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Ludwig Groh

100. Geburtstag Ludwig Groh
geboren am 4. Oktober 1900
gestorben am 11. November 1971

Elisabeth Knoll

100. Geburtstag Ludwig Groh

– Sonderausstellung vom 13. August bis 5. November 2000 –

Ludwig Groh, geboren am 4. Oktober 1900 in Presseck, Landkreis Stadtsteinach/Oberfranken, seine Kindheit verbrachte er mit seinen Eltern Georg und Margarete Groh in Nürnberg, besuchte das Gymnasium und wurde bereits mit noch nicht einmal 18 Jahren am 23. September 1918 nach Belgien zum Wehrdienst einberufen.

Nach Abschluß der Lehrerbildungsanstalt in Schwabach kam er dann 1925 als Junglehrer nach Roßtal. Damals noch in das „alte Schulhaus“ - später Rathaus, bis dann 1929 der Neubau der damaligen Volksschule fertiggestellt war.

Er verheiratete sich mit Margarete Linsin im Jahr 1929 und wohnte im Schulhaus bis zu seiner Pensionierung 1966.

Im Jahre 1966 nach 41 Jahren Dienstzeit – davon 18 Jahre als Rektor – wurde er in den Ruhestand verabschiedet.

Dem Kantor brachte seine Bekenntnistreue (er wollte seine Organistentätigkeit nicht aufgeben) noch eine Einberufung zur Wehrmacht an die Front nach Rußland. Es folgte eine längere Kriegsgefangenschaft in Sibirien. Im Jahre 1947 kam er von Krankheit gezeichnet, wieder zurück. Während des Krieges war er abwechselnd als Luftschutzhelfer während der Nacht in Zirndorf eingesetzt, dazwischen als Flakhelfer in der Scheinwerferstellung Weitersdorf.

Im Gedenken an den 100. Geburtstag am 4. Oktober 2000 und in Würdigung der Verdienste des beliebten Lehrers, Musikers, Malers, Dichters und Komponisten zeigte der MUSEUMSHOF eine kleine Dokumentation mit Original-Aquarellen, Portraitzeichnungen, Partituren von Opern und diversen Kompositionen, dazu Konzertprogramme der von Ludwig Groh bereits im Jahre 1928 gegründeten Musikfreunde, die seine Werke maßgeblich gespielt haben. Die zahlreichen Programme seiner Konzerte addieren sich zu über 120 Aufführungen.

Zum Teil waren der Erlös dieser Konzerte für bedürftige Schüler bestimmt. Er selbst unterrichtete ohne Bezahlung begabte Schüler in Klavier, Flöte und Geige. Seit 1928 war er ehrenamtlicher Organist an der St.-Laurentius-Kirche in Roßtal.

Den Männergesangverein 1869 dirigierte er von 1930 bis 1963. Er brachte während dieser Zeit den Chor auf beachtliche Höhe.

Die kleine Sonderschau zeigte das Schaffen und Wirken in seiner Wahlheimat Roßtal. Besonderer Schwerpunkt war das musikalische Vermächtnis an den Markt Roßtal, gewidmet zum 600jährigen Bestehen des Marktes im Jahre 1928 das Singspiel „Die verschollene Glocke“ und zur 1000-Jahr-Feier im Jahre 1955 die romantische Komödie „Der Richter von Horsadal“.

Der musikalische Nachlaß beinhaltet allein 4 Opern und Singspiele, zahlreiche vertonte Balladen und Kompositionen. Neben seiner musikalischen Liebhaberei schrieb er außerdem 8 Romane und Märchen und zahlreiche Balladen. Ein Roman wurde als Hörspiel im Rundfunk gesendet.

Seine Zeichnungen – auch Roßtaler Ansichten –, Embleme für den Sportverein "SpVR", Männergesangverein 1869, Marktwappen sind inzwischen jedem Einwohner geläufig. Die Kostümentwürfe und die Zusammenstellung des Festzuges für die Jahrtausendfeier stammen aus seiner Feder.

Der allseits beliebte Lehrer, ein fantastischer Erzähler, der seine Schüler auch für die Kunst zu interessieren wußte, war auch in der Technik sehr gut bewandert, das bezeugen die Werkstücke, z. B. eine Lokomotive mit Tender, die im MUSEUMSHOF ihre Bleibe gefunden hat.

Am 11. November 1971 – am Martinstag – verstarb Ludwig Groh und liegt in seiner Wahlheimat Roßtal am Martinsfriedhof begraben.

Wir bedanken uns ganz herzlich für die zahlreichen Exponate, die dem Archiv des MUSEUMSHOFES übereignet wurden und für das g r o ß e Interesse von seiten der ehemaligen Schüler und Freunde dieses großartigen Menschen.


Günter Liebert

Die Zerstörung Roßtals durch die Ungarn –
Sage oder Wirklichkeit?

Vortrag vom 21. März 2000 im Heimatmuseum von Roßtal

Die Roßtaler Sage

Schon seit früher Zeit wurde in Roßtal von Generation zu Generation eine Erzählung weitergegeben, die von der Belagerung und Zerstörung des Ortes durch die Ungarn in frühgeschichtlicher Zeit berichtet. Auch von einem Herzog Ernst ist die Rede, der in diesem Kampf gefallen und dort begraben sein soll, wo jetzt die Kirche steht. Rohn1, der das erste Heimatbuch von Roßtal 1928 verfaßt hat, läßt diese überlieferte Geschichte noch mit den Worten beginnen "Es wird erzählt..." , ohne Zweifel an dem Wahrheitsgehalt zu äußern. Er versäumt es auch nicht, ein paar Seiten weiter seinen Lesern zu berichten, daß 1869 an der Spitz2 ein Grabhügel mit vielen Gebeinen und etlichen Gegenständen, die von den Ungarn gestammt haben sollen, aufgedeckt wurde.3 Leider war damals die Archäologie noch nicht so weit entwickelt, um diese Funde näher in Augenschein nehmen und deuten zu können. Sie scheinen verloren gegangen zu sein. An diesem Beispiel zeigt sich aber, wie lebendig diese alte Erzählung bis in die Neuzeit hinein im Bewußtsein der Roßtaler geblieben ist.

Von einer Sage hat man aber damals nicht gesprochen, auch Rohn hat dieses Wort vermieden. Erst in neuerer Zeit ordnet man diese uns überlieferte Erzählung als Sage ein, wobei Kreutzer4 in dem Heimatbuch von 1978/79 einen Schritt weiter geht und die Erzählung von der Zerstörung Roßtals durch die Ungarn als Wandersage5 einstuft und ihre Glaubwürdigkeit ohne Begründung vollends in Frage stellt.6 Kreutzer steht aber mit dieser Meinung nicht allein da.

Meines Wissens wurde auch bisher nicht versucht, den Inhalt dieser Erzählung in einen Zusammenhang mit den historisch bezeugten Ereignissen des 10. Jahrhunderts zu stellen, um auf diese Weise den wahren Kern der Überlieferung herauszuschälen. War doch die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts von ständigen Einfällen der Ungarn bestimmt, die großes Leid über die Bevölkerung brachten und die Politik der deutschen Könige zum Schutze ihres Reiches voll in Anspruch nahmen und das Reich in seiner Existenz gefährdeten.

Die Sage allgemein

Man spricht ja im vorliegenden Fall nur deshalb von einer Sage, weil kein zeitgenössischer Chronist von dem Kampf mit den Ungarn vor den Mauern Roßtals berichtet hat. Muß es aber schon deshalb eine erfundene Geschichte sein? Was hat man unter einer Sage überhaupt zu verstehen? Nach der allgemeinen wissenschaftlichen Definition ist das Wort „Sage“ ein Sammelbegriff für mündlich überlieferte Erzählungen, deren Anspruch auf Wahrheit größer ist als beim Märchen.7 Die schriftliche Aufzeichnung, so die weitere Erläuterung, erfolgte meist erst sehr spät. Die mündliche Tradierung bewirkte eine Ausschmückung des Sagenstoffes bis in das Phantasievolle. Doch knüpften sie stets an realen Gegebenheiten an. Man unterscheidet auch zwischen verschiedenen Arten von Sagen wie Natursagen, Totensagen, Riesensagen und historischen Sagen. Diese Aufzählung ließe sich noch fortsetzen.

Als Beispiel für eine historische Sage ist an das Nibelungenlied zu erinnern, dessen Kerngehalt sich auf den Untergang der Burgunder durch die Hunnen bezieht.

Von einer Wandersage spricht man, wenn der Stoff der Sage von anderen Völkern und Kulturen übernommen und mit landschaftlich und zeitbedingten Eigentümlichkeiten vermischt wurde.

Nach dieser Definition kann die Roßtaler Erzählung nicht als Wandersage eingestuft werden, wie es Kreutzer behauptet hat. Auch wenn man den Begriff Wandersage großzügig weiter faßt und die benachbarten Landschaften mit einbezieht, kommt man im vorliegenden Fall nicht weiter, denn eine ähnliche Erzählung kennt man im heutigen Franken nicht.

Sagen über die Ungarneinfälle

Mir sind zwei Sagen bekannt, die den Kampf mit den Ungarn im 10. Jahrhundert zum Inhalt haben. Die eine stammt aus dem nördlichen Thüringen, wo am 15. März 933 König Heinrich I. einen Sieg über die Ungarn errang. Der Ort des Kampfes konnte bis heute nicht genau lokalisiert werden, doch die Erinnerungen an die Kämpfe mit den Ungarn haben sich in einer Sage erhalten. Kirchhoff, ein namhafter Wissenschaftler, der sich bereits vor mehr als 100 Jahren mit der Suche nach diesen Kampfort befaßt hat, äußerte sich zu dieser Sage wie folgt: „Und daß in jener alten thüringischen Sage eine Erinnerung an den 15. März 933 nachklingt, kann schon darum nicht fraglich sein, weil in Thüringen eben nur damals ein Ungarnsieg erfochten ist.“ Nach einem Hinweis von ihm gibt es auch in der Nähe von Sondershausen ein Hunnental.8

Eine weitere Sage über einen Kampf mit den Ungarn ist aus der Gegend um Wolfenbüttel bekannt. Im Jahr 938 waren sie wieder einmal in das Land Sachsen eingefallen, durchstreiften es und raubten und mordeten, wo sie konnten. Widukind, Chronist dieser Zeit und uns bekannt, weil er als erster Roßtal bzw. Horsadal schriftlich erwähnte, berichtet ausführlich von diesen Raubzügen und schilderte auch einen erfolgreichen Kampf gegen die Ungarn bei der Steterburg, zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig gelegen.9

Dieses Ereignis hat mit einigen Änderungen und Ausschmückungen eine Sage aus der dortigen Gegend zum Inhalt. Die Ungarn werden darin als Hunnen bezeichnet, der Hunnenkönig Attila wird in das Geschehen einbezogen und der siegreiche Kampf der Sachsen in das Jahr 955 verlegt, dem Jahr, in welchem der endgültige Sieg über die Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg errungen wurde.10

Aber auch Widukind hat in seinem Bericht nur von den Awaren gesprochen und nicht von den Ungarn, da man seinerzeit von den aus dem Osten vordringenden Völkern kaum etwas wußte. Daß Widukind überhaupt über dieses Scharmützel schrieb, obwohl der deutsche König nicht daran beteiligt war, kann wohl mit der Nähe seines Klosters Corvey zu dem Kampfort – Luftlinie ca. 85 km – zusammenhängen. Hätte er also nicht darüber geschrieben, hätte man wohl auch diese Sage mit einem großen Fragezeichen versehen.

Lese- und Schreibkunst im Mittelalter

Mehr als ein halbes Jahrhundert lang sind die Ungarn immer wieder in das westliche Mitteleuropa eingefallen, haben geraubt, geplündert, zerstört und die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt. Warum haben uns die unter den Greueltaten der räuberischen Ungarn zu leidenden Menschen nicht selbst schriftliche Zeugnisse über das schlimme Geschehen hinterlassen? Warum kennen wir nur die Berichte damals lebender Chronisten, die im Schütze dicker Klostermauern das niederschrieben, was ihnen mündlich zugetragen wurde? Um diese Frage besser verstehen zu können, muß auf die mittelalterliche Lese- und Schreibkultur etwas näher eingegangen werden. Nur dann erscheinen uns die Sagen in einem verständlicheren Licht.

Im Mittelalter konnte weniger als ein Prozent der Bevölkerung lesen und schreiben, wobei das Lesen und Schreiben nicht unbedingt zusammen gehörten. Es gab Menschen, die zwar lesen aber nicht schreiben konnten und umgekehrt. Die Kunst des Schreibens beherrschten fast ausschließlich die Kleriker und dort waren auch die sog. Kopisten, die Bücher oder Schriftstücke abschreiben, aber nicht lesen konnten. Außerhalb des Klosters beherrschten nur diejenigen die Kunst des Lesens, die den höheren Kreisen des Adels und bestimmten Berufsständen der mittelalterlichen Gesellschaft angehörten. Diese Menschen ließen aber schreiben und mühten sich nicht, das Handwerk des Schreibens zu erlernen.

Die Handschriften entstanden hauptsächlich erst ab der Zeit Karls des Großen, und daß das Schreiben eine mühsame Arbeit gewesen sein muß, ist der Notiz eines Schreibers dieser Zeit zu entnehmen: „Oh glücklichster Leser, wasche deine Hände und fasse so das Buch an. Drehe die Blätter sanft, halte die Finger weitab von den Buchstaben. Der, der nicht weiß zu schreiben, glaubt nicht, daß dies eine Arbeit sei. Oh wie schwer ist das Schreiben, es trübt die Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger schreiben, der ganze Körper leidet.“

Das Mittelalter war also eine Welt, die von dem mündlichen Wort geprägt und bestimmt war. Das gesprochene Wort war die hauptsächliche Kommunikation. Das Geschriebene kam nur bei Kirche und Staat zum Tragen und auch Gesetze wurden mündlich weitergegeben. Daher hatten die Menschen im Mittelalter ein ausgeprägtes Gedächtnis. Sie hatten seinerzeit gelernt, das Gehörte sich aufmerksam einzuprägen. Man entwickelte auf diese Weise ein langes Gedächtnis.11

Und auch die Chronisten in den Klöstern, die sich bemühten, politische Ereignisse für die Nachwelt festzuhalten, mußten vieles aus dem Gedächtnis niederschreiben. So hatte sich der Mönch Widukind im Kloster Corvey erst 967 entschlossen, die Taten der Könige Heinrich I. und Otto I. aufzuschreiben. Bis dahin hatte er sich mit der Bearbeitung von Heiligenleben beschäftigt. Sein Entschluß fiel also zu einer Zeit, da die Schlacht vor den Mauern Roßtals, über die er uns berichtet hat, 13 Jahre zurücklag. Er muß das Ganze aus dem Gedächtnis niedergeschrieben haben, denn für kurze Notizen standen nur Wachstafeln zur Verfügung und das billige Papier kannte man zu dieser Zeit noch nicht. So hat ein Historiker des 19. Jahrhunderts, der sich intensiv mit der Sachsenchronik von Widukind befaßt hat, folgendes über ihn vermerkt: „Überhaupt schreibt er nur nach mündlicher Überlieferung, und deshalb hat schon seine Darstellung von Heinrichs Zeit, ja noch der Anfang von Ottos Regierung, oftmals einen ganz sagenhaften Charakter.“12

Die Ungarneinfälle von 900–926

Widukind berichtete auch über die Kriegszüge der Ungarn. Doch wie viele andere Chronisten nannte er sie Awaren, andere wiederum sprachen gar von den Hunnen, hatte man doch von den asiatischen Völkerschaften keine Kenntnis. Man übertrug einfach die Namen asiatischer Völker, die bereits lange vor den Ungarn in das westliche Europa in kriegerischer Absicht eingefallen waren und deren Namen man daher schon kannte, auf die nachfolgenden asiatischen Eindringlinge. So drangen im 5. Jahrhundert die Hunnen bis nach Frankreich vor, wo sie 451 auf den Katalaunischen Feldern geschlagen wurden. Ihr Name hatte sich über Jahrhunderte hinweg in das Gedächtnis der Menschen eingegraben, ein Zeugnis für die Kraft der mündlichen Überlieferung.

Im 6. Jahrhundert waren es die Awaren, auch ein asiatisches Reitervolk, die nun das westliche Europa verunsicherten und sich mit den Merowingern in Thüringen heftige Kämpfe lieferten. Weil sie aus dem Osten kamen, sprachen die Chronisten teilweise von den Hunnen.

Die Urheimat der Ungarn befand sich auf der Westseite des Urals, im sog. Wolga-Kama-Gebiet. Sie waren im 9. Jahrhundert in das Kerngebiet des heutigen Ungarn eingewandert. Schon ab 900 war bereits der östliche Teil der Ostmark (das heutige Österreich) durch ungarische Einfälle gefährdet. Im gleichen Jahr fielen sie auch nach Italien ein und plünderten die reichen Städte in der Poebene.

Ihr Aussehen galt als häßlich und furchterregend. Kahl rasierte Köpfe, tief liegende Augen, klein von Gestalt, häßliche Sprache und schreckliches Kriegsgeheul, so wurden sie von den zeitgenössischen Chronisten beschrieben.13 Die Ungarn kämpften nicht um Land, sondern Plünderung und Raub war ihr einziges Ziel.

Im Jahr 906 führte sie ihr Raubzug erstmals in das südöstliche Sachsen. Da die Pässe des Erzgebirges für ein Reiterheer damals noch unpassierbar waren, zogen sie durch das Quellgebiet der Weichsel und Oder und von dort westwärts nach Sachsen. Und wie Dümmler schreibt „... begleiteten viele Greueltaten ihre Spuren. Viele Männer wurden erschlagen; ganze Scharen von Frauen, gleich ob edler oder geringer Herkunft, führten sie mit sich fort, halbnackt, mit durchbohrten Brüsten, an den Haaren zusammengekoppelt wie das Vieh, nebst vielen Kindern.“14 Angst und Schrecken gingen ihnen also voraus.

Das deutsche Heer war ihrer Kampftaktik nicht gewachsen. Ihre Siege verdankten sie der großen Beweglichkeit ihrer gewandten Reiterei. Auf einen Nahkampf ließen sich die Ungarn nur notgedrungen ein, lieber lockten sie den Feind in einen Hinterhalt und empfingen ihn dort mit einem Pfeilregen.15

Bis 926 überfielen die Ungarn fast Jahr für Jahr die einzelnen deutschen Landstriche, um zu plündern und zu morden. Man nimmt an, daß sie zum Fortschaffen ihrer Beute Wagen benutzten und daher den Straßen folgten. Bayern, Franken, Schwaben, Thüringen und Sachsen waren immer wieder den Verheerungen der Ungarn ausgesetzt. Selbst bis nach Lothringen, Elsaß und Basel drangen sie vor. Für das ostfränkische Reich wurde es zu einer Lebensfrage, dieser Bedrohung Herr zu werden.

Erst 926 kam ein kleiner Wendepunkt. In diesem Jahr stellte sich König Heinrich I., wahrscheinlich in Sachsen, den Ungarn, wobei ihm das Glück entgegenkam. Ein Führer der Ungarn fiel ihm in die Hände. Mit seiner Auslieferung und einem hohen Tribut wurde ein neunjähriger Waffenstillstand erkauft, der anscheinend für das ganze Reich Gültigkeit hatte, da die Ungarn in den folgenden Jahren alle deutschen Stämme mit ihren Einfallen verschonten.

Aufrüstung im deutschen Reich

Diese Zeit der Ruhe nutzte Heinrich I. für eine Burgenverordnung, um die Abwehr im Grenzgebiet gegen künftige Überfälle der Ungarn zu stärken. In dieser Verordnung legte er unter anderem fest, daß man sich mit dem Bau bzw. Befestigung der Burganlage Tag und Nacht zu beschäftigen habe und die Gerichtstage und alle übrigen Versammlungen und Festgelage in der Burg abzuhalten sind.16

Auch in Roßtal wurde die Burg in erheblichen Umfang, wie die Ausgrabungen bezeugen, verstärkt. Der aus losen Sandsteinen zusammengefügten Burgmauer wurde eine zweite ca. 1,1 m breite gemörtelte Mauer vorgesetzt und der Zwischenraum mit Steinen aufgefüllt. Die gesamte Breite der steinernen Mauerfront betrug nun zwischen 1,7 und 2 m. Im Südostbereich der Befestigung – gegenüber der heutigen Spitzweed, dem gefährdetsten Teil der Burganlage – war ein 12 m breiter und 3,5 m tiefer Spitzgraben vorgesetzt. Zwischen dem Graben und der Mauer verlief in diesem Bereich eine 5,5 m breite Berme (ein stufenförmiger Absatz, um ein Abrutschen der Mauer zu verhindern). Es war eine gewaltige und wohl uneinnehmbare Festung.

Peter Ettel, der die Ergebnisse der Grabungen aus den Jahren 1966 bis 1993 in Roßtal in seiner Habilitationsschrift bearbeitet hat, fügt im Anschluß an seine Beschreibung der Befestigungsanlage den Satz an: „Vielleicht haben auch die Ungarn diese große Befestigung ein Jahr danach (955) berannt, wie Veit Arnpeck berichtet.“ Mit „danach“ meint er den Kampf König Ottos I. vor Roßtal ein Jahr zuvor.17

Es ist anzunehmen, daß man an der Erweiterung der Festungsanlage mit dieser Mächtigkeit mehrere Jahre gearbeitet hat. Roßtal muß daher damals eine große strategische Bedeutung gehabt haben. Schließlich lag Roßtal im Grenzgebiet zu Bayern an einer wichtigen Fernhandelsstraße, die von Regensburg nach Frankreich führte, den Osten also mit dem Westen verband und einem feindlichen Heer ein schnelles Eindringen in das damalige ostfränkische Reich ermöglichte.

Erneute Ungarneinfälle 933–955

6 Jahre nach Beginn dieser Rüstungsmaßnahmen fühlte sich König Heinrich I. stark genug, um den Ungarn nun Widerstand leisten zu können, ein kleiner Hinweis, wie lang man wohl auch in Roßtal an der Erweiterung der Befestigungsanlage gebaut hat. Er stellte die Tributzahlungen an die Ungarn einfach ein. Wie erwartet, erschienen die Ungarn schon ein Jahr später, im Frühjahr 933, mit einem großen Heer. Sie teilten sich in zwei Gruppen auf und fielen in das südliche Sachsen und das östliche Thüringen ein. Hierbei errang König Heinrich I. einen bedeutenden Sieg. In dieser Zeit entstand wohl auch die Sage, auf die eingangs hingewiesen wurde.

Dieser Sieg muß die Ungarn sehr geschwächt haben, denn der nächste große Einfall fand erst 4 Jahre später im Jahr 937 statt. König Heinrich I. war ein Jahr zuvor gestorben und vielleicht fühlten sich die Ungarn dadurch gestärkt. Sie drangen zunächst nach Franken ein, wo sie sich wahrscheinlich zunächst in mehrere Gruppen geteilt hatten. Während die einen Schwaben heimsuchten, versuchten die anderen nach Sachsen einzubrechen. Otto I., der neue König, soll sie bei Worms geschlagen haben und trotzdem drangen sie anschließend in das französische Land ein und richteten dort entsetzliches Unheil an.

938 ritten die Ungarn noch einmal nach Sachsen, doch danach brachen die Raubzüge plötzlich ab. Die Erfolge König Ottos I. flößten ihnen wohl Respekt ein. Als jedoch mit dem Tode des bayerischen Herzogs Arnulf im Jahr 937 Bayern militärisch geschwächt war, überzogen sie in den folgenden Jahren die Ostmark (das heutige Österreich), die damals unter der Herrschaft Bayerns stand, mit ihren Raubzügen. Im Jahr 951 durchzogen sie Oberitalien und gelangten bis nach Südfrankreich.

Bevor ich nun auf den vorletzten Raubzug der Ungarn im Jahr 954, von dem auch Roßtal betroffen war, näher eingehe, ein kurzer Rückblick. Ein halbes Jahrhundert lang lebten die Menschen in Mitteleuropa in großer Angst. Ein Reitervolk, dessen Herkunft sie nicht kannten und das ihnen vom Aussehen und Sprache mehr als fremd erschien, ja ihr Äußeres schon, wie die Chronisten geschildert haben, sie in Schrecken versetzte, raubten und plünderten, verbrannten und zerstörten Kirchen, Klöster und Häuser, verschleppten Frauen und Kinder, töteten die Männer, ob alt oder jung und Jahr für Jahr mußten die Menschen gewärtig sein, daß dieses unheimliche Volk aus dem Osten wieder Unheil bringend über sie hereinbrechen würde. Diese Angst muß sich tief in das Bewußtsein der Menschen eingeprägt haben.

Die Ungarn in Franken

Auch Franken wurde von den Ungarn nicht verschont. Dreimal zogen sie auf ihre Art durch das Land, 912 und 915 auf ihrem Weg nach Thüringen und Sachsen und schließlich 937, als sie wieder die nördlich von Franken gelegenen Länder mit Mord und Raub überzogen. Das damalige Franken hatte allerdings eine größere Ausdehnung als heute. Östlich wurde Franken vom Nordgau, der heutigen Oberpfalz begrenzt (gehörte zum Herzogtum Bayern), südlich vom Herzogtum Schwaben, das auch das Elsaß umfaßte. Westlich schloß sich das Herzogtum Oberlothringen an.

Ob bei diesen frühen Einfällen der Ungarn auch Burgen bedroht wurden, ist nicht bekannt. Man weiß nur, daß sie anfangs noch nicht über Sturmgeräte verfügten, weshalb Mauern und Burgen der Bevölkerung noch einen wirksamen Schutz boten. Doch schon immer gefährlich waren ihre Brandpfeile. Erst später entwickelten und nutzten sie Sturmgeräte.18 Ob auch Roßtal schon in dieser Frühzeit von den Ungarn heimgesucht wurde, wissen wir nicht. Da aber das räuberische Reitervolk in den ersten Jahrzehnten seiner Überfälle Belagerungen von Burgen aus dem Wege ging – das entsprach nicht ihrer erprobten Kampftaktik – ist die Wahrscheinlichkeit gering. Doch vieles spricht dafür, daß die Belagerung und Zerstörung Roßtals, von der unsere Erzählung berichtet, sich im Jahr 954 ereignet hat, im gleichen Jahr, in dem der Kampf König Ottos I. gegen die Anhänger seines aufständischen Sohnes Liudolf vor den Toren Roßtals stattgefunden hat.

Die Rebellion Liudolfs gegen seinen Vater hatte diesen in große Bedrängnis gebracht. Was war geschehen? König Otto I. hatte schon gleich nach dem Tode seiner Gemahlin seinem Sohn die Thronfolge (946) zugesagt. Doch schon 5 Jahre später (951) heiratete der König wieder. Es war eine Burgunderin, jung und ehrgeizig zugleich, Witwe des König Lothars von Italien. Bald gebar sie ihm einen Sohn, weshalb Liudolf um die Thronfolge bangte. Er fand unter anderem auch einen Verbündeten in Pfalzgraf Arnulf, der sich ebenfalls durch König Otto I. betrogen fühlte. Denn als Arnulfs Vater, Herzog Berthold von Bayern starb, setzte der König, um seine Machtstellung in Bayern zu stärken und dem Reiche einzugliedern, nicht ihn, den Sohn Bertholds, sondern seinen königlichen Bruder Heinrich als Herzog ein. Regensburg wurde nun eine Zeitlang das Standquartier der Aufrührer. In der Folgezeit kam es zu Kämpfen zwischen den Aufständischen und dem König, die sich u. a. um Regensburg konzentrierten. Man weiß aber nicht viel darüber.19

Die Ungarn, die schon seit längerer Zeit das Reich verschonten, glaubten, die scheinbar militärische Schwäche des deutschen Königs für einen neuen Raubüberfall nutzen zu können und brachen im Februar 954 nach Bayern auf. Der sächsische Chronist Widukind hat darüber wie folgt berichtet:

„Unterdessen hörte er (König Otto), daß die Avaren in Bayern eindrängen, sich mit seinen Gegnern verbänden und sich anschickten, ihn zu offener Feldschlacht herauszufordern. Aber er blieb in solcher Bedrängnis ganz unerschüttert und vergaß nie, daß er durch Gottes Gnade Herr und König sei; vielmehr sammelte er eine gewaltige Schar und zog dem wilden Feind entgegen. Sie wichen ihm aber aus, durchstreiften, nachdem sie von Liudolf Führer erhalten hatten, ganz Franken, und richteten eine solche Verheerung an, zuerst unter ihren eigenen Freunden, daß sie einem namens Ernust, der zur feindlichen Partei gehörte, von seinen hörigen Leuten mehr als tausend Gefangene wegschleppten; sodann aber unter allen übrigen, so daß es unglaublich zu sagen ist. Am Sonntag vor Ostern (16.3.954) wurde ihnen zu Worms öffentlich aufgewartet und sie mit reichen Gaben an Gold und Silber beschenkt. Von da zogen sie nach Gallien und kehrten auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurück.“

In einer Rede an die Versammelten des Reichstages zu Langenzenn am 16. Juni, also wenige Monate danach, sagte König Otto I. laut Widukind u.a. folgendes: „Eben haben sie (gemeint sind die Ungarn) mein Reich verödet, das Volk gefangen oder getötet, die Städte zerstört, die Kirchen verbrannt, die Priester erwürgt; noch triefen vom Blut die Straßen, ...“.

Soweit die schriftlichen Zeugnisse über das zerstörerische Wirken der Ungarn im damaligen Franken, ein Jahr vor ihrer endgültigen Niederschlagung auf dem Lager Lechfeld. Die Frage ist nun, ob zwischen der Schilderung Widukinds und der Sage über die Zerstörung Roßtals durch die Ungarn ein Zusammenhang besteht.

Anknüpfungspunkt hierfür ist der Name Ernst, von dem Widukind spricht, dem die Ungarn mehr als tausend hörige Menschen raubten. Wer war dieser Ernst? Manche Historiker vermuten, daß es sich um den Grafen Ernst von Sualafeld gehandelt haben kann, doch ist diese Frage bis heute nicht geklärt. In unserer Sage spielt ein Herzog Ernst, der vor den Mauern Roßtals von einem Pfeil tödlich getroffen wurde, ebenfalls eine gewichtige Rolle.

Zunächst drängt sich die Frage auf, welchen Weg die Ungarn wählten, um nach Franken zu kommen. Unser Chronist schreibt ja, daß sie, nachdem Liudolf, Sohn des Königs Ottos I., ihnen einen Führer beigab, ganz Franken durchstreiften und einige Zeit später sich bereits in Worms befanden. Können sie auf ihren Streifzügen durch Franken auch Roßtal berührt haben oder ist das völlig ausgeschlossen?

Die Mächtigkeit der Burganlage Roßtals und ihre Grenzlage zu Bayern weist auf eine wichtige strategische Bedeutung hin, die sie im frühen Mittelalter innegehabt haben muß. Es müssen die zwei wichtigen Fernhandelsstraßen gewesen sein, die Roßtal berührten. Die eine Straße führte von Regensburg direkt nach Roßtal und von dort in westlicher Richtung über Worms nach Frankreich. Worms liegt etwa 250 km von Roßtal entfernt. In diese Straße mündete unterhalb der Roßtaler Burg ein weiterer Fernhandelsweg, der das westliche Reich mit den östlichen Ländern und der Stadt Prag verband.

Eine dritte uralte Handelsstraße führte in einer Entfernung von 2,5 km westlich an Roßtal vorbei. Die Historiker nennen ihn den Mittelgermanischen Weg, der von Italien kommend nordwärts führte, vermutlich bis zur Ostsee. Der Weg überquerte bei Donauwörth die Donau.

Für die Ungarn gab es aber noch eine weitere Möglichkeit, um aus dem Raum Regensburg in das östliche Franken zu gelangen. Es führte damals eine wichtige Verbindung von Regensburg über Lauterhofen, wo Karl Martell einen Königshof errichtet hatte, nach Forchheim und von dort weiter nach Frankfurt. Diese Straße wurde von den Königen auf ihrer Reise zum Reichstag nach Frankfurt des öfteren benutzt. Sie kreuzte den von Roßtal nach Böhmen führenden Weg zwischen Altdorf und Alfeld in der heutigen Oberpfalz. Auch in diesem Fall konnten die Ungarn die Route nach Worms wählen und kamen damit zwangsläufig an Roßtal vorbei.

Mehrere Wege standen demnach den Ungarn zur Verfügung, um nach Roßtal zu gelangen. Und da sie einzig nach Raub und Beute strebten, werden sie sicherlich auch Kunde von der Burg Roßtal bekommen haben. Eine Burg dieser Größe versprach große Beute, die sich ein räuberisches Volk wie die Ungarn nicht entgehen lassen konnte. Wie die neueren Ausgrabungen zeigen, war die Burg bereits in karolingischer Zeit großräumig genutzt. Handwerk und Landwirtschaft waren hier schon früh angesiedelt, wovon die Spuren von Grubenhäusern und einem Getreidespeicher zeugen. Und vergessen wir nicht, Roßtal war eine Urpfarrei mit einer Kirche, die sicherlich manche Kostbarkeit in sich barg, zumindest nach den Vorstellungen der Ungarn, die ja gezielt danach suchten.

Man kann dem entgegenhalten, daß es in Franken viele Burgen gab. Doch eine solche Meinung ist von der heutigen Vorstellung einer Burgenlandschaft mit vielen Ritterburgen geprägt, wie man sie vor allem noch in Franken vorfindet. Diese vielen Ritterburgen wurden allerdings erst im späten Mittelalter gebaut.

Die Burgenlandschaft in der ottonischen Zeit war eine andere. Im Umkreis von Roßtal lag die Burg auf dem Hesselberg (Luftlinie 45 km) am nächsten. Die Burg der Grafen von Schweinfurt in Oberammerthal lag 65 km von Roßtal entfernt und dann folgte die Burg in Schweinfurt (Luftlinie 90 km). Die Burg auf dem Hesselberg wurde auch zur Zeit der Ungarneinfälle zusätzlich befestigt. Für unseren Fall ist es interessant, daß man dort bei Ausgrabungen ungarische Pfeilspitzen gefunden hat. Auch in Roßtal hat man 1869, wie uns Rohn berichtet, Gegenstände der Ungarn gefunden. Doch wurde uns nicht die Art und Beschaffenheit der Funde hinterlassen.

Daß die Ungarn Roßtal belagert haben könnten, wird durch ein weiteres Indiz untermauert. König Otto I. hatte im Februar, als er sich in seinem Stammland Sachsen aufhielt, von dem Eindringen der Ungarn nach Bayern gehört. Von Widukind wissen wir, daß er sofort eine große Kriegerschar um sich sammelte und dem wilden Feind entgegen ritt. Doch sie wichen ihm immer wieder aus und durchstreiften ganz Franken. So entkamen sie dem König, denn Mitte März 954 waren sie bereits in Worms. Da drei Monate später (16. Juni 954) der Reichstag in Langenzenn stattfand, muß König Otto I. ihn schon bald nach dem Verschwinden der Ungarn einberufen haben. Denn es mußten ja alle stimmberechtigten Fürsten, wozu auch die Fürstbischöfe zählten, eingeladen werden und bis diese mit ihrem Gefolge aus dem ganzen Reich den Ort der Reichsversammlung erreichten, vergingen wohl einige Wochen oder Monate. Der König muß daher bei der Verfolgung der Ungarn bis in die Nähe von Langenzenn gekommen sein. Die Annahme, daß die Ungarn kurze Zeit zuvor diese Gegend durchstreiften, ist aus diesem Grund wohl berechtigt.

Zum besseren Verständnis muß jetzt auf die Sage näher eingegangen werden, die viele nur in der Kurzfassung kennen. In ausführlicher Form begegnet uns die Sage in einem Gutachten des Roßtaler Richters Brunnemann, das dieser im Jahre 1620 verfaßt hat.

Doch etwas mehr als 100 Jahre zuvor, zwischen 1491 und 1495, wurde schon einmal von den Ungarn in Roßtal schriftlich berichtet. Es war Veit Arnpeck, ein bayerischer Historiograph von hohem wissenschaftlichen Rang. Er hatte in Wien studiert, war Pfarrer in Landshut und Freising und schrieb von 1491 bis 1495 an einer Bayerischen Chronik (Chronica Baioariorum). Zwischen dem Blatt (Folium) 345 und 346 fand sich ein eingehefteter Zettel mit folgender Notiz:

„In dem Gebiet des Nürnberger Burggrafen im Dorf Roßtal 2 Meilen von Nürnberg entfernt zwischen Cadolzburg und Ansbach ist ein sehr wertvolles Gotteshaus mit 9 Altären, dem keines ähnlich ist auf 15 Meilen (112 km) in keinem Dorfe bei Nürnberg. In seinem Chor ist Ernst, Herzog von Bayern, bestattet mit folgendem Epitaph:

In diesem Felsen liegt Herzog Ernst bestattet.
Daß ihm Ruhe gegeben werde, so möchten alle Gläubigen erflehen. Gib Ruhe, Christus! Möchte immer mit dir sein dieser hier!

Sein Jahresgedächtnis wird alljährlich begangen an den Vigilien des hl. Laurentius. Allein durch Zusammenschlagen aller Glocken dreimal wird es begangen.

Ebenso ruht seine Gemahlin Irmelgard unterhalb des Chors, über deren Grabstätte ein Altar zu Ehren der hl. Jungfrau Maria geweiht ist. Sie wird von vielen Gläubigen besucht. Auch hat sie nicht einen Jahresgedächtnistag, sondern nur elf Gedächtnis mit Zusammenschlagen aller Glocken an Quadragesima nach Art ihres Gemahls und Herren.“

Es folgt ein weiterer Satz wie folgt: „Ferner hatte dieser Fürst eine Burg (castrum) in Roßtal, welche die Ungarn mit großer Macht belagert haben.“20

Die Aussage von Arnpeck über die Belagerung Roßtals durch die Ungarn kann nicht auf dem Bericht von Widukind, auch wenn er die Sachsenchronik inhaltlich gekannt haben sollte, fußen, da ja Widukind Roßtal im Zusammenhang mit den ungarischen Einfällen nicht als Belagerungsort oder Kampfstätte genannt hat. Arnpeck muß also entweder über eine schriftliche und zwischenzeitlich verlorengegangene Quelle verfügt haben oder es wurde ihm mündlich zugetragen, was nichts ungewöhnliches seinerzeit gewesen ist, wie meine Ausführungen zur Schreib- und Lesekultur im Mittelalter eingangs gezeigt haben.

Nun der ausführliche Wortlaut der Sage nach Brunnemann: „Als die Stadt von den Hungern und Matzen (davon haben Hunger- und der Matzenberg ihren Namen bekommen) belagert worden ist, hat ein Herzog von Bayern dieselbe entsetzt und den Feind geschlagen und seines Sieges sicher, ritt er auf die Wallstatt, um die Erschlagenen zu sehen (wovor ihn seine Gemahlin oder andere getreue Räte abgeraten hatten) und der darauf von einem unter den Toten und Verwundeten liegenden Ungarn, der seinen Bogen noch gespannt gehabt, mit einem Pfeil durch sein Visier geschossen und ihn tötete. Daraufhin wendete sich der Feind wieder gegen die Stadt und eroberte sie. Der Herzog aber wurde dort, wo jetzt die Kirche steht, begraben.“ Brunnemann schreibt weiter: „Ob nun dem so gewesen ist oder nicht, weiß niemand so genau. Doch es ist nicht von Übel, dem zu glauben, denn mitten in der Kirche ist ein steinerner Sarg, darin dieser Herzog Ernst von Bayern, wie die Grabinschrift und Contrafaktur zu erkennen gibt, begraben liegt. Es ist anzunehmen, daß danach die Kirche neu gestiftet und von den Einwohnern wieder neu aufgebaut wurde.“21

In dem gleichen Gutachten findet sich ein weiterer Text über die damals noch vorhanden gewesenen Spuren der Befestigung auf dem oberen Markt und auf dem Hunnenberg:

„Wie aber und wann Roßtal erbaut wurde, darüber ist nichts zu finden. Doch darf man davon ausgehen, daß es wohl eine Stadt gewesen ist und von den Hungern und Matzen belagert, letztendlich auch genommen und verwüstet wurde. Davon zeugen nicht allein die Reste runder Türme und Ringmauern, sondern auch andere verfallene Gräben und Wälle, wie auch das aus dieser Zeit verbliebene Hochgericht. Daß Roßtal außerdem belagert wurde, gibt eine aufgeworfene Schanze auf dem Hungerberg (welcher seinen Namen von daher bekommen haben soll) noch zu erkennen, wie denn auch noch vor wenigen Jahren noch Totenbeine ausgeackert und hungarische Pferdehufeisen gefunden wurden.“

Richter Brunnemann hatte das Gutachten für die markgräfliche Regierung in Ansbach verfaßt. Es ging um die Vogteiherrschaft über den Ort Vincenzenbronn, die das Amt Cadolzburg dem Roßtaler Richteramt streitig machen wollte. In einer Überschrift schickte er voraus, daß sein im Gutachten zusammengetragenes Wissen über die Vergangenheit Roßtals teils aus alten Gerichtsbüchern, teils aus Überlieferungen stammt. Die Erinnerung an die Belagerung Roßtals durch die Ungarn muss noch sehr groß gewesen sein, sonst hätte Richter Brunnenmann nicht so ausführlich über das fast 700 Jahre zurückliegende Geschehen berichten können. Das Erinnerungsvermögen der Menschen im Mittelalter war eben anders als heute. Das ist wohl auch der Grund, daß der für seine Zeit gebildete und sicherlich auch im kritischen Denken geschulte Richter seinen Bericht über die Vergangenheit Roßtals so überzeugend mit den Worten beginnen konnte: „Als die Stadt von den Hungern und Matzen belagert worden ist ...“. Er scheute sich aber auch nicht, in seinem Gutachten gedanklich dort Fragezeichen zu setzen, wo er Zweifel oder keine genaue Kenntnis hatte.

Zunächst muß auf den Hunnenberg und den Matzenberg näher eingegangen werden, weil Brunnemann die Namen beider Erhebungen auf die Belagerung Roßtals durch die Ungarn zurückführt. Zwischen beiden Höhen verlief damals der Fernhandelsweg nach Regensburg. Dieser uralte Weg ist mit dem heutigen Verlauf der Hoch-, Wegbrücken- und Felsenstraße identisch. Sie führte unmittelbar an dem Burgeingang vorbei und war wohl die schwächste Verteidigungsstelle der Burg. Die Ungarn brauchten also, wenn sie aus südöstlicher Richtung kamen, nur nach links und rechts auszuschwärmen und schon konnten sie von den beiden Hügeln aus in das Innere der Burganlage sehen und alles beobachten, ohne selbst überraschend angegriffen werden zu können, wobei ihnen zu Hilfe kam, daß sie die Sonne stets im Rücken hatten. Von hier aus konnten sie aber auch mit ihren Brandpfeilen gezielt in die Burg hineinschießen, denn eine Erstürmung dieser Festung, die wenige Jahre zuvor außerordentlich verstärkt wurde, war mit den damaligen technischen Hilfsmitteln kaum möglich. Über die Schußweite der ungarischen Pfeile ist leider nichts bekannt, zumindest war darüber nichts zu finden. Von den Skythen, einem nomadischen Reitervolk der südrussischen Steppe weiß man aber, daß sie in Wettkämpfen Schußweiten von mehr als 520 m erzielten.22 Die Entfernung zwischen der Kirche und den beiden genannten Bergen beträgt aber jeweils nur rund 350 m. Für das Abschießen von Brandpfeilen, wie sie von den Ungarn verwendet wurden, waren sie strategisch zwei äußerst günstige Standorte.

Der Hunnenberg wurde im 17. Jahrhundert auch als Hungern- bzw. Hungarnberg bezeichnet.23 Seinen Namen hat der Berg nicht von den Hunnen, sondern von den Ungarn, die man fälschlicherweise damals als Hunnen bezeichnete. Allerdings gibt es über die Herkunft dieses Namens auch andere Meinungen. So schreibt Kreutzer24, daß sich der Flurname „Hunnenberg“ auf die germanische Hundertschaft bezieht. Es war seinerzeit eine weitverbreitete Ansicht, daß sich die germanischen und wehrfähigen Siedler zu Hundertschaften zusammengeschlossen haben. Ihr Anführer wurde Hunno oder Hundo genannt, abgeleitet von dem Ausdruck „huntari“. Doch diese Annahme ist zwischenzeitlich widerlegt25. Außerdem hatte man früher für Flurnamen keine militärischen Titel herangezogen.

Die aufgeworfene Schanz auf dem Hunnenberg, von der in der Erzählung berichtet wird, ist kein Hinweis auf die Ungarn, da sie dort auf der Höhe militärisch keinen Sinn gibt und auch der kriegerischen Taktik der Ungarn widersprechen würde. Vielleicht sind es Reste einer keltischen Anlage gewesen oder aber auch spätmittelalterlichen Ursprungs, denn die Pferde der Ungarn waren seinerzeit noch nicht mit Hufeisen beschlagen, die man bei dieser Schanze gefunden haben will.

Eine andere Version, die von Flurnamenforschern vertreten wird, besagt, daß ein solcher Flurname von dem Wort „hûne“, das Hüne bzw. Riese bedeutet, abgeleitet ist.26 Doch dieser Meinung steht entgegen, daß dieses Wort aus dem niederdeutschen, also nicht aus dem süddeutschen Raum, stammt. Hinzu kommt, daß man unseren Hunnen- bzw. Ungarnberg nicht als riesig oder von der Erscheinungsform her als unheimlich bezeichnen kann. Ganz im Gegenteil, unser Hunnenberg ist nur Teil einer Hochfläche, deren höchster Punkt weiter östlich dieser Flur liegt. Es muß also ein besonderer Grund vorgelegen haben, daß die damaligen Bewohner der Roßtaler Burg diese Teilfläche unterhalb des höchsten topographischen Punktes als Hunnenberg bezeichnet haben. Denn rund um Roßtal gibt es noch ähnliche Hochflächen, die aber namenlos geblieben sind.

Was wissen wir über den Matzenberg? Brunnemann schreibt nur, daß der Hunger- und der Matzenberg ihren Namen von den Hungern und Matzen bekommen haben, als Roßtal von diesen belagert wurde. In dem Roßtaler Heimatbuch wird in einer Fußnote die Volksbezeichnung „Matzen“ mit dem Namen „Madjaren“ gleichgesetzt.27 Es ist das heutige Wort für die Magyaren. Madjaren haben sich aber nur die Ungarn selbst genannt, ein Name, der damals den anderen Völkern unbekannt war. Der Name „Ungarn“ hingegen geht auf die Slawen zurück, die im 10. Jahrhundert in ihrer mittelbaren Nachbarschaft lebten.28

Man sprach also nur von den Ungarn oder Awaren, seltener von den Hunnen. Daher erscheint auch in keiner zeitgenössischen Chronik der Name Madjaren. Es ist ein Wort aus dem finnisch-ugrischen29 Sprachkreis, steht also in keiner Verwandtschaft zu den indoeuropäischen Sprachen. Von daher dürfte es den Bewohnern Roßtals schwergefallen sein, diesen Namen fehlerfrei zu übernehmen, weshalb im Volksmund aus dem Wort Madjaren wahrscheinlich das Wort Matzen wurde.

Man kann vielleicht einwenden, daß der Name einen anderen Ursprung hat, dessen Bedeutung man nicht mehr kennt. Dafür gibt es nicht wenige Beispiele. Doch Brunnemann schreibt, ohne einen Zweifel für dieses ungewöhnliche Wort erkennen zu lassen, von den Matzen, die die Stadt belagerten. Man hatte mit Sicherheit zur damaligen Zeit ein vertrauensvolleres Verhältnis zu den Erzählungen aus dem Volk und die Tatsache, daß das Wort Matzen über Jahrhunderte hinweg sich in unserer Erzählung erhalten hat, ist wohl ein Beweis für die Richtigkeit dieser Wortdeutung.

Ein zweites Argument kommt noch hinzu. Es kann doch kein Zufall sein, daß zwei Berge, unbedeutend in ihrer Erscheinung, links und rechts der alten Handelsstraße liegend, gleichsam die Burg bewachend, Namen tragen, die auf die Ungarn verweisen. Es bleibt aber die Frage, auf welche Weise die Roßtaler von der Bezeichnung Madjaren Kenntnis bekommen haben. Hier können nur Vermutungen angestellt werden, die aber nicht von der Hand zu weisen sind. So kann man durch gefangengenommene Ungarn dieses Wort erfahren haben oder von Verwundeten, die von ihren Kriegsgenossen zurückgelassen wurden. Festzuhalten bleibt, daß der Hunnen- bzw. Ungarnberg und der Matzenberg aufgrund meiner Ausführungen ein wichtiges Indiz dafür sind, daß Roßtal von den Ungarn einmal belagert wurde.

Es stellt sich die Frage, wann die Belagerung Roßtals stattgefunden haben kann, im Frühjahr 954, also wenige Monate vor dem Reichstag in Langenzenn oder bei einem der früheren Ungarneinfälle? Für diese Frage kann uns eventuell der Name Ernst weiter helfen, der sowohl bei Brunnemann als auch bei Widukind Erwähnung findet, ohne daß uns die Identität beider Männer zunächst bekannt ist.

Nach der Erzählung Brunnemanns hat ein Herzog aus Bayern die Stadt – gemeint ist hier Roßtal – von den Ungarn befreit. Als er das Schlachtfeld mit all den Toten besichtigte, hat ein verwundeter Ungar den Bogen gespannt, den Pfeil durch dessen Visier geschossen und den Herzog tödlich getroffen. Durch diesen tödlichen Schuß wendete sich das Kriegsglück und die Ungarn eroberten die Stadt Roßtal.

Der Herzog wurde in der Kirche begraben. Nach der Schrift auf dem Grabstein soll es sich um Ernestus, Herzog von Bayern, gehandelt haben. Doch die Historiker sind sich einig, daß es sich bei dem in Roßtal begrabenen Herzog um den Herzog Ernst handelt, der 861 auf dem Reichstag in Regensburg von König Ludwig dem Frommen auf die Burg Roßtal in die Verbannung geschickt wurde. Mit dem Schuß durch das Visier wird etwas Symbolhaftes zum Ausdruck gebracht. Ein Ritter öffnete nämlich dann sein Visier, wenn er sich zu erkennen gab oder um zu grüßen. Diese Handbewegung hat sich übrigens bis heute als militärischer Gruß erhalten. Ein Schuß durch das geöffnete Visier wurde als feig und hinterhältig angesehen. Es ist also mehr ein Gleichnis, mit dem man das Wesen der Ungarn beschreiben wollte. Doch trug man damals noch einen offenen Helm. Der geschlossene Helm mit Visier kam erst im Hochmittelalter mit dem Entstehen des Rittertums in Gebrauch.

Wer war nun dieser Ernst in unserer Sage? Gab es ihn wirklich oder ist er lediglich ein Phantasiegeschöpf späterer Generationen, um die Erzählung auszuschmücken? Oder wußte man nur zu wenig von ihm? Wie berichtet wird, war er ein Herzog aus Bayern, der die Stadt Roßtal entsetzte, eine Stadt, die in Franken lag, wenn auch im Grenzbereich zu Bayern bzw. dem Nordgau.

Nach Widukind hatte Liudolf den Ungarn Führer beigegeben, mit denen sie gemeinsam Franken durchstreiften. Doch plötzlich wandten sich die Ungarn gegen diese Freunde, richteten bei diesen eine große Verheerung an und nahmen einem dieser Leute namens Ernst mehr als tausend Hörige weg und verschleppten sie. Mehr schreibt Widukind über ihn nicht. Die Zahl Tausend ist natürlich eine Übertreibung und ist als ein Synonym für „viel“ anzusehen. Aber auch das dürfte noch eine Übertreibung sein. Daß er vornehmer Herkunft gewesen sein muß, ergibt sich aus der Tatsache, daß seine Hörigen bzw. Unfreien in Gefangenschaft der Ungarn gerieten und verschleppt wurden. Er selbst blieb unverwundet und frei, jedenfalls geht aus Widukinds Bericht nichts weiteres hervor.

Könnte dieser Ernst, übrigens ein häufiger Name im frühen Mittelalter, nicht der Führer der Burgbesatzung von Roßtal gewesen sein? Diese Frage ist nicht abwegig, denn eine Burgbesatzung war kein reines Kriegervolk. Widukind hat uns eine Burgenverordnung König Heinrichs hinterlassen, die dieser zwei Jahrzehnte zuvor mit der Anweisung, die Burgen zum Schutze gegen die Ungarn zu verstärken und zusätzlich zu befestigen, vorgab. In dieser Anweisung wurden die Soldaten verpflichtet, auf den Burgen Wohnungen für sich zu errichten, zu säen und zu ernten und die Früchte an ihrem Platz aufzubewahren, d. h. für den Winter vorzusorgen. Die Gefolgsleute des Burgherrn waren also Krieger, Handwerker und Bauern zugleich, die sicherlich auf Lebenszeit oder zumindest für lange Zeit mit ihren Familien auf der Burg lebten.

Von Widukind wissen wir, daß die Besatzung Roßtals mit seinem Burgherrn sich dem aufständischen Sohn König Ottos angeschlossen haben muß. Denn als der König seinen Sohn Liudolf verfolgte, als dieser von Langenzenn nach Regensburg flüchtete, wurde er von dessen Anhängern vor der Burg Roßtal in einen Kampf verwickelt, um Liudolf auf seiner dreitägigen Flucht einen zeitlichen Vorsprung zu verschaffen. Über diesen Kampf hat Widukind in seiner Sachsenchronik berichtet, wodurch Roßtal bzw. Horsadal erstmals schriftlich genannt wurde.

Kann dieser Burgherr und Freund des aufständischen Liudolfs nicht dieser Ernst gewesen sein, von dem Widukind in Zusammenhang mit dem Einfall der Ungarn nach Franken berichtet hat und der in der Erzählung des Roßtaler Richters Brunnemann als Herzog aus Bayern bezeichnet wird? Schließlich lagen beide Ereignisse nur wenige Monate auseinander. Bei Widukind heißt es weiter, daß sich die Ungarn zunächst von Freunden Liudolfs nach Franken führen ließen. Plötzlich wandten sie sich gegen diese Freunde und richteten unter ihnen Verheerungen an. Das muß aber einen Grund gehabt haben und kann nicht auf freiem Feld geschehen sein. Die Ungarn wollten nichts anderes als nur Beute und vermutlich Frauen und Kinder als billige Sklaven. Sie müssen also auf ihrem Weg durch Franken etwas entdeckt haben, das ihre Gier nach Beute weckte.

Konnte das nicht die Roßtaler Burg gewesen sein, die, wie wir festgestellt haben, von den Anhängern Liudolfs besetzt war? Das würde auch den plötzlichen Sinneswandel der Ungarn erklären, die sich auf einmal mit kriegerischen Absichten gegen die Leute wandten, die sie eben noch freundschaftlich durch ein fremdes Land führten. Damit wäre auch erklärt, warum sie die hörigen Leute von Ernst gefangennahmen, mehr als tausend, wie Widukind mit einer gewissen Übertreibung sagt. Es müssen Hörige gewesen sein, die in Roßtal und Umgebung wohnten und lebten.

Wer war nun dieser Ernst? Hierüber gibt vielleicht eine Urkunde König Ottos vom 12. Juni 959 näheren Aufschluß. Danach hatte ein Graf Ernst Erbrechte in den Dörfern Auhausen (bei Wassertrüdingen) und Westheim (bei Heidenheim). Wegen seines aufständischen Verhaltens gegen den König wurde dieses Erbrecht einem Getreuen namens Hartmann zu Eigen geschenkt.30 Dieser Besitz lag im Gau Sualafeld. Auf diesen Zusammenhang hat bereits Ortegel in seiner Abhandlung über die Irmingard von Hammerstein hingewiesen.31

In der Erzählung des Richters Brunnemann ist aber von einem Herzog Ernst von Bayern die Rede und nicht von einem Grafen. Wer hat nun recht? Um der Wahrheit näher zu kommen, muß das Rad der Geschichte um knapp hundert Jahre zurückgedreht werden. Im Jahre 861 wurde auf dem Reichstag zu Regensburg von König Ludwig dem Deutschen ein Markgraf Ernst – von zeitgenössischen Chronisten wurde er als „dux“ bzw. Herzog von Bayern bezeichnet – wegen Untreue seiner Ämter und Lehen beraubt und in die Verbannung nach Roßtal geschickt.32 Die Historiker sind sich einig, daß dieser Herzog mit seiner Gemahlin Irmingard dort auch seine Grabstätte hatte. Im Volksmund wurde sicherlich aus diesem Grund aus dem Ernst, der vor den Toren Roßtals gegen die Ungarn kämpfte, der Herzog Ernst, der dort in der Verbannung starb.

Man darf auch annehmen, daß die Ungarn die Burg Roßtal nicht überrannt und eingenommen haben, denn die dicken Mauern machten die Festung uneinnehmbar. Trotzdem dürfte über die Menschen innerhalb der Mauern großes Leid gekommen sein, da die aus Holz errichteten Häuser durch die Brandpfeile der Belagerer ein Opfer der Flammen wurden. Bei dem wenigen Wasser, das oben auf dem Berg zur Verfügung stand, muß wahrscheinlich eine Feuersbrunst geherrscht haben.

In welchem Umfang die Kirche dabei zu Schaden kam, weiß man nicht. In der Sage wird nur gesagt, daß nach der Belagerung und Zerstörung Roßtals die Bewohner mit dem Wiederaufbau der Kirche begonnen haben. Das würde auch erklären, warum die Roßtaler Kirche, eine der wenigen Urkirchen in dieser Gegend, nicht, oder besser gesagt, nicht mehr dem heiligen Martin, dem Nationalheiligen der Franken, geweiht ist. Da die Ungarn am Laurentiustag des Jahres 955 endgültig und erfolgreich geschlagen wurden, hat man in der Folgezeit die wieder aufgebauten Kirchen dem Laurentius geweiht. Es ist auch kein Zufall, daß die an alten Heerstraßen gelegenen Kirchen diesem Heiligen geweiht sind, nutzten doch die Ungarn diese Wege, um auf ihren Raubzügen schneller vorwärts zu kommen.

Kirchen, die zerstört wurden, mußten, wenn keine zweite Kirche für die Bewohner in erreichbarer Weite war, schnell wieder aufgebaut werden. Für die mittelalterlichen Menschen war die Kirche mehr als nur ein Sakralbau. Der Kirchenraum hatte das Leben der Menschen im Mittelalter in einem weitaus stärkeren Maße bestimmt als heute. Für viele sind in unserer heutigen profanen Welt Kirchen nur noch Kunstwerke. Damals besuchten die Menschen den Gottesdienst jedoch fast täglich und die vielen kirchlichen Festtage, die Anlaß zum Feiern gaben, waren gleichzeitig Augenblicke des Ausruhens von der harten Arbeit.

Die damaligen Kirchen waren aber auch Versammlungsort und Treffpunkt zugleich. Man kam und ging, im Arbeitskittel oder Sonntagsstaat, denn hier hatte man die Möglichkeit der Unterhaltung und Unterrichtung, denn andere profane Räumlichkeiten gab es noch nicht. Nur die Kirche bot die Möglichkeit des gemeinsamen Zusammenseins.33 Daher trachteten die Menschen danach, eine zerstörte Kirche so schnell als möglich wieder aufzubauen, wenn es keine weitere Kirche im Dorf gab.

Nach Ortegel wurde aber erst rund 80 Jahre später von der Irmingard von Hammerstein eine neue Kirche errichtet. War also die Kirche von den Ungarn doch nicht zerstört oder beschädigt worden? Aber welchen Grund sollte die Irmingard gehabt haben, eine neue und größere Kirche zu bauen? Hätte dann wegen der beengten Platzverhältnisse innerhalb der Burgmauer nicht zuerst die alte Kirche abgerissen werden müssen, um am gleichen Standort eine neue errichten zu können? Abriß und Neubau hätten aber viele Jahre beansprucht. Wo aber hätten dann die Roßtaler zwischenzeitlich den täglichen Gottesdienst besuchen können? Man sieht, eine Fülle von Fragen drängt sich auf, wenn man die bedeutsame Rolle der Kirche für das gemeindliche Leben einer mittelalterlichen Gesellschaft in die obige Überlegung mit einbezieht.

Dieses Dilemmas war sich wahrscheinlich auch Ortegel bewußt, denn er suchte diese zweite Kirche. In seinen hinterlassenen Unterlagen befindet sich eine Skizze mit dem Grundriß von Roßtal. Auf dieser Skizze hat er nahe des Schwalbenhofes den von ihm vermuteten Standort der Reichshofkirche eingetragen. Man unterschied damals zwischen Eigen- bzw. Stiftskirchen adliger Personen und der Reichskirche bzw. Reichspfarrkirche, die dem König zugehörig war.34 Da anzunehmen ist, daß der Schwalbenhof ein Königshof war und die örtlichen Gegebenheiten sprechen dafür, hat Ortegel dort den Standort der Reichskirche gesucht. Doch nach allem, was wir heute wissen, ist das auszuschließen. Roßtal mit seiner Burg war königliches Land, und als Urpfarrei war es zugleich Reichspfarrei, weshalb nur die Laurentiuskirche die Reichskirche gewesen sein kann.

Wie von Arnpeck schriftlich überliefert ist, hatte Roßtal ein wertvolles Gotteshaus mit 9 Altären, wie man in einem Umkreis von 15 Meilen kein ähnliches Gotteshaus fand. In dieser Kirche lag ein Herzog von Bayern und seine Gemahlin Irmelgard begraben. Diese Kirche wird von vielen Gläubigen besucht. So berichtet uns Arnpeck. Auch wenn er darüber nichts sagt, darf man wohl annehmen, daß es eine Wallfahrtskirche gewesen sein muß.

Ortegel meint nun, daß es sich um Irmingard von Hammerstein handelt, die auch die Kirche erbauen ließ, doch dafür läßt sich nirgends ein Beweis finden. Das wird auch durch einen Brief von einem Freiherrn von Hammerstein an Ortegel35 vom 28. April 1950 unterstrichen.36 In diesem Brief wird auf die Veröffentlichung von Ortegel Bezug genommen. Er schreibt u.a.:

„In unseren Urkunden und Regesten37, Hannover 1891, verfaßt von dem Bruder meines Vaters, Emil, dem erfolgreichsten und tiefgründigsten Forscher in unserer großen Familie (die sie ja auch in der Fußnote 24 anführen) besitzen wir eine besonders von den rhein. Forschern anerkannte Urkundensammlung, die der Verfasser in jahrelangen Reisen zu allen bekannten Archiven wohl als Lebensarbeit zusammengetragen hat. Es ist auffallend, daß von einem Besitz der Irmingard in Rees oder im östlichen Franken mit keinem Wort die Rede ist, weder von Roßtal, Nürnberg, Langenzenn, noch weiter vom Schwabengau, Hessengau.“

Damit scheidet Irmingard von Hammerstein als Stifterin der Laurentiuskirche wohl aus. Übrigens hatten schon Erich v. Guttenberg und H. H. Hofmann, zwei namhafte Historiker aus dem fränkischen Raum, bald nach der Veröffentlichung der Forschungsarbeit Ortegels seiner These widersprochen. Damit stimmt auch die bisher angenommene Bauzeit der Kirche und der Krypta zwischen 1025 und 1042 nicht, die schon immer von einigen Fachleuten angezweifelt wurde.

Ein Brief vom 9. Mai 1943, geschrieben von einem Herrn namens Ehrngruber an Ortegel, könnte uns in dieser Sache neue Denkanstöße geben. Darin steht: „Nach unseren bisherigen Besprechungen ist das Bestehen Roßtals im 9. Jahrhundert als sicher anzunehmen. Ich glaube, daß die Krypta in dieser Zeit schon bestand und die damalige Oberkirche war, ihre Überbauung kann aber schon sehr früh erfolgt sein. Vielleicht läßt sich diese Frage einmal durch geeignete Funde klären.“ Wer war dieser Ehrngruber? Ortegel beschreibt ihn in einem Brief (an Dr. Röttger) wie folgt: „Ehrngruber ist ein ernstlich wissenschaftlich bestrebter Scherbenschmecker und Prähistoriker von der Naturhistorischen Gesellschaft in Nürnberg. Seine Forschungen könnten vielleicht einmal eine wertvolle Förderung unserer Arbeiten in Roßtal werden, wo mit der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts alle historischen Quellen aufhören.“

Ehrngruber begründet seine Annahme in einem Aufsatz, der meines Wissens nie veröffentlicht wurde38, wie folgt: „Der Versuchsgraben der Herren Ortegel und Rohn hat als wichtigstes Ergebnis erbracht, daß sich unterhalb der Mauer der Krypta eine Siedlungsschicht mit Scherben, Speiseresten usw. befindet. Der größte Teil der Funde, die mir in liebenswürdiger Weise für diese Arbeit zum Vergleich zur Verfügung gestellt wurden, entstammt dieser unteren Siedlungsschicht, d.h. der Siedlungsschicht unterhalb der Kryptamauer. Wodurch erwiesen ist, daß es sich ursprünglich nicht um eine Krypta gehandelt hat.“

Leider ist Ehrngruber im Frühjahr 1945 bei dem letzten Bombenangriff auf Nürnberg ums Leben gekommen. Wertvolle Funde aus dem Bereich der Kirche, die Ortegel ihm anvertraut hatte, waren später nicht mehr auffindbar.

Wegen erkennbarer Veränderungen an der Außenwand der Krypta wurde auch schon von zwei Kunsthistorikern die gleiche Vermutung geäußert.39 Man kennt noch andere Kirchen, die später überbaut und zu einer Unterkirche umgestaltet wurden.

Die hohe Friedhofsmauer an der Rathausgasse nahe des alten Rathauses zeigt ganz deutlich, daß es sich hier um eine nachträgliche Aufschüttung handeln muß. Die Krypta hatte früher von außen zwei eigene Zugänge.40 Mit einer Überbauung dieser Krypta konnte man all die Probleme lösen, wie ich sie weiter oben aufgezeigt habe. Während des Neubaus stand die Unterkirche für den täglichen Gottesdienst und für die Versammlungen zur Verfügung. Das Leben der Burgbewohner erlitt keine Einschränkungen. Offen bleibt aber, wann die Überbauung erfolgte, war es vor dem Überfall durch die Ungarn oder danach oder war sie zu dieser Zeit noch nicht fertig gestellt.

Die Roßtaler Sage von der unterirdischen Kirche erscheint unter diesem Aspekt wohl in einem neuen Licht. Rohn hat uns diese Sage wie folgt überliefert: „Die unterirdische Kirche (Krypta) hat 12 Säulen, welche an die 12 Apostel erinnern soll. Sie stand in alten Zeiten ebenso wie andere Kirchen über dem Erdboden. In einem Kriege benützten verrohte Soldaten die Kirche als Pferdestall. Wegen dieser Entweihung versank sie in den Boden, so daß man ein anderes Gotteshaus darüber bauen mußte.“41

Mit den verrohten Soldaten können die Ungarn gemeint sein, ein Reitervolk ohne christlichem Glauben, was nach den Vorstellungen der Menschen im Mittelalter schon für sich allein eine Entweihung der Kirche war. Es muß auch ein gewaltiger Eingriff in das Leben der Roßtaler gewesen sein, wenn eine Kirche, in der man getauft und getraut wurde, in die man regelmäßig zum Gottesdienst ging, durch Erdaufschüttungen in den Untergrund versinken ließ. Ein solches Ereignis war eine Nachricht für die Nachwelt wert, eine Sage, wie wir sie noch heute kennen.

Schlußbetrachtung

Die einleitend gestellte Frage „Sage oder Wirklichkeit?“ ist schon in sich nicht korrekt, da nach der allgemeinen Definition jede Sage im Gegensatz zum Märchen einen wahren Kern enthält. Daß die mündliche Überlieferung die einzige Möglichkeit für die Menschen gewesen ist, schicksalhafte und für ihr Leben bedeutsame Ereignisse an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben, wird in Anbetracht des Analphabetentums im Mittelalter verständlich. Und die tödliche Bedrohung, die von der Belagerung durch die als grausam bekannten Ungarn ausging, muß bei der Roßtaler Bevölkerung lang anhaltende Ängste ausgelöst haben, die sich schließlich in der uns überlieferten Erzählung niedergeschlagen haben. Daß die Erzählung im Laufe der Zeit ausgeschmückt, verändert oder mit anderen Ereignissen vermengt wurde, ist verständlich. Mir war es wichtig, Dichtung und Wahrheit so weit als möglich voneinander zu trennen.

Um auch diejenigen, die grundsätzlich eine ablehnende Haltung gegenüber den Sagen einnehmen, zu überzeugen, habe ich es für wichtig gehalten, die Begebenheit zur Zeit der Ungarneinfälle bei Wolfenbüttel zu erwähnen, weil sie sich sowohl in einer Sage als auch in der Chronik von Widukind erhalten hat.

Die über 50 Jahre lang anhaltenden regelmäßigen Raubzüge der Ungarn nach Deutschland machen den Umfang des Schreckens, den sie verbreiteten, deutlich. Sie werden sicherlich auch ihre Kundschafter vorausgeschickt haben, die nach einträglicher Beute Ausschau zu halten hatten. Nachdem sie des öfteren auch Franken heimgesucht haben, ist es nicht vorstellbar, daß man dabei Roßtal, das an zwei wichtigen Handelsstraßen gelegen, übersehen haben sollte. Schließlich war das befestigte Roßtal für damalige Verhältnisse eine wohlhabende und die einzige größere Ansiedlung im weiten Umkreis.

Aus dem Vergleich der Roßtaler Sage mit dem Text Widukinds ergeben sich viele Übereinstimmungen, auch hinsichtlich des Zeitpunktes der Belagerung. Sind es Indizien oder Beweise? Den Matzenberg und den Hunnenberg dürfen wir wohl als Beweis für die Belagerung durch die Ungarn ansehen. Auch die Parallelen zwischen dem Ernestus in Widukinds Chronik und dem Herzog Ernst unserer Sage, der bei der Belagerung ums Leben kam, können nicht übersehen werden. Ebenso die zeitliche Übereinstimmung zwischen der Verfolgung der Ungarn durch König Otto I. in Franken und dem Reichstag zu Langenzenn, nur wenige Kilometer von Roßtal entfernt. Beide Fälle dürfen zu den Indizien gezählt werden.

Zweifler werden vielleicht in diesem Zusammenhang fragen, warum im Gegensatz dazu die Schlacht König Ottos I. vor den Toren Roßtals in keiner Sage überliefert wurde. Nach dem Bericht von Widukind muß es ein schrecklicher Kampf gewesen sein. Doch Widukind neigte in seinem Wunsch, seinen König in allen seinen Taten zu verherrlichen, zu Übertreibungen. König Otto I. hatte seinen aufständischen Sohn Liudolf auf dessen Fluchtweg nach Regensburg verfolgt. Die Anhänger Liudolfs auf der Burg Roßtal hatten dem König daher den Weg dorthin verstellt, um Liudolf einen zeitlichen Vorsprung zu verschaffen. Nicht die Eroberung der Burg war also das Ziel des Königs, sondern die Gefangennahme seines Sohnes. Der Kampf hatte wohl nur deshalb so lange gedauert, weil des Königs Soldaten sich auf der vor den Toren Roßtals steil ansteigenden Straße - der heutigen Felsenstraße - bewegen und kämpfen mußten. Die Bevölkerung war daher keinen Augenblick bedroht, sie erlebte nicht die Todesangst wie bei der Belagerung durch die Ungarn. Die kriegerischen Auseinandersetzungen waren daher wohl bald vergessen.

Vielleicht läßt sich auch einmal das Alter der Kirche, vor allem der Unterkirche, durch archäologische Befunde näher bestimmen. Hier denke ich vor allem an die Funde unterhalb des Kryptabodens, die nach Ortegel nicht mehr auffindbar sind. Durch die Annahme von Ortegel, daß Irmingard von Hammerstein die Stifterin der Pfarrkirche und der Krypta in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts gewesen ist, Unterblieben weitergehende Forschungsarbeiten in dieser Richtung.

Die Roßtaler Geschichte ist älter als vielen bewußt und manches Unbekannte liegt noch im Verborgenen. Dafür spricht ihre geografische Lage an den zwei wichtigen Fernhandelsstraßen von West nach Ost, die mit großer Wahrscheinlichkeit schon von den Kelten genutzt wurden. Sie waren auch die Verbindungsstränge Roßtals zur Außenwelt, wichtige Glieder für den Austausch von Handel und Kultur. Aber auch Kriege und Gefahren brachten die Straßen mit sich, vor denen sich auch Roßtal mit seiner Befestigungsanlage schützen wollte, auch vor den Ungarn.

Ich hoffe, daß es mir mit diesen Ausführungen gelungen ist, die überlieferte Erzählung von der Belagerung und Zerstörung Roßtals durch die Ungarn auf eine glaubwürdige Basis zu stellen - ein Beitrag zur Bereicherung der Roßtaler Geschichte.

Anmerkungen:

1Adolf Rohn war Hauptlehrer in Roßtal.
2Heute bekannt als die Spitzweed am oberen Markt.
3Adolf Rohn, Heimatbuch von Roßtal und Umgebung, 1928, S. 95.
4Hans Kreutzer war ein gebürtiger Roßtaler, der im Bayer. Staatsarchiv in Nürnberg tätig war. Er befaßte sich intensiv mit der Roßtaler Geschichte.
5Kreutzer meint damit, daß die Sage aus einer anderen Gegend stammt und mit Roßtaler Besonderheiten vermischt wurde.
6Roßtal, Vergangenheit und Gegenwart, 1979, S. 120
7Brockhaus 1998
8A. Kirchhoff, Über den Ort der Ungarnschlacht von 933, Forsch, z. deutschen Gesch. VII, S. 575 ff.
9Widukinds Sächsische Geschichte, I. Buch, 14. Kapitel.
10R. Lüttich, Ungarnzüge in Europa im 10. Jahrhundert, 1910, S. 97.
11Jacques Le Goff, Der Mensch des Mittelalters, S. 39
12Wattenbach, Einleitung zur Sachsenchronik
13Rudolf Lüttich, Ungarnzüge in Europa im 10. Jahrhundert, S. 38
14Ernst Dümmler, Die letzten Karolinger. Konrad I., Kaiser Otto der Große, in: Jahrbücher der Deutschen Geschichte 1887-1888
15Dienes, Istrán, Die Ungarn um die Zeit der Landnahme, 1972
16Widukinds Sächsische Geschichte, Erstes Buch, Kapitel 35
17Peter Ettel, Roßtal, die königliche Burg Horsadal. In: Burgen in Bayern
18Rudolf Lüttich, a.a.O., S. 37
19Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Band 3, S. 57
20Kreutzer. In: Rosstal, Vergangenheit und Gegenwart, S. 113
21Kreutzer, ebenda, S. 120
22Holger Eckhardt. In: Gold der Steppe, Archäologie der Ukraine, S. 143 f.
23Kreutzer, ebenda, S. 38
24Kreutzer, ebenda, S. 38
25Josef Schnetz, Flurnamenkunde, in: Bayerische Heimatforschung, Heft 5, 1952
26Remigius Vollmann, Flurnamensammlung, 1924
27Kreutzer, ebenda, S. 120
28Rudolf Lüttich, Ungarnzüge in Europa im 10. Jahrhundert, S. 15
29Zu diesem Sprachkreis gehören auch die Sprachen der Finnen, Esten und Lappen.
30Mon. Boica XXVIII/II, S. 187
31August Ortegel, Irmingard von Hammerstein. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 39. Band, 1944, S. 11
32H. Bresslau. In: Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Konrad II., Band l, 1879
33Otto Borst, Alltagsleben im Mittelalter, S. 567
34Christian Frank, Reichshof und Reichspfarrkirche, in: Deutsche Gaue, 41. Band, 1949
35A. Ortegel war ein Neffe des Hauptlehrers Rohn. Obwohl von Beruf Regierungsforstrat hat er durch seine privaten Ausgrabungen in Roßtal großartige Leistungen erbracht.
36Der Brief befindet sich im Nachlaß von Ortegel.
37Verzeichnis von Urkunden
38In einem Schreiben vom 9. 5. 1943 an Ortegel erwähnt Ehrngruber, daß dieser Aufsatz ein Anhang an die Gumpertsche Turmhügelarbeit werden soll, etwa mit dem Titel „Ein Beitrag zur Frühgeschichte Roßtals.“ Der angekündigte Artikel von Karl Gumpert wurde erst 1950 im 70. Jahresbericht d. Histor. Vereins f. Mittelfranken veröffentlicht, doch ohne diesen angekündigten Aufsatz.
39Hans Buschow, Studien über die Entwicklung der Krypta im deutschen Sprachraum, 1934, S. 27 f.
Karl Bahmann, Die romanische Kirchenbaukunst in Regnitzfranken, 1941, S. 71 f.
40Hans Buschow, a.a.O., S. 27 f.
41Adolf Rohn, a.a.O., S. 97 f.

Alfred Steinheimer

Arbeiten des markgräflichen Hofbaumeisters Johann David Steingruber (1702–1787) für die Pfarrei St. Laurentius, Roßtal

In der Reihe der Hofbaumeister und Architekten des Fürstentums Ansbach, die vom 16. bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts hauptsächlich das Gesicht der Residenzstadt Ansbach prägten, gilt die Schaffensperiode des Landbau- und späteren Hofbauinspektors Johann David Steingruber wohl als eine bedeutende Zeitspanne für das Bauwesen im gesamten Fürstentum.

Mit einem ausgeprägten Gefühl für die Zweckmäßigkeit und architektonische Wirkung seiner Werke, aber auch in der Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten, schuf Steingruber einen eigenen Baustil. Sechsundfünfzig Jahre lang, von 1728 bis 1784 und unter zwei Markgrafen, nämlich Carl Wilhelm Friedrich (1729–1757) und dem letzten Fürsten der Markgrafschaft Ansbach, Christian Friedrich Carl Alexander (1757–1791) war er im markgräflichen Hofbauamt tätig.

Als Sohn eines Maurermeisters in Wassertrüdingen im Jahre 1702 geboren, besuchte er zwischen 1709 und 1715 die Schule in seinem Geburtsort und erlernte anschließend, es ist anzunehmen bei seinem Vater, das Maurerhandwerk. Während seiner Wanderzeit in den Jahren 1720 bis 1728, die ihn auch nach Mannheim und Rastatt führte, hat er sehr wahrscheinlich bei den damals dort entstandenen großen fürstlichen Bauten wesentliche Einblicke in die Architektur gewinnen können. Im Jahr seiner Rückkehr 1728, erhielt er eine Anstellung als „Stuccator“ im markgräflichen Hochbauamt in Ansbach.

Unter den Hofbaudirektoren Karl Friedrich von Zocha (1683–1749) und Leopoldo Retty (1704–1751) arbeitend, wurde sein Talent erkannt und er erhielt im Jahre 1733 eine Beschäftigung als „Designateur“ (Zeichner).

Bereits ein Jahr später, 1734 erfolgte seine Ernennung zum Landbauinspektor. Damit verbunden war eine größere Selbständigkeit im Planen und in der Bauausführung. Nach dem Weggang des Hofbaudirektors Retty im Jahre 1748, das Verhältnis zwischen ihm und Steingruber soll nicht frei von Spannungen gewesen sein, übernahm Steingruber, der sich schon unter Zocha auch als Praktiker bewährt hatte, die technische Leitung der „Baudeputation“ als Hofbauinspektor.

Über 200 Bauwerke, Nutzbauten und Kirchen, werden von ihm neu geplant oder verändert, und für die meisten dieser Bauten fertigte er die Pläne selber, die zum Teil heute noch erhalten sind.

Im Jahre 1987, dem Jahr seines 200. Todestages würdigte das Landbauamt Ansbach mit einer Ausstellung das Werk dieses Mannes.

Im dazu herausgegebenen Ausstellungskatalog1 sind auch die Werke genannt, die er hier in der Marktgemeinde für die Pfarrei Roßtal plante und ausführte.

Die Kirchenrechnungen der Pfarrei aus diesen Jahren, bestätigen diese Tätigkeiten und geben darüber hinaus Auskunft über manche Einzelheiten im Bauablauf der hier errichteten Gebäude oder den Renovierungsarbeiten.

Die Aufzählungen seines Schaffens in Roßtal beginnen im Jahre 1736 mit der Reparatur der Glocken der St. Laurentiuskirche.

Über den Grund und das Ausmaß dieser Tätigkeit fehlen allerdings die Angaben in den sonst so sorgfältig geführten Rechnungsakten2, dagegen ist sein Wirken in den Jahren 1750, 1751, 1766 und 1767 in einigen Aufzeichnungen festgehalten.

1750/51 erhielt Roßtal ein neues Mesnerhaus mit Schulstube (später Mädchenschulhaus) und ein „Pfarrwaschhaus“.

Das alte Mesnerhaus muss schon sehr baufällig gewesen sein, wie der Mesner Johann Martin Müller schrieb, als ein Bauantrag im September 1748 für einen Neubau an das Hofbauamt in Ansbach gerichtet wurde:

„Es stehet das alte Gebäude wohl schon 200 Jahre, ist nur zu einem Wacht-Häuslein gebaut worden und ist durch das Alter gänzlich eingegangen, so das ich dasselbe bewohnen sollte müssen, weder ich noch die Meinigen eines natürlichen, Todes sterben würden, in dem starker Sturmwind oft dasselbe schon so stark bewegt haben, dass die darinnen wohnenden geglaubet es war schon gefallen.“ 3

Diese Schilderung, die wohl der Pfarrer in seinem Antrag nach Ansbach an das Hofbauamt sinngemäß übernahm, einschließlich einer Darstellung über das „feuergefährliche“ Waschhaus, waren der Anlaß einer Inspektionsreise Johann David Steingrubers am 4. Mai 1750 nach Roßtal.

In der Kirchenrechnungsakte findet sich darüber folgende Notiz des Hofbauinspektors:

„Auf ein von hochfürstl. Raths Decretii vom 15. Dezember 1749 habe von den schadhaften Mösnerhaus, dann der Sacristey in den Kirchen zu Roßstall ingleichen bey dieser Gelegenheit auch das feuergefährliche Waschhaus bey dortigem Pfarrhaus nicht nur in Augenschein, sondern auch von jeden die benötigten maß genommen, womit solchen Geschäften nebst der Hin- und Herreis 2 Tag zugebracht.“

Anschließend führte er Ausgabe für Ausgabe in seiner Reisekostenrechnung auf, die von den „Heyligen“ wie die Verantwortlichen der Kirchenverwaltung damals bezeichnet wurden, zu bezahlen waren und er bestätigte den Empfang mit seiner Unterschrift:

Deputatà 1 Gulden 15 Kreuzer = 2 Gulden, 30 Kreuzer
vors Mieth Pferdà 37 1/2 Kreuzer= 1 Gulden, 15 Kreuzer
Fourage und stall miethà 30 Kreuzer= 1 Gulden
Logis u. Schlafgeldà 12 Kreuzer= 24 Kreuzer
Trankgelder à 7 1/2 Kreuzer= 15 Kreuzer
Vor die hier zu verbrauchenden
Riß-und Schreibmaterialien 
  = 1 Gulden

Die Rechnung schließt mit dem Betrag von 6 Gulden und 24 Kreuzer ab.

Steingruber bezog zu dieser Zeit als „Hofbauinspektor“ ein Jahresgehalt von 500 Gulden. Gemessen am Einkommen des Roßtaler Pfarrers, dessen Gehalt 1740 mit 586 Gulden vermerkt ist, war Steingruber gering entlohnt. Bekannt ist, dass der nichtadelige Steingruber nie die Höhe der Gehälter seiner adeligen Vorgänger Zocha und Retty erreichte. Dies mag sicher auch der Grund dafür sein, dass er, wie die Aufstellungen in seinen Reisekostenrechnungen zeigen, äußerst genau, auch noch so geringe Ausgaben aufführt, um deren Erstattung zu erhalten.

Am 30. August 1750 war wiederum seine Anwesenheit in Roßtal erforderlich und diesmal handelte er mit den Handwerkern die Kosten für die geplanten Neubauten aus.

Bei dieser Dienstreise, ebenfalls zu Pferd, war er von einem Knecht begleitet, sodass seine Spesenrechnung für zwei Tage nun 8 Gulden und 30 Kreuzer betragen haben. (Die Kosten für „Zehrung“ und „Unterbringung für den Knecht“ waren 20 Kreuzer pro Tag.)

Da der Beginn der Bautätigkeit sich aber hinzog, musste Steingruber noch im Mai 1751 und im Juli 1751 in Roßtal nach dem Rechten sehen.

Besonders für das Mesnerhaus gab es eine Verzögerung, weil der Maurermeister aus Cadolzburg, der das Angebot gemacht hatte, noch vor Baubeginn verstarb und ein neuer Auftragnehmer einspringen musste.

Die Hochfürstliche Kanzlei in Ansbach bestätigte am 5. August 1751 in einem Schreiben an das Roßtaler Richteramt die Höhe der Bausumme mit 235 Gulden und 15 Kreuzern und mahnte gleichzeitig mit der Baugenehmigung an, dass „... bei gegenwärtig guter Jahreszeit der Hausbau möglichst beschleunigt werden soll“. Das Holz für die beiden Gebäude, das Mesnerhaus und das Waschhaus, sollte aus „Windfällen des Buchschwabacher Heiligenwaldes gegen gewöhnliche Zahlung“ abgegeben werden.

Es ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich, wie die „Accordierung“, also die Auftragsvereinbarung für die Ausführung der Bauarbeiten zustande kam. Ebensowenig geben die Akten hier Auskunft, wie die Bauabsicht öffentlich bekannt gemacht wurde, damit sich auch die nicht im Bereich des Roßtaler Pfarrsprengels ansässigen Handwerker bewerben konnten. Die Rechnungsbelege zeigen nämlich, dass ein Maurermeister aus Cadolzburg und ein „Flaschner“ aus Schwabach Aufträge erhielten, obwohl es auch Handwerker des gleichen Gewerbes in Roßtal gab.

Nach den sorgfältig von der Kirchenverwaltung und dem Pfarrer und Prodekan Friedrich Wilhelm Wolshofer (1748–1762 in Roßtal) bescheinigten Nachweisen für die Materiallieferungen und für die geleisteten Arbeiten zu schließen, wurde das „Pfarrwaschhaus“ und das Mesnerhaus mit Schulstube noch im Jahre 1751 fertiggestellt.

Es ist anzunehmen, wie nachstehend dargelegt, dass der genannte Pfarrer zur markgräffichen Verwaltung eine besondere Beziehung hatte und deshalb, nach nur kurzer Zeit der Antragstellung, für die beiden Bauvorhaben bevorzugt „bedient“ wurde.

Einer seiner Vorgänger hatte schon im Jahre 1716 der fürstlichen Kammer Wünsche und Klagen über die misslichen Bauverhältnisse in den Häusern der Pfarrer sowie der Schulmeister und Mesner vorgetragen, wurde aber mit dem Vermerk zurückgewiesen: „... die Genannten hausen in ihren Wohnungen anspruchsvoll auf Kosten der Stiftung“.

Schließlich war 1731 das Pfarrhaus so baufällig, dass der Pfarrer ins Kaplanshaus (2. Pfarrhaus) und der zweite Pfarrer zeitweise ins Schloss ziehen musste.

Pfarrer Wolshofer war vor der Übernahme der Roßtaler Pfarrstelle Prediger des Erbprinzen, des letzten Markgrafen Carl Alexander, während seines Aufenthalts in Holland. Er wurde dafür mit dem Titel eines Prodekan ausgezeichnet, dessen Angabe bei keiner seiner Unterschriftsleistungen fehlt. Wolshofer erhielt außerdem eine Zusage auf die nächste frei werdende Dekanstelle und wurde überdies mit einer jährlichen Zulage von 100 Reichstalern zu seinen Einkünften bedacht.

Die Empfangsbescheinigungen der einzelnen Handwerker, die eingeordnet den Kirchenrechnungen des Jahres 1751 beigefügt sind, zeigen eine erstaunlich unterschiedliche Fertigkeit der hier beschäftigten Handwerksmeister bezüglich ihrer Schreibkunst.

Obwohl zu dieser Zeit in Gesangbüchern, Bibeln, Gesetzestexten usw. schon eine ziemlich einheitliche Schreibweise üblich war, sind in den Arbeitsnachweisen oft Tätigkeiten und Begriffe mundartlich so benannt und auch geschrieben worden dass es manchmal schwerfällt, die richtige Deutung zu finden.

Das von Steingruber als „Pfarrwaschhaus“ geplante und zur Ausführung gebrachte, nur wenig Grundfläche beanspruchende hübsche kleine Fachwerkhaus, wie es sich auch heute noch dem Beschauer im Pfarrgarten bietet, hat offenbar schnell eine andere Bedeutung erhalten. Im Jahre 1768 muss der Maurermeister zwei Riegelfelder des Fachwerks neu ausmauern und bezeichnet in der Rechnung, dass er seine Arbeit im „Gartenhaus-Stüblein“ ausgeführt hat.

15 Jahre nach der Errichtung der vorgenannten Gebäude in Roßtal besichtigt Johann David Steingruber am 8. September 1766 die dringend renovierungsbedürftige Ägidius-Kapelle in Weitersdorf und die Filialkirche Maria-Magdalena in Buchschwabach.

Der Hofbauinspektor, damals bereits 64 Jahre alt, reist nun nicht mehr zu Pferd, sondern mit der Kutsche, wie aus seiner Reisekostenaufstellung an die „Heyligen“ hervorgeht. Die Benutzung der Kutsche wird mit 30 Kreuzer pro Tag berechnet. In seiner Kostenaufzählung vergisst er auch nicht einen Posten aufzuführen, wie er schreibt: „für die Gutschen zu schmierren“ und setzt einen Betrag von acht Kreuzern ein.

Über seine Reise fertigte er am 14. Februar 1767 einen Bericht an die „Hochfürstliche Durchlaucht“.

Seine Schilderungen des Bauzustandes der Weitersdorfer Kapelle werfen ein trübes Bild auf die verantwortlichen Heiligenpfleger der Pfarrei und auf eine heute nicht mehr verständliche Unbekümmertheit am Erhalt altübernommener kirchlicher Bauwerke.

Der Kirchturm der Kapelle war am Einstürzen und am Ende einer längeren Aufzählung aller angetroffenen Missstände, schreibt Steingruber, „... überhaupt dieses ganze Gebäu mehr einer ruinösen Holzkammer als einer Kirchen inwendig gleicht“.

Er veranlasst sofort den Abtrag des gefährdeten Teiles des Kirchturmes, zeichnet an Ort und Stelle einige Planunterlagen und ordnet eine Reihe dringend erforderlicher Änderungen im Kircheninnern an.

Die Renovierungsarbeiten werden noch im Jahre 1767 ausgeführt.

Die Abrechnungsbescheinigungen zeigen, dass der Kalk für den Maurer aus Nürnberg bezogen werden musste, ebenso die rote (!) Farbe für den Kirchturm. Trotz einfachster Bauausführung wurde die Turmspitze verziert und der „Flaschner“ Johann Schwaig aus Schwabach vermerkt in seiner Rechnung: „Auf dem Kirchturm eine Fahne gemacht, macht 3 Gulden 22 Kreuzer.

Wie sparsam ansonsten mit allen Materialien umgegangen wurde, ist daraus zu ersehen, dass aus den alten Brettern und Latten, die beim Abbruch des Weitersdorfer Kirchturms anfielen, die Nägel zur Wiederverwendung ausgezogen wurden und dem Roßtaler Johann Leonhard Grillenberger wurde dafür ein Tageslohn von 16 Kreuzer gezahlt.

Knapp 60 Jahre später stand die Kirche und der Turm erneut vor dem Verfall und das Dekanat, offenbar nicht unterrichtet, zeigte sich höchst erstaunt über den schlechten Bauzustand. Man gab dem zweiten Pfarrer von Roßtal, August Gustav Herrnbauer, zu dessen Pfarrsprengel Weitersdorf gehörte und der sich des Bauwerks „erbarmte“, den Rat, unter den Weitersdorfer Bürgern eine Kollekte für den Erhalt der Kirche zu halten.

Die Weitersdorfer Bevölkerung konnte jedoch die großen Kosten für eine Instandsetzung nicht aufbringen. Da andere Geldquellen nicht existierten, ordnete das Dekanat, ein Jahr nach der Information über den Bauzustand durch den 2. Pfarrer, im Jahre 1819 die Versteigerung der Kapelle auf Abbruch an. Zehn Jahre später, in den Jahren 1828/29, veranlasste die Dorfgemeinschaft den Wiederaufbau, der von dem Roßtaler Maurermeister Steigmann ausgeführt wurde. Die damals und noch im 20. Jahrhundert vorgenommenen Änderungen an diesem Kirchlein lassen heute kein Werk Steingrubers mehr erkennen.

Auch die Filialkirche Maria-Magdalena in Buchschwabach war zu dieser Zeit, was den Turm und das Kirchendach betraf, ebenso baufällig wie die Kapelle in Weitersdorf.

So waren von den vier Ecktürmchen des Kirchturmes bereits zwei herabgefallen und das Holz des Turmdachstuhls sowie das des Kirchendaches, morsch geworden durch das eindringende Regenwasser, musste dringend erneuert werden.

Steingruber plante und ließ die neue Turmhaube nun ohne Ecktürmchen ausführen.

Ob weitere Umbaumaßnahmen an der Filialkirche damals vorgenommen wurden, ist nicht bekannt. Das schon genannte Werkverzeichnis Steingrubers spricht zwar von einem „Kirchenneubau in Buchschwabach“, was aber aus den Akten nicht ersichtlich ist.

Einhundertfünfzehn Jahre nach der von Steingruber durchgeführten Renovation musste 1882/83 das gesamte Langhaus wegen Baufälligkeit abgetragen werden. Es wurde verlängert wiedererrichtet; nur der Turm blieb bestehen und behielt die Form und die Ansicht, wie sie Steingruber im Jahre 1767/68 ausführen ließ.

Im Jahre 1769, ein Jahr nach dem Abschluss der Renovierungsarbeiten am Turm in Buchschwabach war auch das Turmdach der St. Laurentiuskirche in Roßtal zu erneuern. Durch Blitzschläge und Brandschaden baufällig geworden, waren auch hier, wie am Turm der Filialkirche, von den vier Ecktürmchen, auch „Pfefferbüchsen“ genannt, schon Teile herabgefallen. Die spätgotische Turmspitze musste abgebaut werden und der Turm erhielt nun eine barocke „welsche Haube“, wie er sie heute noch trägt.

Es überrascht, dass bei dieser Baumaßnahme, die doch das Bild der großen Pfarrkirche entscheidend veränderte, Steingruber offenbar nicht beteiligt war. Jedenfalls wird hier im Archiv in keinem Schreiben oder Bericht über den Bauablauf der Turmarbeiten sein Name genannt.

Von den Arbeiten des Johann David Steingruber im Gebiet der Pfarrei St. Laurentius Roßtal existieren nur noch das „Mesnerhaus“ – auf dessen geschichtliche Bedeutung mit einer Tafel, am Haus angebracht, hingewiesen ist – und das als sein Werk kaum bekannte „Gartenhaus“ im Roßtaler Pfarrgarten.

Beide Häuser zeigen, trotz ihrer Schlichtheit, das Können des markgräflichen Hofbauinspektors bezüglich der einfühlenden Anpassung an eine damals schon weitgehende bestehende Bebauung in unmittelbarem Umkreis.

Roßtal vermittelt mit seinem renovierten historischen Baubestand insgesamt, einen bemerkenswerten Gesamteindruck, was von den vielen Besuchern immer wieder lobend genannt wird. Eine gründliche Überholung der in kirchlichen Besitz befindlichen letzten beiden Zeugen der Baukunst Steingrubers hier in unserer Marktgemeinde steht noch aus.

Für das „am Wege stehende“ ehemalige Mesner- und Mädchenschulhaus, das einige Jahre jugoslawischen Flüchtlingen als Wohnhaus diente, war dem Vernehmen nach, eine Renovation bereits vorgesehen, die jedoch aus genannten Gründen zurückgestellt werden musste. Bei der erneuten Einplanung baulicher Maßnahmen für das genannte Bauwerk sollte man allerdings auch das als „Pfarrwaschhaus“ und später als Gartenhaus genutzte Häuschen im Pfarrgarten mit einbeziehen.

Dieser kleine schlichte Zweckbau des markgräflichen Baumeisters Johann David Steingruber dürfte ein Unikat im Gebiet des ehemaligen Fürstentums Ansbach sein.

Anmerkungen

1Katalog der Ausstellung: „Johann David Steingruber“ Landbauamt Ansbach, 1987
2Archiv der Evang.-Luth. Pfarrei St. Laurentius, Roßtal
3Adolf Rohn: Heimatbuch von Roßtal und Umgebung, 1928, S. 54