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Dieter Koerber

Fundsachen

I.

Einer Entdeckung von Herrn Robert Ley verdanke ich den Hinweis auf zwei Predigten von Johann Balthasar Bernhold, Roßtaler Pfarrer von 1621–1640. Das fast 100 Seiten starke Heft, eingebunden in einen Quartband Predigten aus der Sammlung Amberger der Stadtbibliothek Nürnberg, trägt den Titel

Templum Redivivum

Das ist:

Zwo Christliche Predigten

Die Erste:

Bey Einweyhung der Im Jahr Christi 1627 in der Laurentzen Nacht zwischen 10 und 11. Uhr durch einen schröcklichen Donnerschlag angezündten und in grund abgebrandten / nunmehr aber durch die Gnade Gottes wiederumb aufferbauwten Margr. Kirchen zu Rostall / zu S. Lorenzen Anno 1628 am ersten Sontag des Advents

Die Ander:

Als in gedachter Kirchen / die schöne newe glocken auffghängt / und geleutet worden / Anno 1630 am 5. Sontag nach Trinitatis.

Gehalten von M. Johan-Balthasar Bernhold Pfarrern zu Rostall Nürnberg gedruckt bey Simon Halbmayem.

Es beginnt mit einer mehrseitigen gelehrten Widmung an den Roßtaler Schloßherren Sigmund Heinrich Ayrer, der sich offenbar um den Wiederaufbau der Kirche nach dem großen Brand verdient gemacht hat. Dann folgen die beiden Predigten. Den Beschluß macht ein in lateinischen Distichen verfaßtes

VOTUM SYNCHARISKON at devotam seu religiosam Rosstalensem paroe-ciam a viciniori Ammerndorfiane ecclesia, editum et transmissum per Tobiam Crug, pastorem ibidem, (auf Deutsch etwa: Glückwunsch an die treue und fromme Gemeinde von Roßtal von der Ammerndorfer Nachbarkirche, herausgegeben und überreicht durch Tobias Krug, Pfarrer dortselbst.)

Den Predigten sind mancherlei historische Einzelheiten zu entnehmen, die vorher unbekannt waren.

1. das Jahr 1627 war nicht nur ein Unglücksjahr wegen der Zerstörung der Kirche, der Anfang des Jahres brachte für die Roßtaler auch eine Pest-Epidemie, der in drei Monaten 81 Menschen zum Opfer fielen.

2. Die Familie Ayrer, in drei Generationen von 1622 bis 1690 Schloßbesitzer, erwiesen sich offenbar als Gönner der hiesigen Kirche. Neben den Dank an Sigmund Heinrich Ayrer steht noch der an seinen Vater, Dr. Christoph Heinrich Ayrer (in der Literatur immer wieder als Leibarzt des Markgrafen bezeichnet). Seinen guten Beziehungen zum Ansbacher Hof mag es zu danken sein, daß die „Obrigkeit das Bauholz samt anderen aus Gnaden dazugegen“. Dr. Ayrer war es auch, der das „große Fenster hinter seiner Porkirch“ (Empore) auf seine Kosten wieder hat herstellen lassen.

Das westliche der beiden großen Fenster auf der Nordseite der Kirche trug denn auch bis zur neuen Verglasung am Anfang der 60er Jahre unseres Jahrhunderts eine Scheibe mit der Umschrift: Christoff Heinrich Ayrer D(oktor) für(stlich) Brand(enburgischer) Gehaimer u. Landschafft Rath auch Cammermeister zu Onoltsbach (Ansbach) a(nno) 1628 Demnach dürfte der Kirchenstuhl der Schloßherrschaft auf der ersten Empore gegenüber der Kanzel, neben der großen Fürstenloge gewesen sein. Dr. Ayrer hat das Schloß 1622 vom Markgrafen erkauft

3. Bernhold erwähnt in seiner Predigt, daß trotz des stundenlangen Brandes kein weiteres Gebäude Schaden nehmen mußte. Selbst die am nächsten an der Kirchenmauer stehenden Obstbäume hätten im nächsten Frühjahr wieder Blüten getrieben.

4. Über die Zerstörungen an der Kirche erfahren wir: Verloren gingen sechs schöne Glocken, große und kleine, zwei Schlaguhren (eine davon konnte in Ansbach repariert werden und wurde für die Bauzeit auf das Tortürmchen gesetzt), sechs schöne Altäre, Gemälde und Schnitzwerk, Kanzel, Taufstein, schöne Epitaphien. Dabei ist wohl auch an die beiden Hochgräber von Irmengard und Herzog Ernst gedacht.

5. Stifter für die neue Ausstattung der Kirche. Neben dem schon erwähnten Dr. Ayrer werden genannt:

a) Johann Georg Keck, Kastner zu Cadolzburg „welcher die gegenwärtige Kanzel von seinen Unkosten hat machen lassen“
b) Hans Hofmann, Bierbrauer zu Weinzierlein und Hans Taubmann zu Loch, welche das Kruzifix über dem Communionaltar und die nebenstehenden Figuren gestiftet. Damit ist auch das sonst nicht ganz leicht zu bestimmende Alter des heute noch stehenden Altares festgestellt.
c) Georg Kastner, Müller zu Neuses, welcher den Taufstein versprochen und allbereits am Werken ist.

6. Bernhold muß sich offenbar mit in der Gemeinde umgehenden Vorwürfen auseinander setzen.

a) Der Brand der Kirche sei die Strafe Gottes, weil man die alte Kirche so teuer herausgeputzt hatte. (Erst 1624 war die Kirche für insgesamt 389 Gulden instandgesetzt worden. Dabei entstanden auch die jetzt wieder freigelegten Evangelistenbilder im Chor der Kirche.)
b) Der Brand sei die Strafe Gottes, weil man die Kirche nicht mehr wie früher am St. Laurentiustag, sondern am Sonntag davor oder danach feierte.

7. Die vier neuen Glocken wurden in Nürnberg bei dem Glockengießer Herold gegossen. Ihr Gewicht:

1. Glocke 42 Zentner, 17 Pfund
2. Glocke 21 Zentner, 73 Pfund
3. Glocke 12 Zentner, 78 Pfund
4. Glocke 4 Zentner, 16 Pfund

"Dieses unser schön neu Geläut ist trawen (wahrlich) nicht auf unserem Mist gewachsen". Zu dem noch geretteten Metall wurden 16 Zentner von der Obrigkeit, auch viel aus der Gemeinde darzu gegeben zu dem noch geretteten und mit großen Unkosten (im Schutt) gesuchten.

Nach der noch vorhandenen Abrechnung über den Turmbau und den Glockenguß wurde der Glockengießer mit insgesamt 729 Gulden, 2 Ort (Viertelgulden) u. 26 1/2 Pfennigen bezahlt.

8. Der Prediger erinnert daran, daß die Glockenweihe am 100. Jubeltag der Augsburger Konfession (also am 25 Juni) begangen wird.

Nur 68 Jahre konnten die Glocken ihren Dienst tun. Schon 1698 wurden sie wieder durch einen Blitzschlag verdorben!

II.

Joseph Dettenthaler, der das Roßtaler Konfessionsbild von 1524 beschreibt, (Heimatblätter I, 1987) findet eine Verbindung der Stifterin dieses Bildes in unserer Kirche, Susanne Jung, geb. Dietherr, zur Familie Ayrer nach Roßtal. Sollte durch die Vermittlung der Ayrer das Bild in die Kirche gekommen sein?

Es könnte noch einen anderen Weg geben, der von der Nürnberger Familie Dietherr nach Roßtal führt:

Das Pfarramt verwahrt noch ein trichterförmiges Kelchlein auf, das eine Nürnberger Punzierung trägt und eine leider recht grobe nachträgliche zweizeilige Randprägung, mit der es der Kirche gespendet wird:

GEORG ENGELHARD ROGGENBACH SO UFF DER EDENREUTH d. 30. 9. bris (November) 1618 UMB 4 UHR VORMITTAG GEB. U. VON PET. ENGELHARD DIETHERR AUS DER HEIL. TAUFE ERHOBEN WORDEN STIFTET DIES KELCHL INS GOTTESHAUS ZU ROSSTAL ZUR GEDÄCHTNUS DEN 20. MARTI ANNO 1659.

So hat nicht nur die Roßtaler Schloßbesitzerfamilie verwandschaftliche Beziehungen zur Stifterin des Bildes, auch der Besitzer von Oedenreuth hatte zur gleichen Zeit einen Dietherr zum Paten!

Beiden Spuren müßte noch weiter nachgegangen werden. Auch der erwähnte Roggenbach hatte früher ein Wappen in der Kirche.

III.

Herr Alfred Steinheimer, der eine Mappe mit markgräflichen Verordnungen und anderen Drucksachen durchmusterte, stieß auf einen kaiserlichen Schutzbrief für Roßtal. Das 32 zu 40 cm große Blatt, ein Vordruck mit den nötigen handschriftlichen Einträgen bietet in heutigem Deutsch etwa folgenden Text:

Hiemit (ist) in die besondere Fürsorge und den sicheren Schutz der Römisch-Kaiserlichen auch zu Ungarn und Böhmen Königlichen Majestät, unseres allergnädigsten Herrn
(handschriftlich:) daß Hochfürstlich Brandenburgische Dorff und Ambt Roßstall samt allen und jeden Zugehörungen aufgenommen worden. Also werden hiemit alle und jede, zuallererst Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestät unterstellten hohen und niederen Kriegsoffiziere, Soldaten insgemein zu Pferd und zu Fuß, wie auch sonst jedermann nach seinem Stand ersucht, die meinem Kommando untergeben aber erinnert, ihnen auch ernstlich befohlen
(handschriftlich:) obenerwähntes Dorf und Amt Roßstall mit aller und jeder Angehörung wie Getreide, Gebäude, Mobilien und Untertanen nichts davon ausgenommen, soweit sie nicht ordentlich angewiesen, nicht allein mit eigenmächtiger Einquartierung, Durchzügen, Nacht- und Still (?)-Lagern, Gelderpressung, Abnehmen von großem und kleinem Vieh, auch anderen kriegerischen Handlungen, welchen Namen sie auch haben, oder unter welchem Vorwand solche gesucht werden mögen, besonders aber mit herumstreifenden Banden, Raub, Plünderungen und allen strafbaren Gewalttätigkeiten gänzlich zu verschonen, auch anderen, dergleichen zu tun, nicht zu gestatten, sondern hierbei mit fester Hand einzugreifen. Damit geschieht was recht ist. Ich bin auch bereit mich nach eines jeden Standes Gebühr zu verantworten. Die meinem Kommando untergebenen aber vollziehen hieran ihre Schuldigkeit und meinen ernsten Befehl, werden sich auch vor unausbleiblicher Leib- und Lebensstrafe zu hüten wissen. Unterschrieben:
(handschriftlich:) In dem Hauptort zu Hilpoldstein den 3. 7bris (September) Anno 1673. Der Rom. Kaiserl. auch zu Ungarn und Böhmen königlichen Majestät geheimer Rat, Hofkriegsratspräsident, Generalleutnant, Feldmarschall, Oberster Land- und Hauszeugmeister, bestellter Obrister und General der Raaberischen Gränitzen, auch Ritter des Goldenen Vließ.
(Unterschrift unleserlich)

Ob dieser Schutzbrief den Bürgern von Roßtal und den zum Richteramt gehörenden Orten viel genützt hat in den unruhigen Zeiten? Genützt hat er vermutlich mehr den Ausstellern der Briefe, die sich solche Schutzbriefe gut bezahlen ließen.

IV.

1848. Revolutionsjahr. Überall regte sich der Widerstand gegen die Restauration. Im Februar mußte in Frankreich der Bürgerkönig gehen. Frankreich wurde Republik. Der Gedanke sprang weiter. Im März mußte in München König Ludwig L, zugunsten seines Sohnes Maximilian II. abdanken. In Wien wurde im März Metternich entlassen, im Dez. dankte der Kaiser ab und überließ seinem Neffen Franz Joseph die Regierung. Märzrevolution in Berlin. Karl Marx schrieb sein Kommunistisches Manifest.

Auch in Roßtal regte sich etwas: „Unterthänigste, Gehorsamste Beschwerdeschrift der Gemeinde Roßtal und Consorten,“ vom 6. April 1848. Einer der Mitunterzeichner war der Bauer Georg Stengel. (Heimatbuch Roßtal, S. 170 f.) Es waren keine Revolutionäre, aber sie suchten ihr Recht gegen eine kleinliche Bürokratie, gegen ungerechtfertigte Abgaben, gegen die adeligen Grundbesitzer. Königstreu wollten sie sein, Monarchisten, aber man spürt die Erleichterung als auf Ludwig I. Maximilian II. folgte.

Georg Stengel hat in einer Anzahl von „Zeitgedichten“ 1848 bei E. H. Gummi in Ansbach erschienen, dieser Stimmung schlichten, bisweilen auch gewandten Ausdruck verliehen. Ich danke Herrn Hans Winter, Buttendorfer Straße für die leihweise Überlassung dieser Blätter. Eines dieser Gedichte sei hier abgedruckt.

Georg Stengel ist am 9. 2. 1799 in Roßtal geboren als Kindes des gleichnamigen Bürgers und Branntweinbrenners. 1821 heiratete er Anna Katharina Riegel von Kirchfarrnbach. Zwischen 1822 und 1846 werden ihnen 11 Kinder geboren, von denen einige bald wieder sterben.

Seit mindestens 1831 ist er Besitzer des Schwalbenhofes, alte Hs.-Nr. 2. Später Mitglied der Kirchenverwaltung. 1851 wandert er nach Angabe des Taufregisters mit Frau und einigen Kindern nach Nordamerika aus. Was bewegt einen 52-jährigen zu solchem Schritt? Wenn man in seinen Gedichten Autobiographisches finden darf, könnte es die Schwierigkeit gewesen sein, den erworbenen Hof bei der großen Steuer- und Abgabenlast zu halten.