90 Jahre Schulanlage am oberen Markt

90 Jahre Schulanlage am oberen Markt

Ulrich Grimm

Zu Roßtals Schulgeschichte in bayerischer Zeit[1]

Am Sonntag, den 13. Juli 1930, versammelten sich nach einem Festgottesdienst in der Laurentiuskirche Vertreter des Bezirksamtes[2], der Bezirksschul- und der Kirchenbehörde, die Mitglieder des verstärkten Gemeinderates Roßtal und der Schulpflegschaft mit vielen, auch ehemaligen, Pfarrern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Einwohnern des gesamten Schulsprengels Roßtal vor dem Kantoratsgebäude[3] zu einem Festzug. Hier war Jahrhunderte lang Schule gehalten worden, getragen von der örtlichen Kirche, deren Kantor zugleich „Schulmeister“ war. Nun sollte es seine Bestimmung verlieren. Mancher der Anwesenden blickte für sich noch einmal zurück. Wie war seine Schulzeit hier verlaufen? Was war aus dem alten Gebäude in den letzten 125 Jahren geworden?

Entwicklungen im 19. Jahrhundert

Der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 brachte mit den Hochstiften Bamberg und Würzburg erste fränkische Gebiete zu Bayern als Ausgleich für verlorene bayerische Lande am Rhein. Sie in Bayern einzugliedern, verlangte auch eine Vereinheitlichung des Rechts. Zwar gab es in den ersten Jahren immer wieder Änderungen oder gänzliche Neuregelungen. Eine Festlegung wurde jedoch stets beibehalten: die Schulpflicht „vom 6. bis wenigst in´s vollstreckte 12. Jahr“.[4] Unterricht sollte, die Zeit von Mitte Juli bis zum 8. September ausgenommen, das ganze Jahr hindurch gehalten werden, vom 1. Mai bis zur Ernte jedoch nur als „Halbschule“. Als Schulgeld hatten die Eltern für jedes schulfähige Kind 2 kr wöchentlich zu entrichten, „sie mögen selbes in die Schule schicken oder nicht“. Die Verordnung vom 12. September 1803[5] verfügte, dass sich an die Werktagsschule eine Sonn- und Feiertagsschule anschließen solle; vernünftige Eltern würden selbst einsehen, dass in sechs Jahren nur das Notwendigste gelehrt werden könne, dass das Gelernte, wenn aller Unterricht mit dem 12. Lebensjahr aufhören würde, größtenteils wieder vergessen werde, und dass besonders die moralische Ausbildung in diesen Jahren nicht vollendet werden könne. Die Sonntagsschulpflicht dauerte vom 12. bis zum 18. Lebensjahr. Diese Regelungen wurden auch in Roßtal verbindlich, nachdem es 1806 bayerisch geworden war.

Hinsichtlich der Schulorganisation änderte sich in den beiden ersten Jahrzehnten des 19. Jhdts. immer wieder Einiges: Zwar hatte eine kurfürstliche Entschließung vom 26. November 1804 [6] kundgetan, dass „die bürgerlichen Schulen nicht als eine kirchliche, sondern als eine wichtige Polizeianstalt zu betrachten“ seien. Auch bestimmten nach dieser Entschließung nicht mehr die Grenzen der Pfarrsprengel sondern die eines Gemeindegebietes den Schulsprengel einer Ortschaft. Doch wurde im Königreich Bayern bei gleichzeitiger Wahrung des Grundsatzes, dass die Volksschule eine staatliche Einrichtung sei, den kirchlichen Gesichtspunkten im Laufe der Jahre wieder mehr und mehr Rechnung getragen einerseits durch die Trennung der Schulen nach Bekenntnissen, andererseits durch die Heranziehung der örtlichen Geistlichen als „Lokalschulinspektoren“, also Beamten der staatlichen Schulaufsicht. So konnte der Staat eine Funktion der Kirchen mit ihrer bis in die Randgebiete des Königreichs greifenden Autorität nutzen, seiner Räson konforme soziale Tugenden und politische Loyalität einzuüben.[7] Schließlich legte die Verordnung vom 22. Januar 1815[8] sogar fest, dass der Schulsprengel durch den Pfarrsprengel bestimmt werde. Der Grund für diese staatliche Organisationsmaßnahme lag freilich nicht darin, aus der Schule (wieder) eine Einrichtung der Kirchengemeinde zu machen, sondern vielmehr darin, dass mit den Pfarrsprengeln eine fertige Einteilung vorhanden war, die zudem die staatliche Schulaufsicht führte[9] , während die Gemeindebildung zum damaligen Zeitpunkt noch völlig im Argen lag.[10]

In diesen Jahren engagierte sich in Roßtal Heinrich Sigismund Eberhard, hier evangelischer Pfarrer von 1794 bis 1829, für eine gute Schulbildung. Er selbst besaß eine umfangreiche Bibliothek, die noch heute im landeskirchlichen Archiv aufgestellt ist, und war offenbar auf vielen Wissensgebieten interessiert. Noch 1810 hatte er seinen Eindruck über die Pfarrei mitgeteilt, dass der „Stand der Kultur unter den Einwohnern noch auf einer niedrigen Stufe“ stehe; es gebe „sehr viele Haushaltungen hier, wo man einem Vieh gleich lebt.“[11] Seinem Ernst und seinen Anstrengungen zollte noch 1838 der Geistliche auf der zweiten Pfarrstelle in Roßtal Dr. Heinrich Dambacher in seinem Beitrag zu einem Buch über die Pfarrei höchstes Lob, denn der Grad der religiösen Bildung der Pfarrangehörigen sei sein Verdienst; es lasse sich behaupten, dass sie „obgleich größtentheils Landleute, ebenso viel Kenntnisse der Hl. Schrift und der protestantischen Kirchenlehre haben, als die Mittelklasse der Bürger in den Städten“.[12] Noch in seinem Testament vom 9. Februar 1825 machte Pfarrer Eberhard deutlich, wie sehr ihm eine Verbesserung des Schulwesens am Herzen lag: er begründete darin nämlich u. a. eine Stiftung „zur Anschaffung von Schulbüchern für arme Schulkinder“ und stattete sie mit einem Stammkapital von 200 fl aus.[13]

Während seiner Pfarrerzeit in Roßtal wurde 1810 die Schule in eine Knaben- und eine Mädchenschule geteilt. Die Knabenschule war im Kantoratsgebäude untergebracht, dem bisher einzigen Schulhaus, das der Kirchenstiftung gehörte.

Das ehemalige Kantoratsgebäude (Foto 1987)

Zunächst waren darin nur ein Unterrichtsraum und die Wohnung des Kantors, der zugleich Lehrer war. Die räumliche Situation der Knabenschule wurde erst durch Baumaßnahmen 1846 und insbesondere 1864 verbessert, wobei durch Aufstockung ein zweites Klassenzimmer entstand.

Knabenlehrer war zu dieser Zeit bis zu seinem Tode 1841 der Kantor und Organist Johann Michael Gatterer, der zuvor bis Mai 1810 als Lehrer und Organist in Rohr tätig war. 1833 wurde dem damals 72jährigen, dem 1838 Pfarrer Boeswillibald einen „musterhaften Lebenswandel“ bescheinigte, als „Hilfslehrer“ Friedrich Carl Vogtherr zur Seite gestellt.[14]

Stundenplan der Roßtaler Elementarschule für Knaben, um 1830
(Archiv des ev.-luth. Pfarramts Roßtal, Akte Nr. 377)

Nach der Statistik vom 12. Dezember 1833[15] besuchten im Kantoratsgebäude 124 Kinder die Werktagsschule, 79 davon aus Roßtal. Die übrigen 45 Knaben kamen aus Buttendorf, Clarsbach, Großweismannsdorf, Gutzberg, Herboldshof, Kastenreuth, Kernmühle, Loch, Neuses, Oberbüchlein, Oedenreuth, Sichersdorf, Stöckach, Trettendorf, Unterbüchlein, Weinzierlein, Weitersdorf und Wimpashof. In Buchschwabach war bereits 1688 eine eigene Schule genehmigt worden, die nun auch die Kinder aus Raitersaich besuchten. In der Sonntagsschule wurden zur gleichen Zeit 51 Jugendliche beschult, 23 davon aus den oben angeführten Außenorten. Den Unterrichtsinhalt der Werktagsschule zeigt ein Stundenplan auf, der um 1830 in Roßtal galt.

Die Mädchen wurden im sog. Mesnerhaus unterrichtet, das ebenfalls der Kirchenstiftung gehörte. Darin befand sich auch die Mesnerwohnung. Bei der Trennung der Schülerinnen von den Schülern 1810 musste neben Johann Michael Gatterer ein zusätzlicher Lehrer berufen werden. Mit Beschluss der im Ministerium des Innern angesiedelten „Sektion der Generaladministration des Stiftungsvermögens“ vom 27. Juni 1810 begnügte man sich freilich damit, nicht einen neuen Mädchenschullehrer nach Roßtal zu versetzen, sondern den damaligen Mesner Franz Müller mit dem Unterrichten zu beauftragen, der "„in der zu Nürnberg mit ihm vorgenommenen Prüfung hinlängliche Kenntnisse und Lehrfähigkeit bewiesen“ hätte.[16]

In der Pfarrbeschreibung von 1838 ist die Zahl der unterrichteten Mädchen mit 160 - 170 angegeben.[17] Im Mädchenschulhaus hatte sich die räumliche Situation bereits vor 1840 durch die Einrichtung eines zweiten Schulzimmers etwas verbessert.

Das Mesner- und Mädchenschulhaus
(Zeichnung von Valentin Fürstenhöfer für das Roßtaler Heimatbuch von 1978/79)

Die nach 1864 in zwei Gebäuden insgesamt zur Verfügung stehenden vier Klassenzimmer waren auf Dauer für einen ordnungsgemäßen Schulunterricht weder ausreichend noch geeignet, insbesondere weil die Zahl der Kinder im Schulsprengel Roßtal weiter anwuchs. Die Gründung neuer Schulsprengel und Umschulungen brachten jeweils nur kurzzeitige Erleichterungen: Den Kindern aus Gutzberg und Loch war schon 1839 wegen des weiten Weges nach Roßtal bewilligt worden, die Schule in Oberweihersbuch zu besuchen; 1884 wurde der neue Schulsprengel Großweismannsdorf gebildet, der die Orte Groß- und Kleinweismannsdorf, Sichersdorf sowie Ober- und Unterbüchlein umfasste; nach der Bildung des Schulsprengels Wintersdorf 1896 besuchten die Kinder aus Weinzierlein die dortige Schule. Gleichwohl mussten 1900 noch 355 Schülerinnen und Schüler aus Buttendorf, Clarsbach, Kastenreuth, Oedenreuth, Roßtal, Stöckach, Trettendorf, Weitersdorf und Wimpashof in vier alten Klassenräumen unterrichtet werden.

Planungen

Wohl keinem der Menschen, die sich am 13. Juli 1930 zum Festzug versammelt hatten, wird bei dieser Gelegenheit bewusst gewesen sein, welche Vielzahl von Schwierigkeiten mit den Planungen für das neue Schulgebäude verbunden war, die die verstärkte Gemeindeverwaltung Roßtal als Entscheidungsgremium des Schulsprengels schon das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts voranzubringen gewillt war. Sie rührte zum einen aus komplizierten rechtlichen Zusammenhängen, zum andern aber auch aus persönlichen und wirtschaftlichen Fragestellungen, insbesondere:

Nach Jahre langen zähen Verhandlungen, in denen die verschiedensten Beteiligten immer wieder Beschwerden einlegten oder Gemeindevertreter ausgehandelten Ergebnissen nicht zustimmten, trafen endlich am 6. März 1911 zu Urkunde des Königlichen Notariats Cadolzburg[18] Bürgermeister Michael Eckstein in Vertretung der verstärkten Gemeindeverwaltung Roßtal, Pfarrer Johannes Grün, handelnd für die Kirchenverwaltung und die Kirchengemeinderepräsentation, und ein Regierungsassessor für das Königlich bayerische Staatsaerar folgendes Übereinkommen: Die zum Schulsprengel Roßtal zusammengeschlossenen Gemeinden verzichten gegenüber dem Staat und der Kirchengemeinde Roßtal auf alle Baupflichtansprüche für Schulen und Lehrerwohnungen und bestreiten den Baubedarf hierfür; sie erhalten als Gegenleistung vom Staat 142.300.- Mark und von der Kirchengemeinde 3000.- Mark sowie das Kantoratsgebäude mit Scheune und Hof. Die Auflassung des mit dem Kantoratsgebäude bebauten Grundstücks erfolgte zu notarieller Urkunde vom 5. Juli 1913; in dieser ist auch bestätigt, dass der Staat den Schulsprengelgemeinden die Ablösesumme bereits ausgezahlt hatte. Das Mesnerhaus blieb bei all dem unberücksichtigt, weil es sich nach einem Gutachten des Amtsarztes aus dem Jahre 1906[19] in baufälligem Zustand befinde und „wegen der Feuchtigkeit in allen Räumen des Erdgeschosses, die auf der Feuchtigkeit des Untergrundes beruhe, sowie wegen der außerordentlich geringen Höhe der Zimmer im oberen Stockwerk zu Wohnzwecken für die Zukunft vollständig untauglich“ sei. Dem Schulunterricht diente es aber dennoch zunächst weiterhin.

Als Bauplatz für das neue Schulgebäude hatten sich die Schulsprengelgemeinden und die Kirchenverwaltung schließlich auf das Gartengrundstück der ersten Pfarrstelle (PlNr. 240 Gem. Roßtal) geeinigt. Diese Standortentscheidung für den ersten kommunalen Großbau signalisierte den Willen, den Oberen Markt (den ehemaligen Burgberg) als Sitz zentraler Funktionen auch in Zukunft nicht aufzugeben. Die Schule sollte unmittelbar an der historischen, den Ortskern begrenzenden „Ringgasse“ errichtet werden in dem bis dahin unbebauten Pfarrgarten, der schon nach dem Urkataster von 1827 als Obstbaumgarten genutzt wurde.[20] Als Kaufpreis für das 0,346 ha große Grundstück waren 8000.- Mark vereinbart. Die pfründekuratorische Genehmigung erfolgte am 14. Juni 1914. Ein notarieller Kaufvertrag wurde allerdings zunächst nicht geschlossen, da noch Unstimmigkeiten wegen des Zugangs zum Garten der II. Pfarrstelle (PlNr. 239 Gem. Roßtal) bestanden und die Kirchengemeinde forderte, die Gemeinde Roßtal solle sich, grundbuchmäßig gesichert, verpflichten, den freien Platz vor dem ersten Pfarrhaus für alle Zeiten frei zu halten.[21] Dennoch hatte der Nürnberger Architekt Will auftragsgemäß mit einem Vorentwurf für das Schulgebäude bereits begonnen. Sein Bauprogramm vom 19. April 1914 wurde bereits am 26. Mai des gleichen Jahres schulaufsichtlich genehmigt. Nun drängte das Bezirksamt Fürth mit Schreiben vom 2. Juni 1914 die verstärkte Gemeindeverwaltung Roßtal, den Architekten mit der Fertigung der Baupläne und des genauen Kostenanschlags zu beauftragen sowie die erstellten Baupläne bauordnungsmäßig zu behandeln.[22]

Es findet sich in den Akten allerdings nichts dazu, dass dies geschehen wäre. Hinderte der Ausbruch des Ersten Weltkrieges den Architekten? Fürchtete man, den Bau wegen des kriegsbedingten Arbeitskräftemangels und der Beschränkungen bei der Lieferung der Baumaterialien nicht in angemessener Zeit durchführen zu können, wenn doch sogar bei Errichtung des Justizpalastes in Nürnberg deswegen erhebliche zeitliche Verzögerungen eingetreten waren?

Ausschnitt aus dem Urkataster für Roßtal von 1827
Die bisherigen Schulgebäude und das Baugrundstück sind rot gekennzeichnet.
Der Garten der II. Pfarrstelle (PlNr. 239) liegt westlich des Baugrundstückes.

Aus den Akten lassen sich freilich auch andere Gründe erschließen: Die Fronten zwischen verstärkter Gemeindeverwaltung und Kirchenstiftung hatten sich wegen der seitens der Kirchengemeinde geforderten Nebenabreden beim Erwerb des Baugrundstückes verhärtet. Hinzu kamen Streitigkeiten, ob die Kirchengemeinde die von ihr nach dem 6. März 1911 erbrachten Mittel zum Unterhalt des Mesnerhauses vom Schulsprengel ersetzt verlangen könne. Die hierzu am 24. September 1917 erfolgte Stellungnahme der Kammer des Innern der Regierung in Ansbach stimmte der Kirchengemeinde zu und äußerte ergänzend, es befremde, dass „die Schulgemeinde trotz Ablaufes von 6 Jahren nach Abschluss des Übereinkommens heute noch nicht die umfassende Schulerweiterung durchgeführt habe, welche der Bemessung der Ablösesumme zugrunde gelegt war, wodurch sie reichlich an Zinsen ersparen konnte“.[23] Wenn man nun weiter bedenkt, dass verständlicherweise im Jahr des Kriegsendes nicht mit dem Bau eines so großen Objektes begonnen werden konnte, 1919 die Amtszeit von Bürgermeister Michael Eckstein endete und im Folgejahr Pfarrer Grün aus dem aktiven Kirchendienst ausschied, kann man wenigstens das weitere Zuwarten nachvollziehen.

In den Jahren 1922/23 kam es dann zu erneuten Misshelligkeiten zwischen der Kirchengemeinde und der verstärkten Gemeindeverwaltung im Zusammenhang mit der Trennung von Schul- und Kirchendienst, die eine Einigung über den Kaufvertrag den Schulhausbauplatz betreffend nicht zustande kommen ließen. Der Bau selbst hätte allerdings zur damaligen Zeit ohnehin nicht beginnen können, weil die immer größere Inflation die von der verstärkten Gemeindeverwaltung zurückgelegten Gelder, wozu insbesondere die staatliche Leistung von fast 150.000.- Mark zählte, mit der Einführung der Rentenmark im November 1923 völlig wertlos gemacht hatte. Aber auch 1924 herrschte noch Streit über das zu erwerbende Schulgrundstück. Der neue Pfarrer Sauer hatte nämlich erklärt, er halte sich an die Kaufverhandlungen seines Vorgängers über die PlNr. 240 nicht gebunden; er müsse einen Teil dieses Grundstückes als Gemüsegarten für seine vielköpfige Familie nutzen; der verbleibende Grundstücksrest müsse für den Schulhausneubau ausreichen; dafür müsse er, Sauer, aber ein gleichwertiges Tauschgrundstück als Entschädigung erhalten.[24] Erst nachdem Hans Eckstein als Nachfolger von Ulrich Flachenecker das Amt des Bürgermeisters Ende 1924 angetreten hatte, konnte eine einvernehmliche Lösung erzielt werden: Obwohl der Wert der Tauschgrundstücke deutlich unter dem ursprünglich in Aussicht genommenen Kaufpreis von 8000.- M lag, billigte die Regierung von Mittelfranken am 13. Oktober 1925 einen Grundstückstausch mit der Auflage, dass die Gemeinde die Tauschfläche „kostenlos aufackert, zubereitet und ordnungsgemäß einfriedet“.[25]

So konnte nach langer Wartezeit mit dem notariellen Tauschvertrag vom 20. November 1925 endlich ein essentieller Schritt auf den Bau einer neuen Schule für den Schulsprengel Roßtal gemacht werden. Aber vielleicht hatte das lange Warten auch sein Gutes: Die Vorentwürfe von Architekt Will entsprachen dem Geschmack der wilhelminischen Zeit und hätten in Roßtal einen ähnlichen Fremdkörper geschaffen, wie dies 1973 bei Errichtung des neuen Rathauses der Fall gewesen ist.

Vorentwurf von Architekt Will für das neue Schulgebäude (1914)

Der Neubau

Schon wenige Tage nach dem Notartermin vom 20. November 1925 bat Bürgermeister Eckstein das Bezirksamt Fürth, „von Amts wegen ein neues Bauprogramm aufstellen zu wollen, da das im Jahre 1914 aufgestellte Bauprogramm den heutigen Verhältnissen nicht mehr Rechnung tragen dürfte“.[26] Mit Schreiben vom 3. März 1926 an die Regierung von Mittelfranken erbat er sodann „einen größeren Zuschuss“ für das Schulhaus mit 8 Lehrsälen, 4 Lehrer- und einer Hausmeisterwohnung, das „überschlägig ca. 300.000.- M kosten dürfte“. Die schulaufsichtliche Genehmigung des geänderten Bauprogramms erfolgte am 22. September 1927. Schon deutlich früher hatte sich Bürgermeister Eckstein an die Fertigung der Baupläne gemacht. Die baupolizeiliche Genehmigung des Neubaus war aber auch am 14. Dezember 1927 noch nicht erfolgt.[27]

Eingabeplan für das neue Schulgebäude von Bürgermeister Eckstein (1927)

Bei Erstellung der Eingabepläne trug Bürgermeister Eckstein auch der Empfehlung von Bezirksbaumeister Dotzler Rechnung, die Achse des geplanten Gebäudes auf dem Grundstück etwas zu drehen. Die dafür erforderliche Veränderung des Baugrundstückes konnte durch einen Tauschvertrag über Grundstücksteile der PlNr. 240 und 239 schnell erreicht werden.

Mit Beschluss des verstärkten Marktgemeinderates vom 5. März 1928 wurde Bezirksbaumeister Ernst Dotzler zum Bauleiter bestimmt.[28] Er holte auch die Angebote ein. Bei der Vergabe der Baugewerke wurden Roßtaler Firmen nur zum Teil bedacht. So erhielt Hans Eckstein den Zuschlag für die Erd-, Maurer- und Dachdeckerarbeiten. Die Roßtaler Baugeschäfte Birnbaum und Winkler hatten sich am Angebotsverfahren nicht beteiligt, weil sie „gemeinschaftlich mit dem Maurermeister Hans Eckstein nur ein Angebot einreichen“, wie sie dem Bauleiter am 26. April 1928 schriftlich mitteilten.[29] Weil die vier Roßtaler Installateure unberücksichtigt blieben, wandten sie sich in zwei gemeinsamen Schreiben beschwerdeführend an den Marktgemeinderat und die Regierung von Mittelfranken. Ihre Remonstration änderte an der Vergabe an die Fürther Firma Rösinger allerdings nichts, da deren Angebot erheblich günstiger war als die Angebote der Roßtaler Installateure.[30]

Am 4. Februar 1928 genehmigte das Bezirksamt Fürth die Aushebung der Baugrube. Mit dem Aushub wurde durch Hand- und Spandienstpflichtige unverzüglich begonnen. Am 22. August 1928 teilte die Schulgemeinde Roßtal dem Bezirksamt Fürth mit, dass „das Erdgeschoss und der erste Stock im Bau fertig“ seien.[31] Beim weiteren Bauen muss es dann aber zu plan- und erlaubniswidrigen Ausführungen gekommen sein, denn auf Grund einer Regierungsentschließung vom 27. Oktober 1928 ordnete das Bezirksamt Fürth die Einstellung des Baues an. Der genaue Grund lässt sich den gemeindlichen Akten nicht entnehmen. Die generelle Einstellung wurde am 4. April 1929 auf alle Arbeiten an und in den über dem Hauptgesimse liegenden Gebäudeteilen beschränkt und erst am 24. August 1929 gänzlich aufgehoben.[32] Durch diese Baueinstellung für beinahe ein ganzes Jahr verzögerte sich die Fertigstellung des Schulhausneubaues erheblich. Sie erklärt aber, dass noch heute über der alten Eingangstür die Jahreszahl 1929 zu sehen ist, obwohl die Einweihung erst im Jahre 1930 stattfand.

13. Juli 1930 – die Einweihung

Als sich der Festzug in Bewegung setzte, schaute Bürgermeister Eckstein noch einmal auf das Kantoratsgebäude, das schon vor seiner Aufstockung 1864 seit dem frühen 17.Jahrhundert auch Schulhaus gewesen war. Seit 1928 stand es nun, zunächst erworben vom Schulsprengel, im Eigentum des Marktes Roßtal. Es sollte sein letztes Projekt als Bürgermeister seines Heimatortes werden: Dieser hatte bisher noch kein eigenes Rathaus besessen. Bald sollte kein Bürgermeister mehr amtliche Akten zu Hause lagern und die Sitzungen des Gemeinderates im Wohnzimmer der Familie abhalten müssen. Aber zunächst müsste noch die örtliche Wasserversorgung fertig gestellt sein. Dann erst wäre nach dem Feuerwehrhaus und der Schule mit einem Rathaus ein weiteres Zeichen zu setzen.

Das neue Schulgebäude

Der Festzug hatte unter den Klängen des Posaunenchores Roßtal nun schon beinahe sein Ziel erreicht: das neu gebaute Schulhaus. Dort hatten bereits die vereinigten Männerchöre Roßtals Aufstellung genommen. Deren Lied „Mit dem Herrn fang alles an“ folgte der von einer Schülerin gesprochene Festprolog. Dann hielt Bürgermeister Eckstein als Vorsitzender des Schulsprengels Roßtal die Begrüßungsrede, in der er auch all denen Dank sagte, die zum Gelingen des Schulhausneubaues beigetragen hatten. Den vom Vorstand des Bezirksamtes Fürth überbrachten Glückwünschen folgte eine Rede des Bezirksschulrates Wildensinn, der seiner Freude darüber Ausdruck gab, „dass Rosstal nun eine so schöne deutsche Schule hat“ und den Wunsch hegte, dass „in derselben auch wirklich Deutsche erzogen werden“.(!)[33] Nach weiteren Reden beschloss das gemeinsam unter Posaunenbegleitung gesungene Lied „O Gott, du frommer Gott“ die Feierstunde.

Danach hatten alle Erschienenen die Möglichkeit, das Schulhaus zu besichtigen, bevor sie sich im Fischhaber´schen Saal unter den Klängen des Orchesters der Musikfreunde Roßtals und den Gesängen eines Mädchenchores unter Leitung von Lehrer Ludwig Groh gemütlich zusammensetzten. Jedes der 334 Schulkinder aber erhielt „zwei Bratwürste und ein Kipfchen“, die die je sechs Roßtaler Bäcker und Metzger auf Kosten des Schulsprengels zu gleichen Teilen zurecht gemacht hatten.[34]

Am 20. März 1932 erfolgte in einer Schulgemeinde-Versammlung die Bekanntgabe der Abrechnung für den Schulhausneubau. Zunächst fasste Bürgermeister Eckstein zusammen, was im Schulhaus untergebracht ist: 8 Lehrsäle, 2 Lehrerwohnungen 1. Ordnung, 1 Lehrerwohnung 3. Ordnung, 1 Hausmeisterwohnung, 1 Schülerbad und 1 Schulküche. Das Schulhaus sei mit Spülklosetts und einer Zentralheizungsanlage versehen, die sämtliche Schul- und Wohnräume beheize. Das Bad enthalte 3 Wannen- und 3 Brausebäder, die auch der Bevölkerung zur Verfügung ständen. Auch sei eine Teilkanalisation mit Kläranlage und Sandfang erfolgt, die vom Schulhaus bis zum Unteren Markt geführt worden sei. Trotz der Ausführung zusätzlicher Arbeiten sei der Kostenanschlag von 266.000.- RM unterschritten worden. Einschließlich Kanal und Kläranlage ergebe die Abrechnung Gesamtaufwendungen von 250.313,22 RM ohne die Kosten für das Baugrundstück. Die Kostendeckung erfolge durch Kreiszuschüsse (93.000.- RM), staatl. Wohnungsbaudarlehen (12.000.- RM), aus Aufwertungspfandbriefen (30.000.- RM), Zuschüssen der Schulsprengelgemeinden (15.000.- RM) und durch ein Darlehen der Sparkasse Cadolzburg.[35]

Das neue Schulgebäude fand von vielen Seiten Lob. Es galt als vorbildlich, und seine großzügige Bemessung gestattete die Einrichtung eines 8. Schülerjahrgangs[36], der im ländlichen Raum zur damaligen Zeit noch freiwillig besucht werden konnte.[37] Auch außerhalb der Schulzeit wurde es gerne genutzt. War es zunächst das ev.-luth. Pfarramt, das die Genehmigung zur Abhaltung von „Christenlehrunterricht und Bibelstunde“, Kirchenvorsteherschulung und Konfirmanden- und Präparandenunterricht erhalten hatte, welche auch noch nach 1940 erteilt wurde, trafen sich nach September 1933 hier auch dreimal wöchentlich die Sachwalter zur Abhaltung von Schulungsabenden durch die Ortsgruppe Roßtal der NSDAP, der S. A. Sturm in Roßtal zum Zwecke des Unterrichts im Sanitätswesen, die NS Frauenschaft und die Jungmädelgruppe Roßtal im BdM.

Im März 1944 erfolgte die Beschlagnahme von vier Klassenzimmern für ein „Hilfskrankenhaus zur Aufnahme Verletzter aus der Stadt der Reichsparteitage Nürnberg nach Katastrophenfällen“. Unterricht wurde in den Gasthaussälen Kandel und Fischhaber sowie im alten Mädchenschulhaus gehalten. Ab 12. Februar 1945 dienten dann alle Klassezimmer des Schulgebäudes als Notlazarett.[38] Die ärztliche Versorgung der Verletzten lag in den Händen des Roßtaler Arztes Dr. Hans Landvogt. Unterricht fand in den letzten Wochen des zu Ostern endenden Schuljahres 1944/45 nicht mehr statt.

Wenige Tage nach der Einnahme Roßtals durch die Amerikaner am 18. April 1945 wurde aus dem Schulgebäude das örtliche Hauptquartier der Besatzungsmacht.

Die Nachkriegszeit

Wann die Amerikaner das Schulgebäude wieder geräumt haben, lässt sich aus den örtlichen Akten nicht genau ermitteln.[39] Jedenfalls waren nach ihrem Auszug große Lücken in der Ausstattung festzustellen sowohl bei den Schulbänken als auch bei den sachlichen Unterrichtsmitteln; Schulakten konnten überhaupt nicht mehr aufgefunden werden. Bürgermeister Wiesinger bat deshalb noch im Frühjahr 1947 das Landratsamt um die Zuweisung von Sondermitteln – leider ohne Erfolg.

Für den 10. bis 13. Juli 1945 wurde „zwecks Neuaufbau der Roßtaler Volksschule eine Neuanmeldung sämtlicher im Schulsprengel wohnender Kinder, die schon bisher die Volksschule Roßtal besucht haben“, angeordnet. Dabei mussten auf Verlangen der Militärregierung alle Schüler und Einwohner, die im Besitze von Schulbüchern waren, diese im Anmelderaum gegen Empfangsbestätigung abgeben, auch wenn sie zerrissen oder schmutzig waren.[40] Nationalsozialistisches Gedankengut sollte auf diese Weise aus dem Verkehr gezogen werden.

Am 30. Juli 1945 ordnete der Schulrat für den Landkreis Fürth die Anmeldung der Kinder zur Aufnahme in die erste Klasse für das Schuljahr 1945/46 an, das ja bereits zu Ostern begonnen hatte. „Anzumelden und vorzuführen (!) sind alle Kinder, die bis zum 31. Dezember 1945 das sechste Lebensjahr vollenden.“[41]

Mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung nahm Hauptlehrerin Anna Kupfer am 11. Oktober 1945 den Unterricht für die Buben und Mädchen des ersten Schülerjahrganges in zwei Klassen getrennt wieder auf. Am 17. bzw. 18. Dezember 1945 folgten die vierte bzw. fünfte Klasse.[42] Zur Gestaltung des Unterrichts teilte das Schulamt in Fürth am 3. November 1945 u. a. mit:

Aufgabe des Unterrichts sei es nach den Worten des Erziehungsoffiziers der Nürnberger Militärregierung Hauptmann Thompson, nach Beseitigung der durch das Nazisystem eingerichteten unheilvollen Zustände Grundsätze und Leitgedanken zu vermitteln, die auf dem Boden echter Menschlichkeit und Demokratie den geistigen und kulturellen Wiederaufstieg ermöglichen können.[44]

Schon die dafür erforderlichen personellen Resourcen waren freilich viel zu knapp. Eine Reihe früherer Roßtaler Lehrer war zu dieser Zeit noch nicht wieder unterrichtsberechtigt, manche auch noch in Kriegsgefangenschaft. Auch waren ab dem Schuljahr 1946/47 im Schulgebäude zusätzlich vier Klassen der landwirtschaftlichen Berufsschule zu betreuen. Zum 1. Mai 1947 standen hierfür und 13 Volksschulklassen mit insgesamt 620 Kindern und Jugendlichen in Roßtal nur sechs Lehrkräfte zur Verfügung.[45]

Die Schulpolitik der Fünfziger Jahre verursachte eine Zersplitterung in „Zwergschulen“ auch im Bereich des heutigen Marktes Roßtal. So entstand 1950 die dreiklassige „Lagerschule“ im Flüchtlingslager bei Raitersaich[46], die auch die Kinder aus Clarsbach und Raitersaich besuchten. Die zweiklassigen Schulen in Buchschwabach und Großweismannsdorf blieben erhalten.

Die Finanzkraft der Marktgemeinde Roßtal war durch die Beseitigung der Schäden, die die Schule durch die außerschulische Nutzung als Behelfskrankenhaus und örtliches Hauptquartier der Besatzungsstreitkräfte erlitten hatte, übermäßig beansprucht. Trotzdem entschloss sich der Marktgemeinderat im Frühjahr 1950, das Bad im Souterrain des Schulhauses zu renovieren, um es wieder nutzbar zu machen, und zu erweitern. Für die dafür veranschlagten Kosten von 4500.- M bat Bürgermeister Wiesinger das Bay. Staatsministerium für Unterricht und Kultus um einen Zuschuss. Die Begründung in seinem Schreiben vom 25. April 1952 lässt einen tiefen Blick in die damals herrschenden Verhältnisse zu:

„Die 2900 Einwohner des Marktes Roßtal setzen sich überwiegend aus leistungsschwachen Kleinlandwirten und Arbeitern mit Angehörigen zusammen. Das Gewerbe ist fast ausschließlich durch Kleinbetriebe vertreten, die auf den örtlichen Bedarf abgestellt sind. Der Markt Roßtal besitzt nur sehr wenig rentierendes Vermögen. Die der Marktgemeinde zur Verfügung stehenden Einnahmequellen sind restlos ausgeschöpft, sodaß es nur durch sparsamste Ausgabenwirtschaft möglich ist, den Haushaltsplan auszugleichen, zumal auch durch die Währungsreform alle Mittel, Rücklagen usw. verloren gingen. Es wird besonders darauf hingewiesen, dass sich die Zahl der Schulkinder infolge des Zuwachses an Flüchtlingskindern in Roßtal um 45 % vermehrt hat. Da die Kinder der Heimatvertriebenen sonst keine Badegelegenheit haben und um diesem Übelstand abzuhelfen und damit einem dringenden Bedürfnis der Schuljugend Rechnung zu tragen, hat sich der Marktgemeinderat entschlossen, die Erweiterung baldigst durchzuführen. Vor allem sprechen hier auch hygienische Gründe mit.“[47]

Ob der Zuschussantrag Erfolg hatte, weisen die Akten nicht aus. Jedenfalls wurde das Schulbad saniert und stand der Bevölkerung noch bis 1969 zur Verfügung. Dann musste es einem dringend notwendigen zusätzlichen Unterrichtsraum weichen.

Erweiterungsbauten

Die ständige Zunahme der Bevölkerungszahl des Marktes Roßtal in den fünfziger Jahren veranlasste den Marktrat bereits 1958 über eine Baulandbeschaffung zur Erweiterung des Schulgebäudes nachzudenken. Bald wurden die Verhandlungen mit dem ev.-luth. Pfarramt intensiviert mit dem Ziel, das Grundstück Pl.Nr. 239 (Garten der 2. Pfarrstelle) zu erwerben. Im Haushaltsplan des Marktes für 1959 heißt es: „Der Schulverband beabsichtigt, die Schulraumnot durch Errichtung eines neuen Schulgebäudes zu beseitigen. Dieser Neubau wird voraussichtlich 500.000.- DM kosten. Für die Marktgemeinde Roßtal bedeutet die Errichtung des Schulneubaus eine weitere fortlaufende Belastung, weil sich der Anteil der Marktgemeinde an den Schulverbandsbeiträgen durch Schuldendienst und Betriebsausgaben für das neue Schulgebäude bedeutend erhöhen wird.“[48]

Wie schon bei der Errichtung des ersten Schulgebäudes gestalteten sich die Verhandlungen über den Grundstückserwerb mit dem ev.-luth. Pfarramt schwierig. Noch am 5. November 1959 war die Bauplatzfrage ungelöst, obwohl mittlerweile auch Landrat Löffler eingeschaltet worden war.[49] Endlich konnte der Marktrat am 3. Dezember 1959 grünes Licht für den Erwerb des Grundstücks PlNr. 286 von den Eheleuten Schmeißer geben, das vom ev.-luth. Pfarramt als Tauschobjekt für den Garten der 2. Pfarrstelle gewünscht worden war. Das Aushandeln der Bedingungen des Tauschvertrages und damit die Möglichkeit eines Eigentumsüberganges dauerte aber noch bis zum Juli 1960: Die ev.-luth. Kirche bestand nämlich trotz des von einem Sachverständigen ermittelten Minderwertes des Pfarrgartens von rund 12.000.- DM auf einem Tausch ohne Wertausgleich neben dem Einräumen der unentgeltlichen Nutzung bzw. einem Wertausgleich für die dort aufgestellte Garage der 2. Pfarrstelle, denn sie wollte das Tauschgrundstück für eine Friedhofserweiterung nutzen, wobei der Wertunterschied als Zuschuss der Schulgemeinde hierfür gewertet werden sollte. Diese übernahm schließlich sogar noch die Grunderwerbsteuer(!).

Am 4. August 1960 erhielt Architekt Hans-Albert Wilhelm, der zuvor schon einige Planskizzen erstellt hatte, den Auftrag, die Pläne für die bauaufsichtliche Genehmigung bis 15. Januar 1961 vorzulegen. Diese wurden mit Bescheid des Landratsamtes Fürth vom 18. April 1961 genehmigt. Die Genehmigung der Tektur für die Pausenhalle erfolgte nachträglich am 10. April 1962.[50]

Bereits am 28. März 1962 hatte der Schulverbandsausschuss, der nach einer Gesetzesänderung ab dem 1. Januar 1961 anstelle des Marktrates für die Vertretung des Schulverbandes und dessen vermögensrechtliche Verwaltung zuständig geworden war,[51] die Erd-, Maurer-, Beton-, Kanalisations- und Isolierarbeiten an das Roßtaler Baugeschäft Hans Bauer vergeben. Anders als beim ersten Schulgebäude achtete man mit dem Vorbehalt in der Ausschreibung, die Auftragserteilung nicht vom Mindestgebot abhängig zu machen, bei der Vergabe auch der anderen Gewerke darauf, dass in erster Linie Roßtaler Handwerker beauftragt wurden. So kamen für Flaschnerarbeiten die Firmen Kriegelstein und Heinlein, für den Bau der Heizungsanlage die Firma Bogisch, für die Malerarbeiten eine Arbeitsgemeinschaft der Malermeister Haspel, Disse und Link, für Schreinerarbeiten Firma Schopper und für Schlosserarbeiten Firma Horneber zum Zug. Mit dem Erdaushub wurde Mitte April 1962 begonnen. Auf ein Richtfest verzichtete man zugunsten einer Einweihungsfeier.

Rechtzeitig zu Beginn des Schuljahres 1963/64 waren die Arbeiten im Wesentlichen abgeschlossen, sodass am 14. Oktober 1963 die Einweihungsfeier stattfinden konnte. Sie gestaltete sich im üblichen Rahmen mit Chor- und Bläserdarbietungen, Reden und Schlüsselübergabe. Eine wesentliche Veränderung gegenüber 1930 gab es aber: Die Einweihung nahm Dekan Kirchenrat Rieger vor; ihr folgten Segensworte der Pfarrer Grundherr (ev.-luth. Kirchengemeinde) und Rodenbücher (kath. Kirchengemeinde). Nach der Besichtigung des Erweiterungsbaus wurden die geladenen Gäste zu einem Mittagessen gebeten.[52] Die Schulkinder erhielten „1 Bockwurst mit Kipf“. Die Baukosten wurden in der Sitzung des Schulverbandsausschusses vom 19. Februar 1964 mit 590.244, 87 DM bekanntgegeben. Ihre Deckung erfolgte aus Rücklagen (180.000.- DM), mit Beihilfen (140.000.- DM) und mit einem Darlehen (270.000.- DM). Mit dem Bezug des Erweiterungsbaus, in dem sechs Klassenzimmer, Werk-, Film- und Handarbeitsraum untergebracht waren, schien die Schulraumnot auf lange Zeit beseitigt.

Grundriss des Schulgebäudes nach den Anbauten 1962 und 1974

Grundriss des Schulgebäudes nach den Anbauten 1962 und 1974

Doch die „Bekanntmachung über die Volksschulen in Bayern“ vom 22. Juli 1968 brachte schon bald eine völlig neue Situation: Zum einen wurde die Schulpflicht in Bayern ab dem Schuljahr 1969/70 auf neun Jahre erweitert; zum andern wurden die Hauptschüler der Volksschulen Buchschwabach, Raitersaich und Großweismannsdorf ab dem gleichen Zeitpunkt in die Roßtaler Schule umgeschult, weil nun die Zahl der sog. Zwergschulen vermindert werden sollte. Die Grundschüler folgten zwei Jahre später. Im Schuljahr 1969/70 standen für 676 Schüler nur 14 normale Schulräume zur Verfügung.[53] Um drohenden Schichtunterricht zu vermeiden, errichtete man zunächst 1970 im Pausenhof der Schulanlage im Oberen Markt einen Interimsbau in Holzfertigbauweise. Im Schuljahr 1970/71 war die Schülerzahl auf 848 angewachsen. Deshalb wurden auch für einzelne Klassen die Schulgebäude in Großweismannsdorf, Buchschwabach und Raitersaich genutzt, was einen ausgeklügelten Schulbusfahrplan erforderte, damit alle Kinder rechtzeitig zum Unterricht und wieder nach Hause kamen.[54] Erst ab dem Schuljahr 1974/75 wurde der Unterricht in diesen Orten endgültig eingestellt.

Bereits am 20. Januar 1970 hatte eine Besprechung Verantwortlicher mit Schulrat Kühn im Roßtaler Rathaus stattgefunden, um den künftigen Raumbedarf der Roßtaler Volksschule abzuklären. Ergebnis war, dass eine dreizügige Grundschule jedenfalls bis 1975 in den bisherigen Schulgebäuden verbleiben könne, für sie aber eine Erweiterungsmöglichkeit für mindestens vier Klassenzimmer zu schaffen und eine Schulturnhalle nebst Allwetterplatz und einem kleinen Rasenspielfeld zu planen sei. Nach Besprechungen mit der Regierung von Mittelfranken fasste der Schulverbandsausschuss deshalb am 28. Oktober 1970 die Beschlüsse, für die Schule im Oberen Markt eine Schulturnhalle auf dem schuleigenen Grundstück ohne umfangreiche Inanspruchnahme von Grundbesitz Dritter zu errichten und die Planung und Bauleitung dafür dem Architekturbüro Ruf + Engel zu übertragen. Auf ein Rasenspielfeld verzichtete man wegen der engen räumlichen Verhältnisse. So war es möglich, nicht das ganze angrenzende Grundstück PlNr. 224 zu erwerben[55] , dessen Kaufpreis die Vorstellungen des Schulverbandes erheblich überschritten hätte, sondern nur ca. 600 qm daraus. An den Gesamtkosten von fast 750.000.- DM beteiligte sich der Freistaat mit einem Zuschuss von 225.000.- DM.[56] Nach Fertigstellung des am 12. Juli 1974 eingeweihten Baus war die seit 1955 erfolgte kostenpflichtige Nutzung der Jahnturnhalle des TV Roßtal nicht mehr nötig. Allerdings war das Flachdach bald so undicht, dass schon nach wenigen Jahren ein Satteldach auf Turnhalle und das dazu gehörige Nebengebäude aufgesetzt werden musste.

Teilung der Volksschule

Schon bei dem Gespräch am 20. Januar 1970 war deutlich geworden, dass der Platz der Schulanlage im Oberen Markt auf Dauer nicht ausreichen werde, um alle Kinder schulisch zu betreuen. Man war sich einig: Wenn schon keine ganz neue Schulanlage – wie anfangs kurzfristig erwogen –, müsse zumindest eine Hauptschule mit einer Turnhalle an anderer Stelle dringend neu gebaut werden. Dafür sei ein Platzbedarf von rund 18.000 qm anzusetzen. Als Standorte hierfür brachte Bürgermeister Wiesinger ins Gespräch: an der Stöckacher Straße, zwischen Hochstraße und Gundekarstraße sowie zwischen dem Gewerbegebiet und der Sportfläche des TV Roßtal.[57] Die Bauplanungen für die Hauptschulgebäude begannen unverzüglich. Dabei hatte es unterschiedliche Auffassungen zwischen dem Marktgemeinderat Roßtal und dem Schulverbandsausschuss darüber gegeben, ob vor deren Konkretisierung ein städtebaulicher Planungswettbewerb über das gesamte nun zur Verfügung stehende Gebiet ausgeschrieben werden solle. Der Schulverbandsausschuss wollte aber die immer drängender werdende Schulraumnot kurzfristig beseitigen und möglichst schnell mit dem Bau beginnen.[58]

Im Jahre 1973 erfolgte zunächst die organisatorische Teilung der nun 22 klassigen Roßtaler Volksschule in eine Grund- und eine Hauptschule. Eine räumliche Trennung dieser beiden Schulen und die Ernennung eines weiteren Schulleiters erfolgten erst im folgenden Jahr. Für das Schuljahr 1973/74 war freilich auch wichtig, dass ab dessen Beginn im Roßtaler Schulbereich nur noch die 5-Tage-Woche galt.

Lageplan der Haupt-(heute Mittel-)schule 1974

Der Bau der neuen Hauptschule wurde nach entsprechenden Ausschreibungen von der Firma Hochtief Nürnberg als Generalunternehmer nach Planungen der Architekten Litzow-Aydin, Nürnberg zu einem Festpreis von ca. 8 Mill. DM auf einem Grundstück errichtet, das der Schulverband für rund 550.000.- DM erworben hatte.[59] Darin waren u. a. 13 Klassenzimmer, mehrere Kursräume, Sprachlabor, Lehrküche und eine Aula untergebracht, die insgesamt bis zu 500 Schülerinnen und Schüler aufnehmen können. Auch eine Doppelturnhalle mit einer Größe von 43,60 x 22,80 m und eine Hausmeisterwohnung waren errichtet worden. Schon ab Beginn des Schuljahres 1974/75 konnte der Unterricht in den neuen Räumen stattfinden. Am 4. Dezember 1974 erfolgte die Einweihung dieses Schulbaus an der Wilhelm-Löhe-Straße; die Turnhalle, die bei außersportlichen Veranstaltungen über 1200 Menschen aufnehmen kann, wurde erst kurze Zeit später fertig gestellt und zum Teil allein vom Markt Roßtal finanziert. Über zwei Drittel aller Kinder des Schulverbandes Roßtal im Alter von 10 - 15 Jahren besuchten damals diese Hauptschule.[60]

Zeichnung von Valentin Fürstenhöfer für das Roßtaler Heimatbuch 1978/79

Im Rahmen der Gemeindegebietsreform wurden die Gemeinden Roßtal, Buchschwabach, Großweismannsdorf, Weitersdorf und Teile der Gemeinde Weinzierlein mit Wirkung zum 1. Mai 1978 zur Einheitsgemeinde „Markt Roßtal“ zusammengeschlossen. Ein gesonderter Schulverband, der zuletzt alle diese Gemeinden umfasst hatte, war damit überflüssig geworden. Die Grenzen der neuen Einheitsgemeinde bestimmten nun auch den Schulsprengel.

Generalsanierung der Grundschule

„Seit jeher gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Grundschule, die Persönlichkeitsbildung des Kindes zu fördern und die entscheidenden Grundlagen für weiterführendes Lernen zu legen. Bei der Gestaltung eines sowohl differenzierenden als auch integrierenden Unterrichts geht es einerseits darum, sehr unterschiedliche Lernmöglichkeiten angemessen zu berücksichtigen, andererseits aber auch zusammen mit den Schülerinnen und Schülern gemeinschaftsbildende Lernaktivitäten zu entwickeln. Die Grundschule muss sich noch stärker als bisher als Ort gemeinsamer Grunderfahrungen verstehen und die Erziehung zur Gemeinschaftsfähigkeit in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Sie muss die Fähigkeit zur Kulturaneignung ausbilden und im Zusammenhang damit die Kompetenz zur Öffnung auf ihr Umfeld hin entwickeln. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass durch diese Aufgaben und durch größere Heterogenität der Schülerschaft die pädagogische Arbeit der Grundschule vielfältiger und anspruchsvoller geworden ist.“ [61]

Ein solches „Haus für Innovationen“ wünschte 1990 Rektorin Irmtraut Gloßner, als sie 1990 die stetig wachsende Marktgemeinde auf die Notwendigkeit einer räumlich vergrößerten Grundschule hinwies. Nach Erwägen eines neuen Grundschulgebäudes entschied sich der Marktrat für eine Erweiterung der Bebauung an der Schulstraße. Mit den Planungen wurden 1991 die Architekten Reinhard und Helmut Ulrich, Nürnberg beauftragt.

Ihnen gelang es, aus den vorhandenen drei Komplexen des 1930 eingeweihten Altbaus, des 1962 errichteten Erweiterungsbaus und der 1974 fertig gestellten Turnhalle durch das Einfügen neuer Elemente eine gewachsene, harmonische Einheit zu gestalten, deren Raumprogramm alle geforderten Fach- und Unterrichtsräume aufweist:

Planskizzen der Schulanlage nach den Baumaßnahmen 1993/95

Im südlichen Neubauteil liegen zweigeschossig je zwei zusätzliche Klassenräume sowie vorgelagert ebenerdig der Musiksaal. Der Umbau des nun zweigeschossigen Verbindungsbau zwischen den beiden bestehenden Häusern schuf im Erdgeschoß eine zentrale Pausenhalle mit dem neuen Haupteingang, an die sich ein durch eine Faltwand abgetrennter Mehrzweckraum anschließt; im Obergeschoß dieses umgebauten Teiles liegen nun die Verwaltungsräume. Im generalsanierten Untergeschoß des Altbaues sind Horträume untergebracht. Während der zweijährigen Bauzeit mussten zwar einzelne Klassen in die Hauptschule verlegt werden, der Unterricht lief jedoch während der drei Bauabschnitte immer weiter. Die Gesamtkosten der zum Schuljahresbeginn 1995/96 abgeschlossenen Baumaßnahmen lagen bei rund 8 Millionen DM. Die Einweihung des Neubaus und der Umbauten der generalsanierten Grundschule Roßtal erfolgte am 27. Oktober 1995 im Beisein zahlreicher Ehrengäste.

Eingang zur Grundschule nach dem Umbau 1993-95
(Zeichnung von Architekt Reinhard Ulrich 1995)

Um die gleiche Zeit war als Folge vermehrter Berufstätigkeit beider Elternteile ein weiteres Problem zu bewältigen: die Versorgung der Kinder im Anschluss an die Unterrichtszeit. Zunächst schuf die Marktgemeinde ab dem Schuljahr 1993/94 eine „Schülerbetreuung“, die nach Schulschluss im ersten Stockwerk des ehemaligen Feuerwehrhauses (Rathausgasse 20) erfolgte. Ab dem folgenden Schuljahr wurde Roßtal als erste Flächengemeinde mit Bescheid des Bay. Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 13. Mai 1994 in das Projekt „Hort an der Grundschule“ aufgenommen, wenn dafür auch zunächst noch wegen der Baumaßnahmen an der Schulanlage die bisherigen Betreuungsräume genutzt werden mussten. Die Eröffnung der neuen Horträume im Souterrain des dafür umgebauten alten Schulhauses mit 26 Kindern erfolgte am 18. September 1995.

Die Nachfrage nach Plätzen zur Betreuung der Kinder nach Ende der Unterrichtszeit wuchs aber ständig. Deshalb bemühte man sich um die Einrichtung einer Mittagsbetreuung als Alternativangebot zum Hort. Sie sollte zunächst nur von Schulschluss bis ca. 14.00 Uhr erfolgen und war mehr auf Aufsicht und Betreuung (ohne Hausaufgaben) ausgerichtet, während der Hort, der zudem auch in den Schulferien geöffnet ist, eher einen pädagogischen Anspruch verfolgt. Im Schuljahr 1997/98 kamen erstmals 19 Kinder im Obergeschoss des Feuerwehrhauses in den Genuss der Mittagsbetreuung, die zunächst von einer arbeitslosen Grundschullehrerin geleitet wurde. Am 9. Oktober 1998 erhielt die Marktgemeinde dann antragsgemäß die Genehmigung zum Umbau der Lehrerwohnung, gelegen im westlichen Teil des zweiten Obergeschosses des alten Schulhauses. Dort wurden Aufenthaltsräume für die Mittagsbetreuung von zunächst ca. 25 Schülerinnen und Schülern geschaffen. Die 89 Anmeldungen zum Schuljahr 2015/16 veranlassten den Marktrat, neben dem Rathaus Container aufstellen zu lassen, um dem Bedarf entsprechen zu können. Heute kommen ca. 100 Kinder in den Genuss der Mittagsbetreuung, deren Zeit bis 16.00 Uhr (mit Hausaufgabenbetreuung) ausgeweitet wurde. Für die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler findet sie nun im alten Schulhaus statt, denn hier ist der Hort ausgezogen.

Die ständig erhöhte Nachfrage nach Hortplätzen war nämlich in den Räumlichkeiten der Grundschule nicht mehr zu befriedigen. Deshalb ließ die Gemeinde im Jahre 2017 in Fertigbauweise auf dem in unmittelbarer Nähe zur Grundschule gelegenen Grundstück In der Gasse 22, einem früheren Obstgarten, einen Hort mit 125 Plätzen errichteten, der den Kindern seit Anfang 2018 zur Verfügung steht. Das Haus besitzt neben den Gruppenräumen auch ein Speisezimmer und einen Bewegungsraum. Im Außenbereich können die Kinder ein Fußballfeld, ein Klettergerüst, Wege, um Roller und Inliner zu fahren, aber auch eine beruhigte Ecke mit Sitzgelegenheiten und ein Hochbeet nutzen.

Im Außenbereich des im Schuljahr 2017/18 eröffneten Hortes an der Grundschule

Gegenwärtige Situation

Heute ist der Allwetterplatz der Schulanlage im Oberen Markt in einen Naturpausenhof umgewandelt und mit Spielgeräten ausgestattet. Die Aufgabe individualisierten Lernens führte zur Bildung von Kombiklassen für die Schülerjahrgänge 1/2 bzw. 3/4. Die Grundschule ist Mitglied im Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ und stellt sich den Forderungen der Inklusion für Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf. Im Schuljahr 2019/20 werden hier 332 Schüler von 28 staatlichen Lehrkräften in 15 Klassen unterrichtet.[62]

Wann wieder Veränderungen an den Gebäuden der Schulanlage angezeigt sind, wird die Zukunft weisen. Wenn ab 2025 ein gesetzlicher Anspruch auf Ganztagesbetreuung für Grundschüler „zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ erfüllt werden soll, wird man aber wohl nicht ohne neuerliche Baumaßnahmen auskommen, zumal schon heute die Mittagsbetreuung eines Teiles der Schülerinnen und Schüler in Räumen des Jugendhauses erfolgt. Ob dafür die vorhandene Grundstücksfläche der Schulanlage in Roßtals Oberem Markt ausreicht?

Anmerkungen

1 Die diesjährige Sonderausstellung des Heimatvereins betrachtet Roßtaler Schule aus Anlass des 90. Jahrestags der Einweihung des Schulgebäudes, das noch heute wichtiger Teil der Roßtaler Grundschule ist. Dieser Beitrag soll die Ausstel-lung begleiten und zugleich für die Zeit nach 1806 die Ausführungen zu Roßtals Schulgeschichte ergänzen und fortführen, die Adolf Rohn (Heimatbuch von Roßtal und Umgebung, Roßtal 1928, S. 53 ff) und Bärbel Bauer (Beiträge zur Roßtaler Schulgeschichte, in: Kreutzer, Düthorn, Roßtal, Vergangenheit und Gegenwart, Roßtal 1979, S. 281 ff) gemacht haben.
2 Heute: Landratsamt
3 Heute: Altes Rathaus, Rathausgasse 2
4 Reg.Bl. 1803 S. 28
5 Reg.Bl. 1803 S. 757
6 Fränkisches Regierungsblatt 1805 S. 20
7 Werner Blessing, Franken in Staatsbayern. Integration und Identität, in: Nachdenken über fränkische Geschichte, hrsg. v. Erich Scheider, Neustadt a. d. Aisch 2005, S. 285
8 Reg.Bl. 1815 S. 73
9 Der jeweilige Pfarrer war ja zugleich „Lokalschulinspektor“.
10 Max von Seydel, Bayerisches Staatsrecht, Freiburg 1896, Band III, S. 622
11 Archiv des ev.-luth. Pfarramtes Roßtal, Akte Nr.86
12 Archiv des ev.-luth. Pfarramtes Roßtal, Akte Nr. 87
13 Archiv des ev.-luth. Pfarramtes Roßtal, Akte Nr. 186
14 Wie Anm. 11
15 Archiv des ev.-luth. Pfarramtes Roßtal, Akte Nr. 371
16 Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 212/7/1, Bez. Amt Fürth, Nr. 220
17 Wie Anm. 15
18 Archiv des ev.-luth. Pfarramtes Roßtal, Akte Nr. 233
19 Archiv des Marktes Roßtal, Fach 4, V. Abt. Akte 1
20 Bodenschatz-Geisenhof, Altorterneuerung Roßtal, Weißenburg-Heuberg 1990, S. 101
21 Archiv des ev.-luth. Pfarramtes Roßtal, Akte Nr. 172
22 Wie Anm. 18
23 Wie Anm. 17
24 Wie Anm. 18
25 Wie Anm. 18
26 Wie Anm. 18
27 Archiv des Marktes Roßtal, Fach 4, V. Abt. Akte 26
28 Archiv des Marktes Roßtal, Fach 4, V. Abt. Akte 28
29 Archiv des Marktes Roßtal, Fach 4, V. Abt. Akte 4
30 Archiv des Marktes Roßtal, Fach 4, V. Abt. Akte 25
31 Wie Anm. 27
32 Archiv des Marktes Roßtal, Fach 4, V. Abt. Akte 3
33 Archiv des Marktes Roßtal Fach 4, V. Abt. Akte 30
34 Wie Anm. 18
35 Archiv des Marktes Roßtal, Fach 4, V. Abt. Akte 24
36 Alfred Steinheimer, 65 Jahre Schulgebäude an der Schulstraße in Roßtal, in: Grundschule Roßtal, Festschrift zur Einweihung des Neubaus und der Umbauten, Roßtal 1995, S. 21 ff. Seine Ausführungen, insbes. S. 22 und 23 entsprechen nicht in allem der Aktenlage, die in den Archiven des ev.-luth. Pfarramtes und des Marktes vorzufinden ist.
37 Im Jahre 1927 fuhren täglich 17 Schüler nach Nürnberg, um dort die 8. Klasse zu besuchen. (Archiv des Marktes Roßtal, Fach 4, V. Abt. Akte 26)
38 Dieter Koerber, Vor 50 Jahren, Roßtaler erinnern sich an das Kriegsende, in: Roßtaler Heimatblätter Heft 30 I/1995, S. 4 ff
39 Richard Preisel (Aus der Schulgeschichte Roßtals und der heutigen Schulverbandsgemeinden, in: Festschrift aus Anlaß der Einweihung des Hauptschulgebäudes am 4. Dez. 1974) nennt Oktober 1945.
40 Archiv des Marktes Roßtal Fach 3, Abt. IV Akte 2
41 Archiv des Marktes Roßtal Fach 3, Abt. IV Akte 4
42 Wie Anm. 32
43 Neue Schulbücher brachte das Roßtaler Transportunternehmen Auerochs allerdings erst am 9. Feb. 1946 von Fürth nach Roßtal.
44 Nürnberger Nachrichten vom 11. Oktober 1945
45 Ulrich Grimm, Roßtal 1945/46, Roßtal 2007, S. 182
46 Gerhard Deeg, Ein Lager, seine Menschen und eine Kirche, Roßtal 2009, S. 18
47 Wie Anm. 27
48 Sitzungs-Buch des Marktgemeinderates Roßtal, Sitzung vom 2. April 1959
49 Wie Anm. 48, Sitzung vom 5. 11. 1959
50 Bauakten des Marktes Roßtal
51 Gesetz über die Schulverwaltung, Schulverbände und Gastschulverhältnisse an Volksschulen GVBl 1961/35
52 Im Sitzungsbuch des Schulverbandsausschusses, Sitzung vom 20. September 1962, heißt es hierzu: „Bürgermeister Wiesinger soll wegen des Mittagessens bei den Gastwirten am Oberen Markt anfragen, ob von diesen einer bereit ist, ein preiswertes Mittagessen für 90 geladene Gäste zu verabreichen. Das Mittagessen soll bestehen aus: Suppe, Braten und Klößen. Welches Getränk jeder einzelne Gast trinken will, wird ihm überlassen.“
53 Sitzungsbuch des Schulverbandes Roßtal, Sitzung vom 9. Juli 1969
54 Wie Anm. 39
55 Heute: Burgweg mit den dort ab 1974 errichteten Wohngebäuden
56 Sitzungsbuch des Schulverbandes Roßtal, Sitzung vom 5. September 1974
57 Sitzungsbuch des Schulverbandes Roßtal, Sitzung vom 28. Januar 1970, Anlage 1
58 Sitzungsbuch des Schulverbandes Roßtal, mehrere Sitzungen 1972/73
59 Sitzungsbuch des Schulverbandes Roßtal, Sitzung vom 15. Dezember 1973
60 Hönel, Grußwort zur Einweihung des Hauptschulgebäudes in der zu diesem Anlass erschienenen Festschrift
61 Aus: Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Arbeit in der Grundschule, zitiert aus der Festschrift zur Einweihung des Neubaus und der Umbauten der generalsanierten Grundschule am 27. Oktober 1995, S. 9
62 Für die aktuellen Informationen danke ich Frau Rektorin Wiegartz.


Elfriede Heinrich

Ein Jahrhundertprojekt – Die Restaurierung der Kirche in Buchschwabach (2012–2019)

Die Kirche „Maria Magdalena“ in Buchschwabach ist in die Jahre gekommen. Die letzten grundlegenden Restaurierungen liegen mehr als 100 Jahre zurück. Seither hat der Zahn der Zeit an dem Gebäude genagt, so dass Bauschäden immer offensichtlicher zu Tage gekommen sind. Eine aufwändige Sanierung, die dringend notwendig geworden war, hat nun ihren Abschluss gefunden. Der vorliegende Artikel soll einen Überblick über diese Jahrhundert-Maßnahme geben.

Mittelalterliche Ursprünge

Die heutige Buchschwabacher Kirche ist das Ergebnis einer langen baulichen Entwicklung. Generationen haben an ihr gearbeitet. Wann genau sie errichtet wurde und wer die Kirche erbauen ließ, liegt im Dunklen, da schriftliche Belege fehlen. Auch das Alter unseres Ortes bleibt im Ungefähren. Der Flussname „Pouhsuapaha“ ist schon für das frühe Mittelalter bezeugt, und zwar durch ein Dokument der Regensburger Benediktiner-Abtei St. Emmeram. Es handelt sich dabei um eine Grenzbeschreibung der Klostermark im Umkreis von Rohr. Sie ist in einer Abschrift aus dem ersten Viertel des 11. Jahrhunderts überliefert, fußt aber auf einer früheren, um 800 entstandenen Fassung.[63] Den althochdeutschen Namen „Pouhsuapaha“ kann man mit „Bach, an dem Buchen stehen“ übersetzen (das h ist als Reibelaut ch zu sprechen). Belegt ist also das Gewässer, ob es im 11. oder schon im 9. Jahrhundert eine Ansiedlung gleichen Namens oder gar eine Kirche gegeben hat, ist der Quelle aber nicht zu entnehmen.

Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes ist viel jünger; sie findet sich im Reichslehenbuch der Herren von Berg aus dem Jahr 1396.[65] Die Kirche dürfte allerdings spätestens in der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden und damit ca. 800 Jahre alt sein. Diese Annahme basiert auf der Tatsache, dass die Kirche der Maria Magdalena geweiht ist. Die Verehrung der hl. Maria Magdalena begann im 10. Jahrhundert in Frankreich und fand auch hier in der Region besonders unter Kaiser Heinrich II. Verbreitung. Etwa ab 1230 entstanden in größeren Städten des deutschen Sprachraums, darunter im Jahr 1240 auch in Nürnberg[62] , Niederlassungen des Magdalenen-Ordens (Schwestern vom Orden der heiligen Maria Magdalena zur Buße) für bekehrte und büßende Frauen. Im zweiten Konzil von Lyon 1274 wurde diesem Orden allerdings die Aufnahme von Novizinnen untersagt, woraufhin er sich dem Klarissenorden anschloss. Es darf also angenommen werden, dass nach der Entscheidung in Lyon keine Kirche mehr unter das Patrozinium der Maria Magdalena gestellt wurde.

Stifter der Kirche könnten die Herren von Berg aus Zirndorf-Altenberg gewesen sein, die offenbar dem Magdalenen-Orden sehr zugetan gewesen waren.[66] Von daher liegt die Vermutung nahe, dass diese Familie von Reichsministerialen nicht erst im ausgehenden 14. Jahrhundert, sondern bereits früher Lehen und Besitz in Buchschwabach hatte, dort die Kirche erbauen ließ und entschied, welches Patrozinium sie tragen soll. Da eine Kirche bei der Gründung materiell ausgestattet werden musste, kann man davon ausgehen, dass der vorhandene Stiftungswald oder zumindest ein Teil davon von Anfang an zur Kirche gehörte. Für diese materielle Ausstattung kommt eigentlich nur ein adliger Stifter in Frage.

Katastrophen und bauliche Entwicklung

Vom ursprünglichen Bau einer romanischen Chorturmkirche ist heute nur noch das Untergeschoss des Turmes erhalten[67]; dieser war vermutlich nicht sehr viel höher als das Langhaus. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Kirche durch Kriege mehrfach zerstört und wiederaufgebaut, schließlich auch erweitert und vergrößert.

Während der Fehde des Markgrafen Albrecht Achilles gegen die Reichstadt Nürnberg erstürmten markgräfliche Truppen am 24. August 1449 die Kirche und legten sie in Schutt und Asche. Erasmus von Schürstab[68], Hauptmann der Nürnberger Streitkräfte, besaß zu dieser Zeit das halbe Dorf als Lehen, was die Gewalttaten gegen Buchschwabach erklärt. Im Gegenzug wurde Roßtal von Nürnberger Truppen gebrandschatzt.[69] Aus den Nürnberger Ratsaufzeichnungen[70] über diesen Krieg der Stadt gegen den Markgrafen erfahren wir Einzelheiten über das Vorgehen gegen die Buchschwabacher Kirche. Demnach hätte die markgräfliche Soldateska sämtliches „gezirde“ und auch die Glocken geraubt. Informationen über die Wiederherstellung gibt es nicht. 1482 wird die Kirche im Verzeichnis der Einkünfte des Ortspfarrers von Roßtal wieder erwähnt.

Eine weitere Plünderung erfuhr die Kirche 1547 während des Schmalkaldischen Kriegs durch spanische Truppen, die unter Kaiser Karl V. für die katholische Seite kämpften. Im 30-jährigen Krieg sind etwa 80–90 % der Einwohner des Ortes umgekommen. Natürlich wurde auch die Kirche schwer in Mitleidenschaft gezogen. Über den Wiederaufbau ist aber wenig bekannt. Ab 1656 leisteten die Buchschwabacher Bauern wieder ihre vollen Abgaben an die Zehntnehmer. Dies war nur möglich, weil österreichische Exulanten, also protestantische Glaubensflüchtlinge, den Bevölkerungsverlust durch den Krieg nach und nach ausgeglichen haben.[71]

1765/66 wurde unter dem markgräflichen Bauinspektor Johann David Steingruber der Turmhelm erneuert und das Langhaus instandgesetzt. Zwei Glocken aus den Jahren 1721 und 1754 riefen die Gläubigen zum Gottesdienst.[72]

1882/83 wurde das Langhaus komplett abgerissen und nach den Plänen des Nürnberger Professors Steinsdorff neu errichtet. Dabei hat man es verlängert und den Chorraum nach Westen verlegt. In den Jahren 1911–1914 wurde das Innere der Kirche noch einmal grundlegend verändert. Dies kam durch die Bemühungen von Lehrer Wilhelm Hammerbacher zustande, der den Wert der bis dahin auf dem Dachboden gelagerten Kunstwerke erkannte und für eine fachgerechte Ausbesserung sowie die Wiederaufstellung in der Kirche sorgte, so dass diese ihre spätgotische Ausstattung zurückerhielt. Auch die Anschaffung einer neuen Orgel, die auf der eigens dafür eingebauten Empore ihren Platz fand, und die Gründung des Posaunenchores sind seinem Engagement zu verdanken.

Der Turm, der im Laufe der Jahrhunderte mindestens zweimal erhöht worden war, erhielt 1965 ein neues Dach; 1967 wurde eine dritte Glocke angeschafft.

Sanierungsbedarf in jüngster Zeit

Holzwurmbekämpfung, Neueindeckung des Langhauses und Sanierung der gesamten Kirchenelektrik waren Maßnahmen, die um die Jahrtausendwende durchgeführt wurden.

Lange schon war offensichtlich, dass im Inneren der Kirche ein neuer Anstrich notwendig war. Durch Feuchtigkeit, die von außen durch das Mauerwerk drang, begann der Putz zu bröckeln. Hinzu kamen Risse im Turm, dessen Ostseite bereits eine deutlich sichtbare „Ausbuchtung“ aufwies, sowie Schäden am Treppenaufgang an der Südseite.

Riss-Verlauf an der Südseite des Turmes,
rechts das Bohrloch zur Analyse der inneren Beschaffenheit des Mauerwerks.
Foto: Kirchenvorstand Buchschwabach

So entschied der Kirchenvorstand 2011, sachkundigen Rat einzuholen, um die Kosten für eine Renovierung zu ermitteln.

Am 22.02.2012 fand dazu eine Begehung der Kirche mit Vertretern der Unteren Denkmalschutzbehörde, des Amtes für Denkmalschutz sowie dem Kreisheimatpfleger Lang statt. Dabei wurde beschlossen, einen in der Denkmalpflege erfahrenen Architekten mit der Planung zu beauftragen.[73]

Putzschäden im Chorbereich, Durchfeuchtung hinter dem Altar.
Foto: Architekturbüro Hilpert & Kretschy

Erste Kostenschätzungen lagen bei rund 100.000 Euro. Die Landeskirche erteilte die bei derartigen Projekten erforderliche kirchenaufsichtliche Genehmigung und stellte einen Zuschuss von 50 % in Aussicht. Die restliche Finanzierung sollte durch Holzverkauf aus dem Stiftungswald erwirtschaftet werden. Der zuständige Förster John hatte dem Kirchenvorstand berichtet, dass eine größere Durchforstung des Waldes mit anschließendem Waldumbau durch Aufforstung möglich und ratsam sei.[74] Folglich beschloss der Kirchenvorstand, die Maßnahme in Angriff zu nehmen.

Zunächst wurden die Außenmauern an der West- und Nordseite der Kirche bis zu den Fundamenten freigelegt, um eine ausreichende Drainage anzubringen und die Mauern von außen gegen Feuchtigkeit abzudichten. Dabei stellte sich heraus, dass der Kanal, der das Wasser des Friedhofes ableiten sollte, teilweise eingebrochen war und erneuert werden musste, was bereits die erste Kostensteigerung nach sich zog.

Anbringen der Drainage auf der Friedhofseite
Foto: Kirchenvorstand Buchschwabach

Richtig spannend wurde es dann, als die Arbeiten am Turm begannen. Erste Aufgrabungen zeigten, dass das Fundament des Turmes stellenweise noch nicht einmal einen Meter tief in den Boden eingebracht war. Darunter waren mehrere Meter nicht tragfähiger Boden aus Auffüllungen und lockeren Feinsanden. Grundwasser trat bei etwa drei Metern Tiefe auf. Gut tragfähiger Fels fand sich erst in knapp sechs Metern Tiefe. Kernbohrungen im Mauerwerk des Turmes brachten zudem zutage, dass es sich bei den Turmwänden nicht um ein massives Mauerwerk handelt, sondern diese zweischalig gebaut wurden. Die Wände haben zwar eine Stärke von 100–130 cm, doch ist die Außenwand nur zwischen 26 und 43 cm stark, dahinter folgt lose Kernfüllung von bis zu 50 cm und dann eine Innenwand.

Bohrkern, der das zweischalige Mauerwerk des Turmes zeigt; in der Mitte die Innenfüllung zwischen den Schalen
Foto: Gutachten TÜV Rheinland

Schnell wurde klar, dass die geplanten Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen würden. Weitere Untersuchungen und Gutachten wurden in Auftrag gegeben.

Das Gutachten des TÜV Rheinland von Dipl.-Ing. Gregor Stolarski beschreibt das ganze dramatische Ausmaß der Schädigungen.[75]

Der Turm wies zahlreiche Deformationen und vor allem Risse auf. Diese waren zwar in der Vergangenheit mit Zementmörtel überdeckt worden (was sich aus heutiger Sicht nachteilig auf den Sandstein auswirkte), eine Grundsanierung hatte jedoch nicht stattgefunden.

Riss im Turm mit notdürftiger Ausbesserung
Foto: Kirchenvorstand Buchschwabach

Die Ostwand des Turmes war mittig an der Achse der beiden Fensteröffnungen vertikal gebrochen und die Mauerwerkschale außen bereits deutlich verschoben. Im Bereich oberhalb dieser Stelle waren durch Umbau des Hauptschiffs Stahlanker mit großen außenliegenden Platten eingezogen worden. Diese sollten das Kirchenschiff stabilisieren, belasteten aber die ohnehin schon schwächliche Statik des Turmes.

Weiter unten im Turmsockel zeigten sich vertikale und steil schräg nach oben verlaufende Risse an der Nord- und Südseite. Dort war die ursprüngliche bauliche Situation der Entstehungszeit verändert worden: Im Süden war der filigrane Treppenaufgang zur Empore aus Stein angebaut worden, ohne tragfähiges Fundament und ausreichende Verzahnung, so dass dieser wegzukippen drohte. Im Norden wurde die Türe zum heutigen „Glockenhaus“ durchgebrochen, jedoch nicht mit den üblichen Laibungssteinen oder Stürzen versehen.

Mehrfache Veränderungen fanden auch im Glockenstuhl statt, die letzte größere wohl um 1967, als die dritte Glocke angeschafft wurde. Dabei wurde vermutlich gebrauchtes Baumaterial verwendet, das zudem keine ausreichende Auflagefläche auf ohnehin schon brüchigem Mauerwerk hatte. Die dynamische Belastung durch das Glockengeläut (Schwingrichtung Ost-West) wirkte sich außerdem schädigend auf die Schalenmauerwerke des Turmes aus.

Dies alles machte eine massive konstruktive Verbesserung der Statik des Turmsockels dringend erforderlich.

Maßnahmen und Kosten der Sanierung

Damit war klar, eine klassische Vollunterfangung des Turmes und eine Vertiefung des Fundamentes waren aufgrund der Gegebenheiten im Untergrund und dem bestehenden schaligen Mauerwerk nicht möglich. Die Schäden waren durch die Überbelastung der schmalen harten Außenschalen entstanden. So kam die Schlüsselrolle bei der Sanierung dem schaligen Sockelmauerwerk des Turmes zu; es war unbedingt notwendig, dieses zu festigen und tragfähiger zu machen. Dazu mussten das poröse Mauerwerk mit Spezialmörtel verfüllt, die Außen- und Innenschale des Mauerwerks vernadelt und die drei Außenwände des Turmes mit Verbundankern verspannt werden. Auch die weiter oben entstandenen Risse und Verschiebungen mussten vernadelt, gekittet und durch Spezial-Injektionen stabilisiert werden.

Verschalung, um ein tragfähiges Fundament des Turmes herzustellen
Foto: Kirchenvorstand Buchschwabach

Ausgrabung unterhalb des Turmes.
Das Mauerwerk wird abgestützt, damit die Fundamente vertieft werden können.
Foto: Kirchenvorstand Buchschwabach

Diese neue Situation ließ den Innenanstrich der Kirche schnell in den Hintergrund geraten. Plötzlich drehte sich alles um den Turm und darum sicherzustellen, dass die Glocken weiter läuten können und keine Gefahr durch eventuell sich lösende und herabfallende Steine entsteht.

Die Bausumme, um die es inzwischen ging, war auf 400.000 € angewachsen. Glücklicherweise hatten parallel die ersten Durchforstungsarbeiten im Wald gute Erträge gebracht und auch die Landeskirche beteiligte sich mit 50 % an der Maßnahme. Dennoch blieben große Sorgenfalten auf den Stirnen der Verantwortlichen zurück, ob es der kleinen Kirchengemeinde mit knapp 500 Mitgliedern in Buchschwabach gelingen kann, diesen enormen Aufwand zu schultern.

Nachdem die umfangreichen Arbeiten unterhalb des Turmes abgeschlossen waren, konnte der Bereich um die Kirche wieder gepflastert und neu angelegt werden. Dabei wurde die Treppe vor der Hauptpforte entfernt und der Eingangsbereich so umgestaltet, dass der Zugang nun auch barrierefrei möglich ist.

Erst nachdem das Gerüst um den gesamten Turm aufgestellt war, konnte man den Zustand im oberen Teil in Augenschein nehmen und beurteilen. Dabei zeigten sich auch am Dachstuhl schadhafte Stellen. Hier galt es nun abzuwägen, ob nur notdürftig repariert werden soll oder ob man auch hier eine umfangreichere und damit nachhaltigere Ausbesserung vornehmen soll, die auch eine komplette Neueindeckung des Turmes nach sich zog. Nach eingehenden Beratungen entschloss sich der Kirchenvorstand für die „große“ Lösung, auch deshalb, weil die Kosten für das Gerüst recht hoch waren und dieses jetzt bereits stand.

Komplett eingerüsteter Kirchturm
Foto: Kirchenvorstand Buchschwabach

Im Zuge der Maßnahmen am Dachstuhl wurde der hölzerne Turmhelm entfernt und durch einen neuen ersetzt sowie die Kugel mit der Wetterfahne abmontiert und geöffnet. Der Inhalt wurde gesichtet, dokumentiert und mit aktuellen Dokumenten ergänzt. Jetzt erstrahlt die neu vergoldete Kugel in neuem Glanz und bewahrt ihren Inhalt für spätere Generationen. Nähere Erläuterungen zum Inhalt der Kugel würden den Rahmen dieses Artikels sprengen und sollen Gegenstand einer späteren Veröffentlichung werden. Der alte Turmhelm fand im Garten des Gemeindehauses einen Platz und kann dort bestaunt werden.

Der alte Turmhelm mit Kugel vor der Demontage
Foto: Kirchenvorstand Buchschwabach

Renovierung im Inneren

Ende 2017 waren alle Arbeiten am Turm und rund um die Kirche abgeschlossen. Nun endlich konnte die Innenrenovierung in Angriff genommen werden. Jedoch waren für eine Reihe von Arbeiten dauerhafte Temperaturen im Plusbereich notwendig. Außerdem war die Kirche während dieser Zeit nicht nutzbar. So einigte man sich auf den Baubeginn in der Woche nach der Konfirmation.

Zunächst wurden sämtliche Kunstwerke in die Werkstatt der Restauratorinnen Jutta Minor und Cornelia Patterson nach Forchheim verbracht. Sie sollten gereinigt und behutsam ausgebessert werden. Danach wurden die Bänke und Holzpodeste entfernt und in einer Scheune zwischengelagert. Jetzt konnten schadhafte Stellen im Fußboden ausgebessert werden.

Die inzwischen ausgetrockneten Wände erhielten einen neuen Putz, dabei verschwanden auch die restlichen bisher noch oberflächlich verlegten Leitungen. Die in Teilen bereits ausgefallene Elektroheizung wurde durch eine neue ersetzt, die weniger Energie benötigt und sich außerdem besser regeln lässt. Auch die Glockensteuerung wurde überarbeitet und neu installiert.

Eine Befunduntersuchung[76] der Innenwände durch den Künstler Béla Faragó ergab mehrere unterschiedliche Farbschichten übereinander. Man entschied sich, hier nicht weiter zu forschen und die Wände wieder weiß zu streichen. Béla Faragó hat hierfür die historisch korrekte Farb- und Kalkmischung für die Maler vorbereitet.

Um die Kirche künftig noch vielseitiger als für die normalen Gottesdienste nutzen zu können, hatte der Kirchenvorstand beschlossen, die sog. „Kreuzbänke“ auf der linken Seite unter der Kanzel nicht wieder einzubauen. Auf der rechten Seite waren sie bereits vor mehreren Jahren entfernt worden, um den Taufstein dort unterzubringen. Dieser war durch häufiges Verrücken in der Vergangenheit im Sockelbereich stark beschädigt; er wurde ausgebessert und in der Mitte vor den Stufen zum Altar auf eine feste Unterlage gestellt.

Eine Delegation des Kirchenvorstandes, die im Lutherjahr 2017 nach Eisenach gereist war, hatte in der dortigen Georgenkirche eine Bestuhlung gesehen, die durch eine Steckverbindung der einzelnen Stühle den Charakter einer Bank vermittelte. Nach mehreren „Probesitzungen“ auf Musterstühlen verschiedener Herstellerfirmen entschied sich der Kirchenvorstand schließlich für die Anschaffung von 30 dieser Stühle für die Empore und den vorderen Bereich der Kirche.

Dadurch ist die Bestuhlung zu den unterschiedlichen Anlässen und Veranstaltungen flexibel gestaltbar. Bei Taufgottesdiensten ist es möglich, zentral um den Taufstein zu sitzen, bei Trauerfeiern kann der Sarg unter der Kanzel platziert und bei Konzerten können die Stühle ganz entfernt werden, um auch größeren Chören Platz zu bieten.

Die restlichen Bänke erhielten einen auffrischenden Anstrich und wurden an ihrem angestammten Platz wieder montiert.

Ein Besuch des Kirchenvorstandes im Sommer bei den Restauratorinnen in Forchheim zeigte, wie schön die Kunstwerke bereits in neuem Glanz erstrahlten. Die Figuren, die alle aus dem 16. Jahrhundert stammen oder teilweise noch älter sind, befinden sich in einem erhaltenswerten Zustand und wurden somit, dort wo es notwendig war, nicht nur gereinigt, sondern die Farbe so gefestigt, dass sie nicht weiter abblättert. Bald schon sollten sie ihren Platz wieder in der Kirche finden. Nicht in allen Fällen war dies die gleiche Stelle, die sie vorher innehatten.

So wurden die Figuren der Maria und des Stephanus, die bisher über der Eingangstüre hingen, in den hinteren Teil des Langhauses links und rechts versetzt. Der „Marienaltar“ sowie die Skulptur der Maria Magdalena hängen nun gegenüber der Eingangstüre. Damit wurde erreicht, dass die Kunstwerke besser zur Geltung kommen.

Maria Magdalena und die beiden ältesten Statuen in der Forchheimer Werkstatt
Foto: Kirchenvorstand Buchschwabach

Zum Schluss erfuhr noch das Gesprenge an der Kanzel eine gründliche Reinigung und Ausbesserung der Farben. Eine komplette aufwändige Alarmsicherung rundet die Arbeiten im Inneren der Kirche ab.


Unsere Glocken sind wieder sicher!

Fotos: Kirchenvorstand Buchschwabach

Abschluss und neue Aufgaben

Zwar konnte die Zielsetzung, die Kirche zur Kirchweih am ersten August-Wochenende wieder nutzen zu können, nicht ganz erreicht werden. Eine Hochzeit eine Woche später fand aber wie vorgesehen statt. So konnte die Gemeinde im Jahr 2018 einen ganz besonderen Erntedank-Gottesdienst feiern, waren doch fast alle Maßnahmen wie geplant realisiert und auch finanziert worden.

Leider stellte sich nach Abschluss der Arbeiten heraus, dass die Orgel, die zwar während der gesamten Bauphase eingehaust und verpackt war, ihren gewohnten Dienst nicht aufnehmen wollte. Hier rächt sich nun, dass in den letzten 50 Jahren die Wartungsarbeiten auf ein Minimum reduziert und immer nur die allernotwendigsten Reparaturen durchgeführt worden waren. Damit die Orgel wieder in ihrer vollen Pracht erklingt, ist auch hier eine umfangreiche Renovierung notwendig, die hoffentlich im Jahr 2020 ihren endgültigen Abschluss findet.

Am Ende hatte die Bausumme eine halbe Million Euro überschritten. Dank der großen Spendenbereitschaft der Buchschwabacher, der Bezuschussung durch die Landeskirche, der Zuwendungen der Kirchenstiftung, der Ergänzungszuweisungen des Dekanats und nicht zuletzt durch die Erträge des Holzverkaufes aus dem Stiftungswald, der auch nach 800 Jahren seine Aufgabe, zum Erhalt der Kirche beizutragen, erfüllt hat, konnte die kleine Kirchengemeinde Buchschwabach dieses „Jahrhundertprojekt“ meistern.

Zur Verfasserin:

Frau Elfriede Heinrich war viele Jahre Mitglied im Buchschwabacher Kirchenvorstand. Sie ist Kirchenpflegerin und gibt seit 1997 bei Bedarf Kirchenführungen.

Anmerkungen

63 Vgl. Georg Helmreich: Unsere Orte Buchschwabach, Defersdorf, Trettendorf und Wimpashof in der St. Emmeramsmark an der Schwabach. In: Roßtaler Heimatblätter (RHBl.) 46, 2009, S. 13–17.
Vgl. auch Dieter Körber: Wie alt ist eigentlich Buchschwabach? In: RHBl. 33, II/1996, S. 4 f.
Dieter Körber: Roßtal, Buchschwabach und Rohr oder Buchschwabachs alte Liebe. In: RHBl. 28, I/1994, S. 16 ff.
64 Wolfgang Wießner: Stadt- und Landkreis Fürth (Historisches Ortsnamenbuch von Bayern. Mittelfranken 1), München 1963, Buchschwabach.
65 Zum Orden in Nürnberg vgl. Haus der Bayerischen Geschichte: https://www.hdbg.eu/kloster/index.php/pdf?id=KS0292 (aufgerufen 10.10.2019).
66 Vgl. Helmut Mahr: Die Roßtaler Kirche und ihre Filialen. Die Filialkirche in Buchschwabach. In: Roßtal. Vergangenheit und Gegenwart, hrg. von Hans Kreutzer und Robert Düthorn, Roßtal 1979, S. 324 f.
So auch Prof. Helmut Mahr, vormals Kreisheimatpfleger, bei einem Vortrag in Buchschwabach am Tag des offenen Denkmals, September 2000.
Zu Maria Magdalena und ihrer Verehrung vgl. Annette Faber: Unsere Heiligen – Ein Begleitbuch durchs Jahr. Bamberg, Verlag Fränkischer Tag, 2000, S. 183–187.
67 Vgl. Dieter Koerber: 100 Jahre erneuerte Kirche St. Maria Magdalena, Buchschwabach. In: RHBl 8,II/1983, S. 2–5.
68 Erasmus II. von Schürstab (1426–1473) gehörte einem einflussreichen Nürnberger Patriziergeschlecht an; er war Fernhandelskaufmann und Ratsmitglied. Vgl. Martin Schieber u. a. Patrizier in Nürnberg. Das Geschlecht der Schürstab. Nürnberg 2009, S. 218.
Vgl. auch Alfred Steinheimer: Ein Gang durch die Geschichte Buchschwabachs mit seiner Kirche Maria Magdalena, Faltblatt Markt Roßtal, 1996.
69 Vgl. Roßtal, Vergangenheit und Gegenwart (wie Anm. 66), S. 62.
70 Chroniken der Fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. II, S. 336. Vgl. H. Mahr, in: Roßtal, Vergangenheit und Gegenwart (wie Anm. 66), S. 324.
71 Vgl. A. Steinheimer (wie Anm. 68)
72 Vgl. Gerhard Deeg: Die Glocken der Kirche Maria Magdalena in Buchschwabach. In: RHBl. 46, 2009, S. 5–11.
Zum Folgenden vgl. D. Koerber in RHBl II/1983, S. 2–5 (wie Anm. 67).
A. Steinheimer, 1996 (wie Anm. 68)
73 Protokoll Landratsamt Fürth, Untere Denkmalschutzbehörde, Kreisbaumeister Lohse, 01.03.2012. Pfarrbüro Roßtal, Akt Buchschwabach
74 Dia-Vortrag von Förster John, Ergebnisse des Forstbetriebsgutachtens 2013, im Kirchenwald Buchschwabach, Mai 2014. Pfarrbüro Roßtal, Akt Buchschwabach
75 TÜV Rheinland LGA Bautechnik GmbH, Dipl.-Ing. Gregor Stolarski, Sachverständiger Historische Bauwerke: Gutachten vom 20.11.2014 und 27.03.2015. Pfarrbüro Roßtal, Akt Buchschwabach
76 Befunderkundungen Béla Faragó, akademischer Maler & Restaurator, September 2014, Mai 2015 und Mai 2018. Pfarrbüro Roßtal, Akte Buchschwabach