerichte übernommen wurden, bedarf kaum der Erwähnung. Die dafür zuständigen Grundherrschaften gab es ja nicht mehr. Was all das für eine Umstellung im Lebensgefühl der Landwirte bewirkte, können wir uns wohl vorstellen. Die Freude über die neu gewonnene Selbstständigkeit ist auch im Kataster abzulesen, der alle Grundstücksveränderungen genau festhält. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vorherigen Jahrhunderts sind eine ganze Reihe von Neubauten für Wohnhäuser, Stallungen, Scheunen eingetragen, wie auch Tausch und Zukauf von Grundflächen zur Grundstücksarrondierung. Andere machten das neu gewonnene Vermögen zu Bargeld und stiegen in andere Berufe um. Einzelheiten darf ich weglassen, zumal sie in der Erinnerung etlicher Familien noch lebendig sind. Für Auswärtige schlagen sie sich deutlich genug in der Entwicklung der Einwohnerzahlen nieder. Sie erinnern sich:
1616 waren es 8 Haushaltungen gewesen.
1890 waren es 21 Haushaltungen mit 129 Personen.
Weil wir schon bei der Statistik sind, schnell noch ein kurzer Durchzieher bis zur Gegenwart.
1930 war unser Defersdorf auf 116 Einwohner zurückgefallen, also 13 weniger.
Dann kam der zweite Weltkrieg, zu dessen furchtbaren Auswirkungen der Strom der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge gehörte.1950 hatte Defersdorf dadurch 26 Haushaltungen mit 177 Personen, d. h. 60 Einwohner oder ca. 50 % mußten auf engem Raum zusätzlich untergebracht werden. Auf der Suche nach Arbeitsplätzen mußten die meisten dieser Kriegsopfer wieder weiter ziehen.
1989 hat das Dorf dadurch nur noch 149 Einwohner, also wieder 25 weniger.
An dieser Stelle sei auch der vier Männer gedacht, die im Ersten Weltkrieg, und der sechs Männer, die im Zweiten Weltkrieg aus Ihrem kleinen Dorf gefallen sind.
So nüchtern lesen wir Freud und Leid geschichtlicher Ereignisse an Zahlen ab. – Auch wenn es einige unter uns vielleicht langweilt, darf ich wenigstens noch einen einzigen für den Ort lebenswichtigen Bereich durch Zahlenvergleich deutlich machen, nachdem der Weinbau schon lange, der Anbau von Hopfen in der jüngeren Vergangenheit und jetzt auch der Tabackanbau ausgefallen sind.
1812 gab es hier, wie wir hörten, ca. 70 Stück Rindvieh und zahlreiche Schafe. Für 1988 meldet die Statistik 660 Stück Rindvieh, 80 Schweine (– doch wohl vor dem Ferkeln gezählt?), 900 Stück Kleinvieh.
So ist Defersdorf trotz der Nähe der Großstadt im wesentlichen landwirtschaftlich ausgerichtet geblieben, wofür wir nicht dankbar genug sein können. Daß dabei moderne Arbeitsmethoden lebens- und bedarfsnahe aufgegriffen wurden, entspricht dem beharrlichen Fleiß, von dem ich schon eingangs sprach.
Nur ungern breche ich die Reihe von Bildern aus der Geschichte Defersdorf ab. Infolge des knappen Zeitrahmens ist die Übersicht leider recht lückenhaft. Zum Schluß erlauben Sie mir noch 3 Anmerkungen, ohne auf das schon mit Fug und Recht groß herausgestellte Feuerwehrjubiläum einzugehen.
Zum ersten: Defersdorfer und Roschtler feiern gern. 1801 war Richtfest für das sogenannte Schloß. Zu dieser Hebe mußten hier und in Regelsbach fünfzig Personen drei Tage lang bewirtet und nach Regelsbach für diesen Zweck Tauben und Hühner eigens angeliefert werden. Nur die gar zu selbstverständlichen Defersdorfer Bratwürste sind in der Abrechnung nicht erwähnt. – Nur die Roßtaler Freiwillige Feuerwehr hat 1976 noch mehr geschafft, wenn ich recht im Bilde bin. Sie feierten da ihr hundertjähriges Bestehen gleich vier Tage lang. Daß Sie für dieses jetzige Wochenende die Gelegenheit zu mehrtägigem Festefeiern beim Schöpf ergiffen, weist Sie alle, auch die seit Kriegsschluß Zugezogenen, als in Ihrer Marktgemeinde gut Eingebürgerte aus.
Zweitens: Aktuelle Beispiele für den trotz aller politischen Wandlungen und trotz mancher Veränderungen im Einwohnerstamm ständig beharrlichen Fleiß brauche ich nicht aufzuzählen. Sie wissen selbst, wie sich ihr kleines Dorf immer wieder hochgerappelt und sich in die Notwendigkeiten und Möglichkeiten der jeweiligen Zeit eingeschaltet hat und hat einschalten lassen.
Drittens: Geradezu selbstverständlich gibt es bei solcher Lebenseinstellung auch einmal scharfe Auseinandersetzungen.
1811 hört man den Scheurl'schen Patrialmonialrichter laut stöhnen, wenn er dem Richter von Roßstall als seiner Oberbehörde schreibt: „Muß ich dem Herrn Stabsrichter noch schreiben, daß Sie möchten den Bauren ihre Köpfe zurecht richten. Denn was die einen erzörnen in der Gemein (in der Gemeindeversammlung), ist doch erschröcklich.“ – Ist es auf diesem Hintergrund nicht doppelt beglückend, wie festlich und froh wir heute hier beisammen sind? – Ich danke für Ihre lange Geduld – und wünsche jetzt guten Appetit.
Kurz vor oder nach 800 n. Chr. | Wahrscheinlich Gründung des Dorfes als militärischer Stützpunkt unter einem verantwortlichen Wehrmann Daifer oder Däbrisch mit etlichen Männern und deren Familien (Ausbauort des fränkischen Stützpunkts Roßstall/Roßtal). |
Kurz nach 800 n. Chr. | Kloster St. Emmeram in Regensburg besitzt die Schwabacher Mark, deren Nordostgrenze durch den „Birkensee“ gebildet wird. Dessen letzte Spur haben wir wohl in dem jetzt verlandeten „Elstnerweiherle“ an der Gemarkungsgrenze zwischen Defersdorf und Leitelshof vor uns, das 1821 im Kataster immerhin noch als morastige Fläche ausgewiesen wurde. (Sogenannte Himmelsweiher, in denen lediglich nach starken Regengüssen das Wasser längere Zeit stehen bleibt, wie im „Seefeld“ bzw. im „See“ auf der Höhe nordostwärts von Defersdorf, gab es im Raum Roßtal früher häufiger. Der Birkensee muß aber eine ständige Wasserfläche gewesen sein.) |
1132/ca. 1150 | Herr Vomar in Tefersendorf ist Bamberger Canonicus (Chorherr). |
Zwischen 1200 und 1300 | Wohl Entstehung eines Sitzes für den verantwortlichen Ortsherren (später als Burgstall bezeichnet) am unteren Ende des Berghangs – entsprechend der Lage des Ministerialensitzes am Fuß des Roßtaler Schloßbergs. |
1339 | Erstes festes urkundliches Datum: Die Gebrüder Konrad und Burkhard Pfefferbalg verkaufen zwei Güter in Teferßdorf, die sie von Graf Gottfried von Hohenlohe erhalten haben, an das Kloster Heilsbronn. |
1413 | Defersdorf gehört zum Roßtaler Halsgerichtsbezirk. |
1415 | Burggraf Friedrich VI. zu Nürnberg wird Kurfürst von Brandenburg und als Friedrich I. erster Markgraf von Ansbach. |
Um 1430 | Defersdorf gehört zur Pfarrei Roßtal – bis heute. Vorher zu Rohr gehörig? |
1476 | Der Nürnberger Bürger Conradt Smidt, Tratzieher genannt, kauft von Tobst und Katherina Rudesch „das Dorf Teferstorff ... mitsamt, dem Stock, darauf vormals eine Behausung gestanden und abgebrannt ist“. (Stock = steinernes Erdgeschoß). Bisher ist – laut der gleichen Urkunde – „das Dorf mit der Obrigkeit und Mannschaft“ der „Stadt Nürnberg verwandt gewesen“. (Verwandt = in enger Beziehung, zugehörig). Smidt verpflichtet sich mit seinem Siegel für sich und seine Erben, bei einem etwaigen Verkauf das Dorf oder auch einzelne Teile nur Nürnberger Bürgern oder Bürgerinnen zu überlassen. Bei Verstoß soll ein Handel ungültig sein. (Siehe dazu 1564!) |
1520 | Die Ziegelei Defersdorf beliefert die Kirche zu Roßtal. Bestand bis ins 20. Jhdt. |
1545 | Kaiser Karl V. bestätigt der Reichsstadt Nürnberg das erstmals durch König Wenzel (1378–1400) erteilte Privileg voller Hoheitsrechte über „alle ihre und ihrer Bürger, Untertanen und Güter, auch wenn diese in Gerichtsbezirken anderer Herren wohnen, stehen oder liegen.“ (Dieses Sonderrecht bringt insgesamt vier Jahrhunderte lang Streit und gewalttätige Auseinandersetzungen besonders mit der Markgrafschaft Ansbach, in deren Hochgerichtsgebiet zahlreiche Nürnberger Familien Besitzungen haben.) |
1564 | Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach überträgt seinem Kammerschreiber Andreas Mußmann das vorher nur als Mannlehen (also nur auf Lebenszeit) anvertraute Landgut Defersdorf als freies Eigentum. (Siehe dazu auch 1476!) |
1576 | Mußmann verkauft Defersdorf an den Nürnberger Bürger Albrecht VI. Scheurl. Dessen Familie bleibt bis 1818 die Eigenherrschaft des Ortes und übt in Verantwortung gegenüber der Reichsstadt (sowie in den letzten Jahren gegenüber den Königreichen Preußen und Bayern) auch die niedere Gerichtsbarkeit als Patrimonialgericht aus. – Da der „Burgstall“ gänzlich in Ruinen liegt, wird bereits 1567 die gegenüberliegende Schenkstatt erworben und durch Anbau eines Flügels zum Herrenhaus ausgebaut. Die Zapfenschenke wird verlegt. |
1616 | Erste vollständige Liste der Anwesen und der ansässigen Familien. Es sind acht Höfe und Güter, alle „sind Gabriel Scheurl zu Nürnberg“. |
1632 | 31 Personen aus dem kleinen Ort kommen allein in den 13 Wochen um, während deren Truppen Wallensteins und des Bayerischen Kurfürsten Maximilians I. an der Alten Veste bei Zirndorf ihr Lager haben. Defersdorf leidet unter Einquartierungen, Plünderung usw. Die Namen der in der Totenliste genannten Familien begegnen hernach nicht mehr. |
1650 | Österreichische Glaubensflüchtlinge aus Kärnten und dem Landl ob der Enns füllen die vom Krieg geschlagenen Lücken auf. Mehrere Familien haben sich bis heute gehalten, etliche jetzt andere Namen sind unmittelbare Erben durch Einheirat. |
1652 | Christoph Wilhelm I. Scheurl umgibt Herrenhaus, Stadel, Voitenhaus (Verwalterhaus) und beide Weiher mit Mauer und zwei großen Toren. |
1687 | Derselbe macht Dörflein und Burgstall zu Defersdorf zum gemeinsamen Scheurl'schen Familienbesitz (Fideicommiß). |
1792 | Der kinderlos gebliebene Markgraf Alexander von Ansbach-Bayreuth tritt mit 55 Jahren beide Fürstentümer an seinen Vetter, König Friedrich Wilhelm I. von Preussen, ab und wandert nach England aus. |
1796 | „hat der König von Preußen diesen Ort“ (Defersdorf) „occupiert, alle landeshoheitlichen Rechte Nürnbergs entzogen“. Für die Einwohner gibt es viel Unruhe. Das Patrimonialgericht wird für mehrere Jahre sequestriert, d. h. stillgelegt unter Übernahme seiner Aufgaben durch den (Preußischen) Staat. |
1801–1802 | Abbruch des als sehr unbedeutend und als schlecht aptiert (ungeeignet für den Dienstverkehr des Patrimonialgerichts) bezeichneten Herrenhauses, das zudem schon fünfzig Jahre lang nur noch im oberen Stockwerk hatte bewohnt werden können. An gleicher Stelle Neubau des jetzt als Gasthaus dienenden Gebäudes auf Druck der Königlich Preußischen Regierung in Ansbach. |
1806 | Französierte Truppen besetzen das Fürstentum Ansbach. Kaiser Napoleon nötigt den Preußischen König, dieses an König Maximilian I. Joseph von Bayern abzutreten. |
1806–1815 | Zeitweise erst französische, später russische Truppen als Einquartierung. |
1809–1813 | Aufteilung von Gemeindeland (Wälder, landwirtschaftliche Flächen) mit schweren Problemen der vermehrt nötigen Stallfütterung nach Wegfall der gemeinsamen Weide. – 1812 ca. 70 Stück Rindvieh, zahlreiche Schafe |
1815 | Auf dem Platz des Burgstalls unter Verwendung noch vorhandener Bauteile Neubau eines Wohnhauses. |
1816–1818 | Ortsgericht Defersdorf ist im Rahmen der niederen Gerichtsbarkeit außer für die Untertanen des Eigenherren des ganzen Dorfes für mehrere benachbarte Orte zuständig. |
1818 | Defersdorf wird im Rahmen der Gemeindeordnung dem Landkreis Fürth/Gemeinde Großweismannsdorf zugeteilt. Die Scheurl von Defersdorf verkaufen ihren Defersdorfer Besitz an Freiherrn von Günther zu Nürnberg. |
1830 | Freiherr von Günther verkauft an Edlen von Sertz. |
1845 | Einige Defersdorfer wandern nach Nordamerika aus. |
1848 | Ablösung der Grundlasten: Die Bauern werden freie Grundeigentümer. Aufhebung aller Patrimonialgerichte in Bayern. Übernahme ihrer Aufgaben durch staatliche Gerichte. |
1858 | Nach einem Todesfall in der Familie der Edlen von Sertz verkauft der Erbe den Defersdorfer Besitz. Über einen Zwischenhändler erwirbt Familie Stürmer aus Kammerstein den Amtssitz (das sogenannten Schloß), Voitenhaus (Verwalterhaus) und zugehörige Ländereien. |
1890 | Volkszählung: 21 Haushaltungen, 129 Personen, wovon 56 männlich, 73 weiblich. |
1907 | Für 21 Haushaltungen werden 21 Landwirtschaftskarten und 6 Gewerbeformulare benötigt. |
1914 | Anschluß an das elektrische Stromnetz. |
1914–1918 | Im 1. Weltkrieg sind 4 Männer gefallen. |
1929 | Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Defersdorf. Diese zählt 1978 31 aktive, 14 passive Mitglieder, 1989 26 aktive, 17 passive Mitglieder. |
1930 | Defersdorf hat 116 Einwohner. |
1939–1945 | Im 2. Weltkrieg sind 6 Männer gefallen. |
Nach 1945 | Mehrere Familien kommen als Heimatvertriebene und Flüchtlinge nach Defersdorf. Doch ziehen die meisten auf der Suche nach Arbeitsplätzen bald wieder weiter. |
1950 | Volkszählung: 26 Haushaltungen, 177 Personen. |
1958 | Bau des neuen Spritzenhauses. Das Gasthaus zur frischen Quelle wird umbenannt in Gasthaus zum Scheurl-Schloß. |
1970 | Umschulung der Defersdorfer Kinder nach Roßtal. Seit 1699 waren sie in Buchschwabach zur Schule gegangen. Dort war Jahrhunderte lang der für die westlichen Gebiete der Reichsstadt Nürnberg zuständige Dorfhauptmann. (Allerdings gehörte die Bevölkerung von Buchschwabach nur zum Teil zu Nürnberg, während der Rest Markgräflich Ansbachisch war.) Öffentliche Wasserleitung. |
1978 | Eingemeindung Defersdorfs zu Markt Roßtal. |
1989 | Volkszählung: 57 Haushaltungen, 149 Einwohner, davon 137 evangelisch, 12 röm.-katholisch. 10 landwirtschaftliche Betriebe. |
Gemeindearchiv Markt Roßtal,
Staatsarchiv Nürnberg,
Scheurl-Archiv Nürnberg,
Petz-Archiv Nürnberg,
Historisches Ortsnamenbuch von Bayern/Mittelfranken. Bd. 1: W. Wiesner, Stadt- und Landkreis Fürth. 1963.
Jahrbuch für Fränkische Landesforschung. Bd. 6/7 1941 und Bd. 8/9 1943.
Kreutzer/Düthorn, Roßtal Vergangenheit und Gegenwart. 1978/1979. – Hier auch weiterführende Literatur.
Erst während der Drucklegung stieß der Verfasser im Stadtarchiv Nürnberg auf eine Originalurkunde vom 28. Oktober 1314, also 25 Jahre vor dem Schriftstück von 1339: Der Nürnberger Bürger Cunrat der Mevrich verfügt über sein Holz zu Tefferstorff und trifft Anordnungen für seine Nachkommen und Erben, denen Dorf und Holz „in dem dorfe ze Teferstorff“ anfällt. – In unserer nächsten Nummer werden wir ausführlicher darüber berichten.
Urzelle und Mittelpunkt von Defersdorf war wohl ein befestigter Herrensitz, der am Fuß des späteren Weinberges sich erstreckte. Heute wird die nur noch in wenigen Teilen bestehende Anlage, die parallel zur Straße verlief, von dem Anwesen Köppendörfer überdeckt. Dieser im 15. und 16. Jahrhundert mit Namen „Burgstall“ bezeichnete historische Ort läßt allerdings anhand seiner geschützten Lage im Tal an der Krümmung der heutigen Ortsstraße – man denke nur an die ähnliche Situation in Wachendorf bei Cadolzburg und an Roßtal (Pelzleinstraße) – anhand des noch erhaltenen Gewölbes im Köppendörfer-Anwesen, der Mauerfragmente sowie durch den Brunnen, auf ein ritterliches Anwesen schließen. Das ist vorerst Vermutung, die es aber zu ergründen gilt und die immerhin von zwei geschichtlichen Hinweisen beleuchtet wird.
Die erste Quelle bezieht sich auf den Kauf der Ortschaft Defersdorf durch den Nürnberger Conradt Smidt, Tratzieher genannt, Vorbesitzer war das Ehepaar Jobst und Katherina Rudesch, wobei es im Jahr 1476 heißt, daß „das Dorf Teferstorff ... mitsamt dem Stock, darauf vormals eine Behausung gestanden, abgebrant ist“ (Hinweis v. Scheurl).
Der zweite Hinweis, fast hundert Jahre später, 1567, wird ebenfalls bei einem Kauf gegeben, als Andreas Mußmann, Kammerschreiber des Markgrafen Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach, dem Nürnberger Kaufmann Albrecht VI. Scheurl, sein Landgut veräußerte, wobei erwähnt wird, daß beschriebener „Burg-Stall“ nun gänzlich eine Ruine sei. Der neue Besitzer Scheurl war somit gezwungen, die gegenüberliegende Schenkstatt (heute: Zum Scheurlschloß) zu erwerben und sie durch Anbau eines Flügels zum Herrenhaus auszustatten.
Befassen wir uns nun mit dem unscheinbaren Raum im Köppendörfer Anwesen, der uns dank der vorbildlichen Initiative seines Besitzers erhalten blieb. Der heute im Wohnhaus integrierte Raum – er ist zur Bergseite angeordnet – setzt sich aus zwei querrechteckigen Jochen mit ausgeprägtem Kreuzgratgewölbe zusammen. Der Raum hat eine Länge von ca. 4,50 m und besitzt eine ungefähre Breite von 3,75 m. Seine Scheitelhöhe ist 2,70 m. Ursprünglich dürfte er aber viel größer und langgestreckter gewesen sein. Diese Annahme basiert auf folgenden Erkenntnissen: daß man ihn im 19. Jahrhundert durch eine eingestellte Mauer quer abgeteilt und somit die angängliche Linienführung des dritten Jochgrates in seiner Kontinuität unterbrochen hat; und daß die eigentliche Größe quasi Länge der gesamten ritterlichen Anlage durch die äußere Grundmauer an der Bergseite noch heute verdeutlicht wird. Eine Untersuchung dieses Mauerabschnittes soll im späteren gegeben werden. Ausgangspunkt der Gewölbegrate sind trapezförmige Kragsteine, die sich an den Längsflanken des Raumes in einer Höhe von 1,50 m befinden und die leicht aus dem Mauerverband der Sandsteinquader hervorstehen. Dazwischen spannen sich rundbogige Schildbögen mit leicht schachtartig geführten Stichkappen, die durch kleine Öffnungen in der jeweiligen Wandstirn erhellt werden. Material und Ausführung des in seinen Strukturen klar komponierten Raumes zeigen eine saubere Steinmetzarbeit, die sich vorwiegend auf die Kragsteine und Schildbögen konzentriert. Roh bearbeitete Stellen im Wandkontinuum sind aber ebenfalls zu bemerken. Sie verweisen auf eine frühere Epoche.
Ansonsten kann bemerkt werden, daß der Gewölberaum im Köppendörfer Anwesen mehr an historischer Bedeutsamkeit und architektonischer Grundlage erkennnen läßt, als er in seiner Schlichtheit auf den ersten Blick vermuten läßt. Art und Stil des Gewölbes verweisen auf das 13. Jahrhundert, wobei zeitliche Schwankungen für diese Bauperiode durchaus angebracht ist.
Die Nutzung des Köppendörfer Raumes, sein Zweck, kann aber nur vermutet werden. War es wirklich ein „Stall“ für die Beherbergung von Pferden oder Haustieren (das nötige Raummaß, die Tiefe und die Länge wären vorhanden) oder diente er, wie heute, als Vorratsraum für landwirtschaftliche Erzeugnisse oder sogar als Küche? Allein das Vorhandensein der großen Wasserquelle, des späteren „Gmabrunna“ in unmittelbarer Nähe läßt all dies durchaus plausibel erscheinen.
Nicht mehr exakt rekonstruieren läßt sich auch die gesamte Anlage des einstigen Ritterbesitzes, da sie durch die späteren Gebäude, das Köppendörfer Anwesen wurde 1815 erbaut, und heutigen Anbauten zu stark überdeckt ist und sie somit auch aus der Luft nicht mehr erfaßt werden kann. Allzu gewaltig dürfte sie allerdings nicht gewesen sein, doch kann sie anhand der ungewöhnlichen Dicke der Mauern eine gewisse Trutzigkeit nicht verleugnen. Die bereits erwähnte Außenmauer aus wuchtigen Buckelquadern, deren Fundament auf eine Tiefe von 40 bis 50 cm fußt, mißt ab dem Gewölberaum eine ungefähre Länge von ca. 6 m und wird heute als Grund- und Stützmauer der darüberliegenden Scheune benützt. Grabungen in diesem Bereich würden sich bestimmt als historisch und archäologisch nützlich erweisen. Mit der genannten Raumlänge von 4,50 m kommen immerhin stattliche 10 bis 11 Meter zusammen, die vorerst die ungefähre Länge des ritterlichen Herrensitzes angeben, der, wie uns Conradt Smidt 1476 vermittelt, aufgestockt war. Wie weit aber die Baugrenze des Anwesens bis zur Straße vorrückte, welche Tiefe sie hatte, kann nicht mehr erschlossen werden. Ungeklärt ist auch, ob sich nun weitere Herrschaftsgebäude oberhalb des Burgstalls befanden. Sie wären aber andrerseits durchaus denkbar, da durch die äußerst günstige topographische Lage des terrassenförmigen Hanges ein fortifikatorischer Nutzen erzielt worden wäre.
Unterrichtshilfen für das Schwabach Rother Land. Heimatkunde als Fach und Prinzip. Das Tal der „Kleinen Schwabach“ von Christoph Haag, Schwabach 1957, Folge 68.
Siegfried Freiherr von Scheurl: Die Scheurl von Defersdorf, in „Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg“, Band 61, Nürnberg 1974.
Schuhmann, Günther: Die Hohenzollern-Grablegen in Heilsbronn und Ansbach, München, Zürich 1989.